Zeiterfassung per Fingerabdruck?

 Nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Mitarbeiters.

Zeiterfassung per Fingerabdruck? Nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Mitarbeiters.

Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 14. Mai 2019 entschieden (Az.: C-55/18). Dieses Urteil hat enorme Auswirkungen auf die Arbeitswelt in Deutschland. Denn bisher gab hier noch nicht die Pflicht systematischer Arbeitszeiterfassung für alle Branchen.

Die Zeiterfassungspflicht hat sich durch das Urteil des EuGHs elementar geändert. Aber, auch wenn die Arbeitszeit nun erfasst werden muss, möchten Unternehmen auf die klassische Stempelkarte im digitalen Zeitalter verzichten. Für die elektronische Zeiterfassung gibt es eine Fülle modernerer Möglichkeiten. Allerdings sind nicht alle Methoden zulässig oder es ist zumindest die ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers erforderlich. Das zeigt auch ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin vom 16.10.2019 (Az.: 29 Ca 5451/19) – Berufung eingelegt beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg, Az.: 10 Sa 2130/19).

Das Gericht hat im konkreten Fall entschieden, dass die Erfassung der Arbeitszeit durch ein System mittels Fingerprint im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes nicht erforderlich und damit ohne die ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers auch nicht zulässig ist.

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber ein neues Zeiterfassungssystem, das die Arbeitszeit mittels Fingerprint erfasst, eingeführt. In der Folge hat er die Mitarbeiter per Rundmail darüber informiert.  Bei dem eingeführten System meldete sich der Arbeitnehmer durch Abgleich seines Fingerabdrucks mit den im System gespeicherten Daten an beziehungsweise ab. Dafür werden aus dem Fingerabdruck des Mitarbeiters zunächst sogenannte Minutien, also individuelle nicht vererbbare Fingerlinienverzweigungen, mittels eines speziellen Algorithmus extrahiert und in dem Zeiterfassungssystem gespeichert. Dieser Datensatz wurde dann bei jeder An- und Abmeldung mit dem Fingerabdruck des Mitarbeiters verglichen. Der Fingerabdruck selbst wurde nicht gespeichert und konnte auch nicht aus den gespeicherten Minutien generiert werden.

Dennoch hat sich ein Mitarbeiter geweigert, dieses Zeiterfassungssystem zu nutzen. Das ArbG Berlin gab ihm recht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht, so das Gericht, handele es sich bei den Minutiendaten um biometrische Daten nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und besonders schützenswerte, personenbezogene Daten. Die Verarbeitung biometrischer Daten und damit auch von Minutiendatensätzen ist nach der DSGVO grundsätzlich verboten, formulierte das Gericht weiter.

Allerdings ließ es auch eine Hintertür für die Zeiterfassung mittels Fingerprint offen. Diese könne in Ausnahmefällen zulässig sein, beispielsweise wenn der Arbeitnehmer seine ausdrückliche Einwilligung gibt oder eine Kollektivvereinbarung vorliegt. Beides war hier nicht der Fall. Zudem dürfe der Arbeitgeber biometrische Daten nur dann verarbeiten, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlich ist.

Die Erhebung und Verwendung biometrischer Daten sei nur unter engen Voraussetzungen zulässig, führte das Gericht weiter aus: Das biometrische Verfahren müsse für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig sein, es dürfe das Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmern nicht unangemessenen  einschränken. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt, entschied das ArbG Berlin.

Die Zeiterfassung per Fingerprint ist nach diesem Urteil zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sollte aber genau abgewogen und auf datenschutzrechtliche Bedenken geprüft werden. Zudem muss eine wirksame Einwilligung der Mitarbeiter vorliegen.