ESG Compliance (4): Die Tücken bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes.

 Handreichungen des BAFA und EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive.

ESG Compliance (4): Die Tücken bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes.

Seit 1. Januar gilt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die Umsetzung empfinden viele Betriebe als große Herausforderung. Doch Brüssel plant bereits weitreichende Verschärfungen. Was ist aktuell wichtig zu wissen für Arbeitgeber?

Die allermeisten Unternehmen unterstützen ausdrücklich den Schutz von Menschenrechten und die Verhinderung von Kinderarbeit als zentrale Grundsätze, unabhängig vom seit Jahresanfang geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Betroffen vom LkSG sind derzeit Unternehmen in Deutschland mit mindestens 3.000 Beschäftigten und damit rund 900 Betriebe. Ab 2024 müssen auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten die neuen Voraben beachten. Der Adressatenkreis erweitert sich dann deutlich auf 4.800 Betriebe. Über die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen hatten wir bereits berichtet.https://buse.de/blog/arbeitsrecht/14-monate-lieferkettengesetz/ Auf Unverständnis stößt nun allerdings, dass die Handreichungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) teilweise strenger sind als das Gesetz.

BAFA-Handreichungen sorgfältig lesen

Das BAFA ist nicht nur für Kontrolle und Durchsetzung des LkSG zuständig. Gemäß § 20 LkSG soll die Behörde Unternehmen auch bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten unterstützen: mit Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen. Mittlerweile hat das BAFA Handreichungen zur Risikoanalyse und zum Beschwerdeverfahren veröffentlicht. Es gibt Informationen zu den Berichtspflichten sowie einen Katalog häufig gestellter Fragen.

Positiv zu vermerken ist, dass die Handreichung zur Risikoanalyse maßgebliche Kriterien und Schritte für die verschiedenen Arten von Risikoanalysen beschreibt, während § 5 LKSG es bei abstrakten Vorgaben belässt. So empfiehlt das BAFA, in zwei Stufen vorzugehen: In Schritt eins sollen Unternehmen insbesondere die branchen- und länderspezifischen Risiken abstrakt analysieren. In Schritt zwei gilt es dann, die konkreten Risiken für das Unternehmen zu ermitteln und anhand der Kriterien gemäß § 3 Abs. 2 LkSG zu gewichten und zu priorisieren.

Handreichung zur Risikoanalyse verschärft Gesetz

Problematisch aus Arbeitgebersicht ist allerdings: Gemäß BAFA sind unter Umständen auch mittelbare Zulieferer in die anlassbezogene Risikoanalyse gemäß § 5 Abs. 2 LkSG einzubeziehen. So ist laut Seite 7,8 und 17 der Handreichung die anlassbezogene Risikoanalyse bei einer Veränderung der Geschäftstätigkeit in der gesamten Lieferkette durchzuführen. Sie bleibt somit nicht auf den eigenen Geschäftsbereich und die unmittelbaren Zulieferer beschränkt. Dies gilt sogar dann, wenn das Unternehmen noch keine Kenntnis von einem Verstoß gegen die Menschenrechte oder eine Umweltpflicht hat, sondern nur damit rechnen muss. Es stellt sich also die Frage, ob Unternehmen sich proaktiv relevante Informationen beschaffen müssen. Dabei liefern weder der Wortlaut des § 5 Abs. 4 S. 1 LkSG noch die Gesetzesbegründung Anhaltspunkte für eine Erweiterung auf mittelbare Zulieferer, sofern es keine konkreten Hinweise auf Verstöße gibt. In der Praxis führt die Auffassung der BAFA zu kaum kontrollierbaren Verpflichtungen und dadurch zu unkalkulierbaren Risiken. Nicht selten kennen Unternehmen die Identität von indirekten Zulieferern und Weiterverkäufern nicht.

Keine Umsetzungsfrist für Beschwerdeverfahren

Unternehmen, welche die Sorgfaltspflichten bereits ab 2023 erfüllen müssen, benötigen ein Beschwerdeverfahren gemäß LkSG ab Inkrafttreten am 01. Januar. Darauf weist die Handreichung Beschwerdeverfahren ausdrücklich hin. Problematisch ist dies insbesondere, als eine Risikoanalyse laut BAFA nicht bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen muss. Anhand dieser sollen Unternehmen jedoch die wichtigsten Zielgruppen für das Beschwerdeverfahren ermitteln.

