Was bringt der Ampel-Koalitionsvertrag für Arbeitgeber?

 Wichtige Änderungsvorhaben der Ampel von Weiterbildung, Homeoffice und Mindestlohn bis zu Befristung und Mitbestimmung

Was bringt der Ampel-Koalitionsvertrag für Arbeitgeber?

Arbeitgebende dürften angesichts des Koalitionsvertrags der Ampelkoalition zwar nicht in Freudentränen ausbrechen. Doch die schlimmsten Befürchtungen etwa zu Befristungen und Arbeitnehmerüberlassung sind nicht eingetreten. Wir geben einen Überblick über die Pläne im Arbeitsrecht:

1. Weiterbildung:

Arbeitgebende dürften begrüßen, dass die neue Regierung die Bedeutung der Weiterbildung erkannt hat, um die Digitalisierung und Dekarbonisierung der Wirtschaft zu stemmen. Die Ampel will Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik besser aufeinander abstimmen und sieht zahlreiche Fördermöglichkeiten vor. Interessant ist vor allem ein an das Kurzarbeitergeld angelehntes Quailifizierungsgeld. Voraussetzung dafür sind Betriebsvereinbarungen. Geplant ist zudem eine Bildungs(teil)zeit nach österreichischem Vorbild, die Beschäftigte finanziell unterstützt, um einen Berufsabschluss nachzuholen oder sich beruflich neu zu orientieren. Voraussetzung dafür ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebenden und Beschäftigten. Der Zugang zu Bildungs- und Beratungsangeboten sowie Förderinstrumenten soll übersichtlicher werden. Der amtierende (und wohl auch neue) Bundesarbeitsminister Hubertus Heil verkündete schon auf Twitter: „Wir machen Deutschland zur Weiterbildungsrepublik“. Man darf gespannt sein.

2. Arbeitszeit:

Die Ampelkoalition hält grundsätzlich am Acht-Stunden-Tag fest. Sie will aber „Experimentierräume“ schaffen und damit eine begrenzte Möglichkeit, von den derzeit geltenden Regelungen hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit abzuweichen. Etwa wenn Tarifverträge oder darauf basierende Betriebsvereinbarungen dies vorsehen.
Ähnliches hatte schon die ehemalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles geplant – und nicht umgesetzt.
Flexible Arbeitszeitmodelle wie Vertrauensarbeitszeit sollen aus Sicht der neuen Regierung weiterhin möglich sein. Im Dialog mit den Sozialpartner will sie deshalb prüfen, inwieweit Anpassungsbedarf angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht besteht.

3. Homeoffice:

Beschäftigte sollen einen „Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice“ erhalten. Nur wenn betriebliche Belange entgegenstehen, dürfen Arbeitgebende widersprechen.

4. Mindestlohn:

Der Mindestlohn wird von aktuell 9,60 Euro auf zwölf Euro pro Stunde erhöht. Diese Anpassung ist einmalig. Im Anschluss entscheidet wieder die Mindestlohn-Kommission über etwaige weitere Erhöhungen. Als Folge des höheren Stundensatzes werden auch die tariflichen Gehälter steigen.

5. Minijobs:

Parallel zur Anhebung des Mindestlohns steigt die Grenze für Minijobs auf 520 Euro pro Monat. Die Minijob-Grenze orientiert sich dabei an einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden. Für Midijobs beträgt die Verdienstgrenze monatlich 1.600 Euro. Künftig wird auch bei Minijobs stärker kontrolliert, ob Arbeitgeber das Arbeitsrecht einhalten.

6. Befristungen:

Befristete Arbeitsverhältnisse sind weiterhin zulässig. Bei den sachgrundlosen Befristungen wird es aber voraussichtlich zu Beschränkungen kommen. Um Kettenbefristungen zu vermeiden, wird die Höchstdauer bei einem Arbeitgebenden auf sechs Jahre begrenzt. Ausnahmen sind nur sehr selten möglich. Der Bund als Arbeitgeber soll als Vorbild voranschreiten und die sachgrundlose Befristung schrittweise reduzieren.

7. Arbeitnehmerüberlassung und Crowdworking:

Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung bezeichnen die Koalitionäre ausdrücklich als notwendige Instrumente. In digitalen Plattformen sieht die neue Regierung eine Bereicherung der Arbeitswelt. Das bestehende Recht soll allerdings mit Blick auf „gute und faire Arbeitsbedingungen“ überprüft und die Datengrundlagen verbessert werden im Dialog mit Plattformanbietern, -arbeitern, Selbständigen und Sozialpartnern. Diese Sichtweise ist fast schon rechtshistorisch interessant, weil die rot-grüne Koalition Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts der Scheinselbständigkeit den Kampf ansagte und ein Gesetz zu deren Bekämpfung gegen große Widerstände durchsetzte, um aus ihrer Sicht prekäre Beschäftigungsverhätnisse zu unterbinden.

8. Mitbestimmung nach BetrVG und bei der SE:

Die betriebliche Mitbestimmung möchte man „weiterentwickeln“ (was sonst?!) – und zwar analog und digital. Daneben soll es ein Pilotprojekt zu Online-Betriebsratswahlen geben – das kann sich sinnvollerweise nur auf die 2022 angestehenden Betriebsratswahlen beziehen. Hierzu hatte sich der Gesetzgeber beim Betriebsrätemodernierungsgesetz und der Änderung der Wahlordnung noch nicht durchringen können. Wichtig zu wissen für Unternehmen ist die geplante Änderung bei der Mitbestimmung in Europäischen Aktiengesellschaften (SE). Eine „Flucht“ aus der deutschen Mitbestimmung bzw. das „Einfrieren“ eines bestehenden Mitbestimmungsniveaus durch Gründung einer SE soll künftig nicht mehr möglich sein. Unternehmen, die über die Gründung einer SE nachdenken, sollten dies im Blick behalten.

Die Ampel plant auch im Arbeitsrecht Änderungen, die Arbeitgebende im Blick behalten sollten. Handlungsbedarf besteht aktuell hinsichtlich der neuen Regeln für die Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft, sofern Unternehmen über die Gründung einer SE nachdenken. Positiv schlägt vor allem zu Buche, dass die neue Regierung bei Arbeitszeit, Befristung, Arbeitnehmerüberlassung und Crowdworking die Zeichen der Zeit erkannt zu haben scheint und die Weichen für etwas mehr Flexibilität stellt. Hier sind allerdings noch die Details abzuwarten. Die Pläne zur Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen gehen zweifellos in die richtige Richtung angesichts von Digitalisierung und Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft.