Transformation gestalten: Gut geplant, ist halb gewonnen.

 Strukturwandel und Arbeitsrecht (2) – Betriebsänderung und Qualifizierungssozialplan.

Transformation gestalten: Gut geplant, ist halb gewonnen.

Wenn sich Berufsbilder und Anforderungsniveaus infolge von Digitalisierung und Klimaschutz wandeln, stehen in Unternehmen schnell Veränderungen an, die die Schwelle zu einer Betriebsänderung überschreiten. Welche Beteiligungsrechte des Betriebsrats sind damit verbunden? Und welche Vorteile bringt ein Qualifizierungssozialplan? Teil 2 unserer Serie liefert Antworten für Arbeitgeber und HR.

Digitale Kollegen können immer mehr Aufgaben übernehmen: Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) lassen sich auch komplexere Tätigkeiten zunehmend automatisieren, vor allem in Fertigungsberufen. Doch zugleich entstehen neue Aufgabenfelder, um beispielsweise mittels 3-D-Druck Produkte zu individualisieren. Ähnlich ist die Situation beim Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft: An den Hochöfen der Stahlindustrie entfallen Arbeitsplätze, aber es entstehen neue, um metallurgische Prozesse zu steuern. Wer wissen will, wie leicht sich die eigene Tätigkeit ersetzen lässt, kann dies testen mit dem Job-Futuromat des IAB.

Betriebsänderung infolge New Work?

Ob der Strukturwandel zu einem Abbau von Personal führt, zu neuen Fertigungsmethoden oder einer agilen Betriebsorganisation – die Grenze zu einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1,4,5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist schnell überschritten. Die Konsequenz für HR-Manager*innen: Der Betriebsrat ist zu beteiligen und Unternehmen haben die Pflicht, einen Interessenausgleich mit den Arbeitnehmervertreter*innen zu verhandeln und einen Sozialplan abzuschließen. Der Interessenausgleich beschreibt die konkreten Maßnahmen und ihre Umsetzung, also das „Ob“ und „Wie“ der Betriebsänderung. Und im Sozialplan wird geregelt, wie sich die wirtschaftlichen Nachteile der Beschäftigten ausgleichen lassen. Während es sich bislang meist um einen Abfindungssozialplan handelte, ändert sich das infolge des Fachkräftemangels gerade: Häufig wollen Unternehmen die Stammbelegschaft ganz oder teilweise halten und für die neuen Arbeitsprozesse und Produktionsmethoden qualifizieren.

Komplexität macht anfällig für Verzögerungen

Grundsätzlich ist eine Betriebsänderung sehr komplex und es kommt auf eine gute strategische Planung an. Beispielsweise lässt sich die Fertigung im Rahmen der Industrie 4.0 nur umsetzen, wenn die Mitarbeiter*innen dafür ausreichend qualifiziert sind. Unternehmen müssen also möglichst früh planen: Welche Arbeitnehmer*innen können und sollen weiterqualifiziert werden? Wer durchläuft wann welche Qualifikation? Voraussetzung dafür sind Interessenausgleich- sowie Sozialplanverhandlungen darüber, welche Arbeitnehmer*innen an Bord bleiben und weitergebildet werden sollen. Blockiert der Betriebsrat auch nur Teile des Projekts, weil er beispielsweise eine Überwachung der Arbeitnehmer*innen durch neue digitale Fertigungsmethoden fürchtet, gerät der gesamte Zeitplan schnell ins Wanken. Denn unter Umständen muss mehrfach eine Einigungsstelle angerufen werden.

Welche Vorteile bringt ein Qualifizierungssozialplan?

Da bei Transformationsprojekten in der Regel viele Zahnräder ineinander greifen, ist es oft sinnvoll, ein Gesamtpaket mit einem Qualifizierungsozialplan zu schnüren: Dieser beschreibt nicht nur Maßnahmen und Umsetzung der Betriebsänderung, sondern auch die Weiterbildung von Beschäftigten für die neuen Aufgaben. Er kombiniert als eine Art qualifizierter Interessenausgleich beispielsweise die Einsparung von Abfindungskosten für einen Personalabbau mit individualrechtlichen Anspüchen der Beschäftigten auf Qualifizierung, die sich klassischerweise nicht in einem Interessenausgleich regeln lassen. Es handelt sich also um eine Vereinbarung mit Hybridcharakter, die als Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Weitere Vorteile eines Qualifizierungssozialplans aus Arbeitgebersicht: Die Akzeptanz bei Arbeitnehmervertreter*innen und Belegschaft wächst, indem der Betriebsrat auch Fragen mitverhandelt, die grundsätzlich nicht mitbestimmungspflichtig sind wie die Ansprüche einzelner Beschäftigter auf Qualifizierung. Bedenken zu Teilaspekten des Projekts lassen sich so oft schneller ausräumen. Zugleich bieten sich durch entsprechende Betriebsvereinbarungen finanzielle Fördermöglichkeiten, wie wir in Teil 1 berichtet haben.
Typische Regelungen eines Qualifizierungssozialplans sind:

  • Qualifizierungsbedarf für die neu entstehenden Arbeitsplätze auf Basis einer Ist-Soll-Analyse,
  • Qualifizierungsziele und -wege,
  • Konkrete Teilnahmeregelungen wie Dauer und Umfang,
  • Finanzierung.

Change to win: Digitale Transformation und klimaneutrales Wirtschaften müssen in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zwangsläufig zu Verwerfungen am Arbeitsmarkt führen, wie Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, im Handelsblatt prognostiziert. Wichtige Weichenstellungen dafür sind permanente Weiterqualifizierung und gezielte Fortbildung für die künftige Beschäftigung. Kluge Konzepte, um die Kompetenzen der Zukunft zu erwerben, haben wir in Teil 1 unserer Serie vorgestellt. Doch die konkrete Umsetzung ist komplex, weil es sich bei den Projekten häufig um eine Betriebsänderung handelt. Dabei gilt: Gut geplant, ist halb gewonnen.