ESG Compliance (1): EU plant strengere Sorgfaltspflichten für die Lieferkette.

 Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes: EU Gesetzgebung im Blick behalten.

Die EU Kommission hat den Vorschlag einer Richtlinie zur Corporate Sustainability Due Diligence vorgelegt: Unternehmen müssen danach nicht nur die Menschenrechte achten. Geschäftsmodell und Strategie sollen zudem künftig mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbar sein.

Brüssel legt Messlatte höher

Ab 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und viele Unternehmen arbeiten gerade daran, die neuen Vorgaben in ihr Compliance Management zu implementieren. Mit dem Richtlinienentwurf zur Corporate Sustainability Due Diligence legt die EU Kommission die Messlatte für nachhaltiges Wirtschaften in einigen Punkten noch höher. Sollte die Richtlinie mit dem vorgeschlagenen Inhalt kommen, dürfte das LkSG in zahlreichen Punkten geändert werden.

Mehr Unternehmen betroffen

Der Entwurf der vorgeschlagenen Richtlinie erfasst zunächst alle Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem jährlichen Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. In den Risikosektoren Textil- und Lederindustrie, Landwirtschaft, Gewinnung von Rohstoffen oder Metallverarbeitung sollen die neuen Regeln für Unternehmen ab 250 Mitarbeiter*innen und einem Nettoumsatz ab 40 Millionen Euro gelten (falls mindestens 50 Prozent dieses Umsatzes aus einer Risikobranche stammt). Auch Unternehmen aus Drittstaaten fallen darunter, wenn sie in der EU einen Jahresumsatz von über 150 Millionen Euro erzielen oder in einem Risikosektor tätig sind und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz erzielen (falls mindestens 50 Prozent dieses Umsatzes aus einer Risikobranche stammt).

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind nicht direkt betroffen. Für indirekte Auswirkungen, wenn beispielsweise Großkunden den Nachweis einer „sauberen“ Lieferkette von KMU verlangen, sieht der Vorschlag flankierende Maßnahmen zur Unterstützung vor. Dazu zählen Plattformen, Portale, Mustervertragsklauseln oder finanzielle Hilfen.

Anders als das Lieferkettengesetz zielen die vorgeschlagenen EU-Regeln nur auf Kapitalgesellschaften wie AG, SE, KGaA oder GmbH ab. Dafür liegen die Schwellenwerte höher, bei denen das deutsche LkSG greift: Ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeiter*innen und ab 2024 für Betriebe mit mehr als 1.000 Beschäftigten.

Lieferkette in beide Richtungen kontrollieren

Auch die Sorgfaltspflichten der vorgeschlagenen Richtlinie unterscheiden sich von denen des LkSG. Allerdings ergeben sich auch hier sieben Kernelemente:

  1. Die Sorgfaltspflichten sind in den Unternehmensrichtlinien zu verankern. Aber anders als im LkSG müssen Geschäftsmodell und Unternehmensstrategie mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbar sein. Im Fall von variabler Vergütung sollen die Führungskräfte Anreize erhalten, um zur Eindämmung des Klimawandels beizutragen.
  2. Es bedarf eines Risikomanagements, das Verstöße gegen Menschenrechte, Arbeits- und Gesundheitsschutz erfasst. Im Vergleich zur Lieferkette des LkSG ist die Wertschöpfungskette weiter definiert. Sie ist in beide Richtungen zu kontrollieren, im Fokus stehen also sowohl Zulieferer als auch Abnehmer.
  3. Anhand einer Risikoanalyse ist zu ermitteln: Inwieweit wirkt sich das Unternehmen tatsächlich oder potenziell nachteilig auf Menschenrechte und Umwelt aus?
  4. Bei Verdacht auf Verstöße sind Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.
  5. Sie müssen alle angemessenen Abhilfemaßnahmen ergreifen, um Verstöße zu vermeiden und im Zweifel also auf einen Zulieferer verzichten. Und es bedarf der Kontrolle, ob Strategien und Maßnahmen wirksam sind.
  6. Ein Beschwerdeverfahren ist einzurichten.
  7. Berichtspflichten: Unternehmen müssen öffentlich kommunizieren, wie sie ihre Sorgfaltspflichten wahrnehmen.

Sanktionen sowie „Naming and shaming“

Werden die Sorgfaltspflichten nicht eingehalten, drohen nach der vorgeschlagenen Richtlinie Sanktionen, die sich am Umsatz des Unternehmens orientieren sollen. Im Sinne eines „Naming and shaming“ müssen die Sanktionen öffentlich gemacht werden, so dass auch der Schaden für die Reputation hoch ist.

Vorsicht Haftung des Managements

Die Mitgliedsstaaten sollen nach dem Richtlinienvorschlag sicherstellen, dass Opfer eine Entschädigung erhalten, wenn sie durch Verletzung der Sorgfaltspflichten zu Schaden kommen. Besonders geschützt werden Geschädigte aus einem Drittstaat: Ihnen soll ausdrücklich auch dann eine Entschädigung zustehen, wenn in ihrem Land keine Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette gelten. Der Vorschlag nimmt zudem direkt die Unternehmensleitung in die Pflicht: Die Mitglieder der Unternehmensleitung müssen danach für die Umsetzung und Kontrolle der Sorgfaltspflichten verantwortlich sorgen.

Stand der Gesetzgebung

Das Gesetzgebungsverfahren hat erst begonnen. Der Vorschlag wird nun dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat zur Billigung vorgelegt, wobei noch Änderungen vorgeschlagen werden können. Wird die Richtlinie verabschiedet, haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die wichtigsten Unterschiede des EU-Richtlinienentwurfs zum deutschen Lieferkettengesetz liegen im größeren Anwendungsbereich, der zivilrechtlichen Haftung und darin, dass sich die Unternehmensstrategie künftig am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens ausrichten soll. Die Gesetzesinitiative fügt sich in eine Reihe neuer Regulierungen aus Brüssel ein, um die Kriterien Environment, Social, Governance (ESG) in den Geschäftsmodellen und Strategien der Unternehmen zu verankern. Dazu zählen die neuen Berichtspflichten nach der Corporate Social Responsibility Reporting Directive oder die EU Taxonomie zur Bewertung der wirtschaftlichen Tätigkeiten nach ESG-Kriterien. Zweifellos gewinnen Klima- und Umweltschutz sowie soziale Fragen immer mehr an Bedeutung für die Compliance, aber auch für Finanzierungskonditionen und die Nachfrage von Verbrauchern. Wie sich Unternehmen auf das deutsche LkSG vorbereiten sollten, haben wir in unserem Blog-Beitrag vom 09.11.2021 geschildert. Um Zeit und Kosten zu sparen, gilt es jetzt für Compliance Manager, das weitere EU-Gesetzgebungsverfahren zu verfolgen. Bestenfalls lassen sich die erweiterten Sorgfaltspflichten in einem Zug in die Compliance Management Systeme implementieren und zuständige Personen aus den Bereichen Vorstand und Geschäftsführung können bereits im Hinblick auf erweiterte Pflichten bestimmt werden, ggf. auch durch entsprechende Vertragsänderungen. Nicht zu vergessen ist, Standardverträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen entsprechend anzupassen.