Die Konsequenz für Legal-, Compliance- und HR-Verantwortliche: Soweit noch nicht geschehen, müssen sie nun umgehend zu prüfen, inwieweit die Vorgaben für die Einrichtung, Umsetzung und regelmäßige Überprüfung des Beschwerdemanagements im Sinne der Handreichung eingehalten werden. Wer die Sorgfaltspflichten erst ab 2024 erfüllen muss und bereits über ein System für den Schutz von Whistleblowern beziehunsweise ein Beschwerdemanagement verfügt, kann mit Hilfe der BAFA-Hinweise überprüfen, inwieweit sich das neue Verfahren gemäß LkSG mit dem bestehenden System vereinbaren lässt. Zu evaluieren sind dabei auch die Wirksamkeitskriterien gemäß den UN-Leitprinzipien.

Beschwerdemanagement für Hinweisgeber und LKSG integrieren

Um Mehraufwand und doppelte Prozesse zu vermeiden, ist ein enger Schulterschlusses von HR mit den Verantwortlichen für Legal, Compliance, Einkauf und Sustainability ratsam. Bestenfalls ermöglicht das eine integrierte Lösung für das Beschwerdemanagement, die neben dem LkSG auch die Vorgaben des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes erfüllt.

Europaparlament und Ministerrat ringen um EU-Lieferkettengesetz

Zusätzliche Sorgen bereiten Unternehmen die Brüsseler Pläne für die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD). Diese „Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit“ wird auch als EU-Lieferkettengesetz bezeichnet. Wie bereits berichtet, sieht die CSDD Verschärfungen gegenüber dem deutschen LkSG vor: Beispielsweise soll nicht nur die Verletzung von Menschenrechten, sondern auch von Umwelt- und Klimastandards sanktioniert werden. Zudem ist die Wertschöpfungskette weiter definiert und es werden auch mittelbare Zulieferer und Kunden erfasst.

Derzeit diskutieren Europa-Parlament und Ministerrat über die konkrete Ausgestaltung der Richtlinie. Während das Parlament diese gegenüber dem Vorschlag der EU Kommission noch verschärfen will, setzt sich der Ministerrat für schwächere Vorgaben ein: Dazu zählen eine längere Schonfrist. Auch sollen nachgelagerte Geschäftspartner nur in begrenztem Umfang erfasst werden. Die neuen Sorgfaltspflichten sollen zunächst große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens 300 Millionen Euro treffen. Für Betriebe aus Drittländern außerhalb der EU und einem Umsatz ab 300 Millionen Euro würde die Regelung ebenfalls greifen.

Das LkSG hat große Bedeutung für die Compliance eines Unternehmens und birgt hohe Haftungsrisiken. Bei Verstößen drohen empflindliche Geldbußen und der Reputationsschaden wiegt oft noch schwerer. Umso wichtiger ist Rechtssicherheit. Es stößt deshalb auf Bedenken, wenn das BAFA in der Handreichung Risikoanalyse über das LkSG hinausschießt. Zwar sind die Handreichungen unverbindlich, doch sie vermitteln die Sichtweise der Kontrollbehörde. Rechtsstreitigkeiten sind so vorprogrammiert.

Nichtsdestotrotz liefern die Handreichungen wertvolle Hinweise und Informationen für die Praxis, insbesondere für diejenigen Unternehmen, welche die Sorgfaltspflichten erst ab 2024 beachten müssen. Sofern die BAFA über das LkSG hinausgeht, müssen Unternehmen zumindest keine Sanktionen fürchten, falls sie die Handreichungen nicht in vollem Umfang umsetzen sollten.

Die Brüsseler Pläne für die EU Sustainability Due Diligence Directive könnten Unternehmen allerdings künftig zwingen, auch mittelbare Zulieferer in die Risikoanalyse einzubeziehen. HR Managerinnen und Manager sollten das weitere Gesetzgebungsverfahren aufmerksam verfolgen.