Gemäß LkSG müssen alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmer*innen, die ihre Hauptverwaltung/-niederlassung, ihren Verwaltungs- oder Satzungssitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, menschenrechts- sowie umweltbezogene Sorgfaltspflichten beachten und Verletzungen verhindern oder zumindest minimieren. Dies gilt im eigenen Geschäftsbereich und in ihren Lieferketten. Ab 2024 fallen auch Firmen mit mindestens 1.000 Mitarbeiter*innen in den Anwendungsbereich.
Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen für drei Jahre. Einen zivilrechtlichen Haftungstatbestand begründet das Gesetz selbst nicht. Allerdings bleiben bestehende Haftungsansprüche unberührt.
Sieben Kernelemente
Das Gesetz nennt sieben Ansatzpunkte eines verantwortungsvollen Managements der Lieferkette, um grundlegende Menschenrechtsstandards wie das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Umweltschutzstandards einzuhalten:
- Grundsatzerklärung (§ 6 LkSG):
Unternehmen müssen eine Grundsatzerklärung über ihre Menschenrechtsstrategie veröffentlichen: Welche Strategie wird verfolgt? Mit welchen Verfahren stellt das Risikomanagement sicher, dass menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken erkannt, minimiert und verhindert werden? Welche Präventionsmaßnahmen werden innerhalb der relevanten Geschäftsabläufe etwa im Einkauf oder HR implementiert, um Verletzungen und Risiken vorzubeugen? - Risikomanagement (§ 4 LkSG):
Unternehmen müssen ein Risikomanagement einrichten mit dem Ziel, Risiken und Verletzungen von Menschenrechten und umweltbezogener Pflichten entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren, zu verhindern und zu beenden oder zumindest zu minimieren. § 2 Abs. 2 LkSG zählt auf, was als menschenrechtliches Risiko gilt: Gibt es beispielsweise Anzeichen für Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Diskriminierung? Drohen arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren? Oder sind mit Blick auf die Verwendung von Chemikalien Umweltschäden zu befürchten (§ 2 Abs. 3 LkSG)? Festzulegen ist auch: Wer ist für die Überwachung des Risikomanagements zuständig? - Risikoanalyse (§ 5 LkSG):
Einmal im Jahr ist im Rahmen des Risikomanagements eine Risikoanalyse durchzuführen. Anlassbezogen, wenn beispielsweise mit einer erweiterten Risikolage zu rechnen ist, kann eine Risikoanalyse auch häufiger durchzuführen sein. Der Fokus der Analyse darf dabei nicht nur auf dem eigenen Geschäftsbereich liegen, sondern muss auch Risiken bei unmittelbaren Zulieferern erfassen. - Präventionsmaßnahmen (§ 6 LkSG):
Sobald ein Risiko im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern identifiziert wird, sind Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, um vorzubeugen und Risiken zu minimieren. - Abhilfemaßnahmen (§ 7 LkSG):
Wird die Verletzung geschützter Rechtspositionen im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren Zulieferer festgestellt, sind nach § 7 LkSG unverzüglich Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Deren Wirksamkeit ist anlassbezogen, mindestens aber einmal pro Jahr zu überprüfen. Der Erfolg einer Abhilfemaßnahme hängt von den rechtlichen und tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Unternehmens ab.
Aber was gilt, wenn ein Verstoß gegen Arbeitssicherheit oder Gesundheitsschutz bei einem unmittelbaren Zulieferer nicht kurzfristig beendet werden kann? In diesem Fall ist ein Konzept mit Gegenmaßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Als Ultima Ratio ist der vollständige Abbruch der Geschäftsbeziehung in Betracht zu ziehen. - Beschwerdeverfahren (§ 8 LkSG):
Unternehmen müssen ein angemessenes internes oder externes Beschwerdeverfahren einrichten. Wichtig ist, dass sowohl Betroffene als auch sonstige Dritte in der Lage sein müssen, auf Verletzungen geschützter Rechtspositionen in der gesamten Lieferkette hinzuweisen.
Hiervon zu unterscheidenden ist eine gerichtliche Geltendmachung der Rechte von Betroffenen: Nach § 11 LkSG haben diese nun die Möglichkeit, eine inländische Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisationen zu beauftragen, die Ansprüche als Prozessstandschafter im eigenen Namen geltend zu machen. - Dokumentations- und Berichtspflichten (§ 10 LkSG):
Notwendig ist ein fortlaufender jährlicher Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr. Dieser Bericht ist auf der Unternehmenswebsite kostenfrei zugänglich zu machen.
