Der Bereich des Crowdworking am Arbeitsmarkt wächst. Crowdworker übernehmen über eine Plattform im Internet Aufträge und stocken ihr Einkommen mit „Mikrojobs“ auf. Streitig ist die Arbeitnehmereigenschaft der Crowdworker.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun mit Urteil vom 1. Dezember 2020 entschieden, dass ggf. ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Betreiber und Anbieter der Online-Plattform (Crowdsourcer) und dem Beschäftigten (Crowdworker) bestehen kann (Az.: 9 AZR 102/20).
Weisungsgebundene, fremdbestimmte Tätigkeit
Das BAG führte aus, dass der Status der Arbeitnehmereigenschaft nach § 611a BGB davon abhängt, ob der Beschäftigte eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit ausführt. Handelt es sich bei der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit um ein Arbeitsverhältnis, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag zwischen Crowdsourcer und Crowdworker nicht mehr an. Die Gesamtwürdigung aller Umstände kann dann ergeben, dass der Crowdworker als Arbeitnehmer anzusehen ist, so das BAG.
Knapp 3.000 Aufträge nach genauen Vorgaben
Der beklagte Anbieter in dem zu Grunde liegenden Fall bot auf Grundlage einer Basis-Vereinbarung und Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) Mikrojobs über eine Online-Plattform an. Über eine App konnten Crowdworker die Aufträge annehmen, ohne vertraglich dazu verpflichtet gewesen zu sein. Mit der Anzahl erledigter Aufträge erhöhte sich dabei das Level und gestattet die gleichzeitige Annahme mehrerer Aufträge. Der Kläger hatte so knapp 3.000 Aufträge innerhalb von 11 Monaten angenommen und sie nach detaillierten Vorgaben des Crowdsourcers erledigt. Schließlich wollte ihm der Anbieter keine Aufträge mehr geben.
Dadurch wollte der Crowdsourcer künftige Unstimmigkeiten vermeiden und erreichte das Gegenteil. Der Crowdworker klagte und verlangte die Feststellung, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Gleichzeitig forderte er Vergütungsansprüche und wehrte sich gegen eine hilfsweise erfolgte Kündigung durch den Anbieter.
BAG sieht Arbeitsverhältnis
Die Klage hatte vor dem BAG teilweise Erfolg. Nachdem die Vorinstanzen noch die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers abgewiesen hatten, lag nach Ansicht der Erfurter Richter ein Arbeitsverhältnis vor. Der Kläger habe die Aufträge weisungsgebunden, fremdbestimmt und in persönlicher Abhängigkeit erledigt. Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit habe er dabei nicht frei gestalten können. In der Gesamtwürdigung sei die Tätigkeit des Klägers arbeitnehmertypisch. Dagegen spreche auch nicht, dass er vertraglich nicht zur Abnahme von Aufträgen verpflichtet gewesen sei, so das BAG. Die gesamte Organisationsstruktur des Anbieters sei darauf ausgelegt gewesen, die Crowdworker zur kontinuierlichen Annahme von Aufträgen zu motivieren und zu belohnen, führte das BAG aus. Durch dieses Anreizsystem sei der Kläger dazu veranlasst worden, kontinuierlich Kontrolltätigkeiten zu erledigen. Deshalb sei er als Crowdworker in diesem Fall als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Die Kündigung hielt das BAG jedoch für wirksam, hinsichtlich der Vergütungsansprüche verwies es den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück.
Von der Einstufung eines Crowdworkers als Arbeitnehmer hängt viel ab. So zum Beispiel Sozialversicherung, Urlaubsansprüche oder Kündigungsschutz. Das BAG hat zwar vorliegend eine Einzelfallentscheidung getroffen, aber mit dem Urteil klargestellt, dass Crowdworking faktisch ein Arbeitsverhältnis darstellen kann. Plattform-Anbieter müssen also genau darauf achten, wie sie ihr Angebot organisieren und insbesondere enge Bindungen mit Crowdworkern und detaillierte Vorgaben bei der Auftragsausführung überdenken.