Grün, grün, grün wird nun auch das Gehalt?

 ESG-Kriterien halten Einzug in Vergütungsmodelle.

Grün, grün, grün wird nun auch das Gehalt?

Angesichts immer strengerer Vorgaben sowie Nachfrage bei Kunden und Investoren denken Unternehmen häufiger darüber nach, Anreize für Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung in den Vergütungssystemen zu verankern. Und das nicht nur in börsennotierten Konzernen oder regulierten Branchen wie dem Finanzsektor. Was sollten HR Manager wissen?

Die Kriterien Environment, also Umwelt, Soziale Aspekte und Governance im Sinne guter Unternehmensführung (ESG) gewinnen immer mehr an Bedeutung für Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer. Schließlich müssen mit Blick auf den europäischen Green Deal unter Umständen ganze Geschäftsmodelle für den Klimaschutz tranformiert werden. Fast alle DAX-40 Unternehmen haben infolgedessen Nachhaltigkeitsziele in der Vorstandvergütung verankert, so das Ergebnis einer Studie der Fondsgesellschaft Union Investment mit dem Sustainable Governance Lab der Universität Gießen.

Regulatorischer Druck steigt

Dafür sorgt der steigende regulatorische Druck, etwa infolge des Gesetzes zur Umsetzug der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II): Danach ist die Vergütungsstruktur von Vorständen börsennotierter Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung des Unternehmens auszurichten. Der Deutsche Corporate Governance Kodex nimmt darauf ebenfalls Bezug. Die Finanzbranche muss gemäß EU-Offenlegungsverordnung seit März letzten Jahres Transparenz schaffen, inwieweit Vergütungspolitik und Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Einklang stehen. Branchenübergreifend und unabhängig von der Rechtsform wirkt ab Januar 2023 das deutsche Lieferkettengesetz: Es rückt soziale Standards sowie Arbeits- und Umweltschutz in den Fokus von Arbeitgebern, sofern sie mehr als 3.000 Mitarbeiter beschäftigen. Ab 2024 liegt die Grenze bei 1.000 Mitarbeitern.

ESG-Risiken verschlechtern Finanzierungskonditionen

Auch Mitarbeiter, Kunden, Investoren und Aufsichtsbehörden interessieren sich zunehmend dafür, wie Unternehmen mit Blick auf Umweltschutz, CO2-Reduktion, Sozialstandards und Compliance aufgestellt sind. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beschreibt in einem Merkblatt Beispiele für Nachhaltigkeitsrisiken und gibt Finanzinstituten eine Orientierungshilfe für den Umgang damit. Die Konsequenz: Sind beispielsweise Produkte, Einkaufs- oder Produktionsbedingungen nicht nachhaltig, drohen schlechtere Finanzierungskonditionen.

Großer Spielraum bei Gestaltung

Vor diesem Hintergrund überlegen Arbeitgebende immer öfter, wie sich in Vergütungssystemen Anreize für nachhaltiges Handeln verankern lassen. Was das „Wie“ angeht, lässt der Gesetzgeber große Gestaltungsspielräume. Sowohl die Festvergütung als auch variable Bestandteile des Gehalts lassen sich an Nachhaltigkeitszielen ausrichten. Kriterien für die Auswahl der Vorgaben können sein: Passen sie zur allgemeinen Geschäftsstrategie? Sind sie mit den Interessen wichtiger Stakeholder vereinbar? Wirken sie als Incentivierung der Geschäftsleitung? Ist ein Abgleich zwischen Vorgaben für das Management und denjenigen für Arbeitnehmer*innen gewährleistet? Stimmen die ökonomischen Anreize mit Compliance- und Integrity-Maßnahmen überein, etwa bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes? Weitere Anhaltspunkte zur Gestaltung nachhaltiger Anreizsysteme liefert beispielsweise der Deutsche Nachhaltigkeitskodex.

Messbarkeit und Praktikabilität

Insbesondere wenn die variable Vergütung an ESG-Ziele geknüpft ist, müssen die Ziele praktikabel und messbar sein anhand externer oder interner Kennzahlen. Denkbar sind konkrete Vorgaben zur CO2-Reduktion durch Einsparen von Energie bei Heizung, Kühlung oder in der Produktion oder mehr Elektroautos im Fuhrpark. Um sich dem Thema ESG erst einmal zu nähern, kann auch Konzeption, Durchführung und Teilnahme an Schulungen zu ESG-Aspekten belohnt werden. Unter Umständen ist es sinnvoll, zunächst einen Zielepool für das Vergütungssystem zu definieren. Daraus lassen sich dann jährlich konkrete Ziele für einzelne Geschäftsbereiche ableiten und auf deren Führungskräfte sowie einzelne Mitarbeiter herunterbrechen.
Doch in vielerlei Hinsicht lässt sich nachhaltiges Wirtschaften bisher nur schwer klassifizieren. Mit der EU Taxonomie legt Brüssel zwar erstmals entsprechende Standards fest, aber viele Fragen bleiben offen. Eine Orientierungshilfe, um ESG-konformes Handeln bei mittelständischen Herstellern, Dienstleistern und Handel greifbar und messbar zu machen, liefert beispielsweise der Standard Nachhaltiges Wirtschaften der Universität Witten / Herdecke.

Betriebsrat einbinden

Ganz gleich wie Arbeitgeber das Vergütungsmodell gestalten wollen – der Betriebsrat hat in jedem Fall ein Mitbestimmungsrecht bei der Lohngestaltung. Bestenfalls schlagen HR Manager dadurch zwei Fliegen mit einer Klappe, weil die Einbindung der Arbeitnehmervertreter*innen in der Regel eine hohe Akzeptanz in der Belegschaft schafft.

Vergütungssysteme sollten nicht jedem Trend hinterherlaufen. Wer einen Teil seines Gehalts in Bitcoin ausgezahlt bekommt, dürfte daran derzeit angesichts des Kursrutsches und der ungewissen Aussichten nicht allzu viel Freude haben. Noch im Herbst letzten Jahres erschien ein solches Modell angesichts des Höhenflugs attraktiv und innovativ. Doch bei der Verzahnung von ESG-Kriterien und Vergütung handelt es sich angesichts der Nachfrage bei Investoren und Verbrauchern sowie immer strengeren gesetzlichen Vorgaben um eine nachhaltige Entwicklung. HR Manager sollten deshalb jetzt aktiv werden und in Abstimmung mit den Verantwortlichen für Nachhaltigkeit, Legal und Compliance entsprechende Konzepte entwickeln, die sich an den ESG-Zielen des Unternehmens orientieren. Indem Anreize geschaffen werden, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren, kann „Green HR“ zu einer tragenden Säule bei der Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft werden.