Abgestuftes Verfahren
Die neuen Sorgfaltspflichten gelten für die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum Verkaufsprodukt, allerdings in einem abgestuften Verfahren. Die Kernelemente erfassen den eigenen Geschäftsbereich und die unmittelbaren Zulieferer, also direkte Geschäftspartner und die erste Stufe der Lieferkette. Allerdings: Bekommt das Unternehmen Kenntnis von Verstößen bei mittelbaren Zulieferern im weiteren Verlauf der Lieferkette muss es ebenfalls aktiv werden, unter anderem eine Risikoanalyse durchführen, angemessene Präventionsmaßnahmen etablieren und ein Konzept zur Verhinderung, Beendigung oder Minimierung erstellen und umsetzen.
Keine Entwarnung für KMU
Es ist davon auszugehen, dass große Unternehmen die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten vertraglich an ihre Lieferanten weitergeben werden. Deshalb dürften auch kleinere Unternehmen vom LkSG erfasst werden, auch wenn sie nicht unmittelbar in dessen Geltungsbereich fallen.
Zudem arbeitet die EU bereits an einem entsprechenden Richtlinienvorschlag zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten, der noch strengere Vorgaben vorsieht. Er erfasst unter Umständen auch kleinere Unternehmen und sieht noch weitergehende Prüfungspflichten vor. In einigen Ländern wie den Niederlanden sind die Gesetze schon jetzt strenger.
Arbeitsrechtliche Compliance: Dauerbrenner Scheinselbständigkeit
Für Personalverantwortliche rückt das Lieferkettengesetz unter anderem auch die Scheinselbständigkeit wieder in den Fokus, weil es die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung fairer arbeitsrechtlicher Standards entlang der Lieferkette ausweitet. Es gilt also bei Zulieferbetrieben genau hinzusehen: Wie wird der Drittpersonaleinsatz vor Ort organisiert?
Wie bereits berichtet, kommt es durch das Lieferkettengesetz auch zu einer Änderung im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Nach dem neuen § 106 Abs. 3 Nr. 5b BetrVG sind Fragen rund um Sorgfaltspflichten in der Lieferkette künftig im Wirtschaftsausschuss zu beraten.
Chancen durch bessere Reputation und Image
Die komplexen Vorgaben des LkSG sollten aber nicht den Blick für die Chancen verstellen, etwa für die eigene Reputation und das Image am Markt. Beispielsweise kann ein mittelständischer Zulieferer, der die Pflichten des Gesetzes in seinem Compliance-Management-System abbildet, gute Argumente bei der Vergabe von Aufträgen vorweisen. Auch lassen sich durch die Zusammenarbeit bei der Umsetzung des Gesetzes Geschäftsbeziehungen vertiefen. Verbraucher fragen zudem verstärkt fair und umweltfreundlich hergestellte Produkte nach. Angesichts des Trends zu mehr Nachhaltigkeit bietet sich also die Chance, das eigene Geschäftsmodell zukunftsfähiger zu machen.
Zwar gilt das Lieferkettengesetz ab 2023 erst einmal nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen und erst ab 2024 für Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Doch auch kleinere Unternehmen sind indirekt stark betroffen: Die Einhaltung der gestzlichen Pflichten dürfte vertraglich an Zulieferer weitergegeben werden und es droht bei Verstößen beispielsweise die Auslistung, wenn sie an größere Geschäftspartner liefern, für die das Gesetz gilt.
Unternehmen jeder Größe sollten sich also sputen und jetzt mit der Umsetzung beginnen: Compliance-, Sustainablility-, Einkaufs- und HR-Verantwortliche müssen mit den übrigen Fachbereichen rechtzeitig Prozesse aufsetzen, um beispielsweise
- Lieferanten und Produzenten in Risikogruppen einzuteilen,
- die Berichts- und Dokumentationspflichten effizient abzubilden und mit Blick auf die erweiterten nichtfinanziellen Berichtspflichten gemäß Corporate Social Responsibility-Richtlinie Doppelarbeit und Redundanzen zu vermeiden,
- Mitarbeiter zu schulen,
- Verträge anzupassen und insbesondere die Verpflichtung zur Einhaltung von Beschäftigungsstandards und Produktionsbedingungen zu regeln.
Da kleine Betriebe oft nicht in der Lage sind, die Produktionsbedingungen bis ins letzte Glied zu verfolgen, könnten Verbundgruppen und Einkaufsgemeinschaften oder auch die Außenhandelskammern bei der Überwachung der Lieferketten unterstützen.