Neue Allianzen und Kooperationen für die Transformation.

 Arbeitsrecht und Strukturwandel (5): Fußangeln bei Joint Ventures und Gemeinschaftsunternehmen.

Neue Allianzen und Kooperationen für die Transformation.

Digitalisierung und Umsetzung des europäischen Green Deals erfordern oft Kooperationen, um komplexe Herausforderungen schneller zu lösen. Auch Qualifizierungsverbünde von Unternehmen unterschiedlicher Größe können sinnvoll sein. Welche Fragen stellen sich im Arbeitsrecht?

Für die digitale Transformation zur Industrie 4.0 und den Umbau zu einer nachhaltigeren Wirtschaft sind nicht nur immense Investititionen notwendig, sondern oft auch Kompetenzen, die in vielen Unternehmen nicht vorhanden sind. Deshalb gewinnen strategische Allianzen und Kooperationen an Bedeutung, etwa indem Old Economy und Startups zusammenarbeiten, um das autonome Fahren voranzutreiben oder neue datengetriebene Geschäftsmodelle für das Internet of Things zu entwickeln. Oder Unternehmen schließen sich entlang der Wertschöpfungskette oder branchenübergreifend zusammen, um den Weg in die Elektromobilität oder Wasserstoffwirtschaft zu ebnen.

Weiterbildung in Netzwerken

Mittelständler können beispielsweise im Bereich Personalplanung sowie Aus- und Fortbildung von Netzwerken profitieren: Etwa wenn sie Schwierigkeiten haben, die fachliche Bildungsarbeit für Smart Factory oder E-Mobilität auf die Beine zu stellen. Oder wenn sie sich Fachkräfte wie Softwareentwickler allein nicht leisten können. Beispielsweise schlägt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände regionale Qualifizierungsverbünde von Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung vor, die von einem Verband oder Bildungswerk initiiert und betreut werden könnten. Im Rahmen solcher Netzwerke könnten sich Beschäftigte des Mittelstands nicht nur bei bewährten Bildungsanbietern, sondern auch in den Ausbildungswerkstätten von Großunternehmen für neueste Technologie weiterqualifizieren. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt entsprechende Initiativen mit dem Bundesprogramm „Aufbau von Weiterbildungsverbünden“.

Ob es um Weiterbildung oder Ladeinfrastruktur für Brenstoffzellen-LKW geht – um einer Kooperation langfristig zum Erfolg zu verhelfen, müssen die Partner viel Sorgfalt verwenden, damit Struktur und rechtliche Gestaltung die gemeinsamen Ziele der Kooperation widerspiegeln. Nicht selten verbergen sich Tücken im Arbeitsrecht:

Joint Venture für länger dauende Kooperationen

Für längerfristige Kooperationen, etwa um innovative Antriebe mit Wasserstoff voranzutreiben, kann sich ein Joint Venture anbieten, um der strategischen Allianz eine stärkere Bindungswirkung zu verleihen. Ausgestattet mit eigener Geschäftsführung, eigenen Mitarbeitern und Prozessen ist ein Joint Venture in der Regel handlungsfähiger und arbeitet effizienter als beispielsweise ein Zusammenschluss auf Basis einer Kooperationsvereinbarung für gemeinsame Forschung und Entwicklung. Jedes Unternehmen bringt sein Know-how und Mitarbeiter*innen ein. Letztere erhalten entweder einen neuen individualrechtlichen Arbeitsvertrag oder dieser geht im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf das Joint Venture als neuen Arbeitgeber über. Probleme ergeben sich hier insbesondere, wenn sich die bisherigen Arbeitsbedingungen der beteiligten Unternehmen unterscheiden. Sofern erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sind, kann es sich auch um eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung nach § 111 BetrVG handeln. Die Konsequenz haben wir bereits in Teil 2 unserer Serie beschrieben: Arbeitgeber müssen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln und einen Sozialplan abschließen.

Gemeinsame Softwareentwicklung als Gemeinschaftsbetrieb?

Anders als bei einem Joint Venture führen die Partner bei einem Gemeinschaftsbetrieb den Betrieb gemeinsam. Arbeitnehmer, Know-how und Betriebsmittel verbleiben formal beim bisherigen Arbeitgeber. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für einen Gemeinschaftsbetrieb ist: Die Unternehmen einigen sich zumindest stillschweigend darauf, dass die Mitarbeiter*innen von einem einheitlichen Leitungsgremium der beteiligten Partner gesteuert werden. Das kann auch bei agilen Softwareprojekten der Fall sein, wenn beispielsweise die am besten qualifizierten Arbeitnehmer*innen eines Automobilherstellers und eines Zulieferers mit externen IT-Spezialisten zusammenarbeiten, um Software für das autonome Fahren zu entwickeln. Die Schwelle zu einem Gemeinschaftsbetrieb ist in der Regel überschritten, wenn disziplinarische Weisungsrechte unternehmensübergreifend über entsprechende Vollmachten geregelt werden. Konsequenz sind beispielsweise schwierige Fragen zur Zuständigkeit des Betriebsrats. Unter Umständen gilt ein Arbeitnehmer sowohl im Stamm- als auch im Projektbetrieb als eingegliedert. Auch bei der Betriebsratswahl ist es mitunter komplex, die Arbeitnehmer den Listen der einzelnen Betriebe zuzuordnen.

Risiko Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbständigkeit

Zudem droht die Gefahr einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, wenn eine Führungskraft Weisungen gegenüber Teammitgliedern aus Partnerunternehmen erteilt. Voraussichtlich Ende Mai wird das Bundesarbeitsgericht entscheiden, ob ein Gemeinschaftsbetrieb ein geeignetes Gestaltungsmittel sein kann, um die Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auszuschließen.

Untiefen für Arbeitgebende birgt ein unternehmensübergreifender Personaleinsatz auch mit Blick auf eine etwaige Scheinselbständigkeit. So gilt es beispielsweise die Projektverantwortlichen zu sensibilisieren, dass sie Freelancern wie selbständigen Programmierern nur fachliche, aber keine disziplinarischen Weisungen erteilen dürfen. Die Externen dürfen keinesfalls Betriebsmittel des Arbeitgebers nutzen und sie müssen ihre Arbeitszeit frei gestalten können.

Verwertungs- und Nutzungsrechte regeln

Last but not least müssen die Partner die Rechte an Arbeitnehmererfindungen sowie Software-Verwertungs- und -Nutzungsrechte detailliert regeln.

Strategische Allianzen und Kooperationen können wesentlich zum Erfolg der digitalen und grünen Transformation in Unternehmen beitragen. Um die passende Form zu finden und Fußangeln im Arbeitsrecht zu umgehen, sollten Unternehmen in drei Schritten vorgehen:

  1. Mit welcher Organiationsstruktur lassen sich die Ziele der Partner am besten erreichen?
  2. Wie sind die vertraglichen Vereinbarungen zu gestalten, um unerwünschte Folgen im Arbeitsrecht zu vermeiden?
  3. Monitoring der praktischen Durchführung: Um eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinselbständigkeit auszuschließen, kommt es darauf an, wie die Verträge gelebt werden.