Bitte keine Bruchlandung.

 Sind Home-Office, Arbeitsausfall und Kurzarbeit nur die Vorboten von Betriebsschließung, Massenentlassung und Sozialplänen?

Bitte keine Bruchlandung. Sind Home-Office, Arbeitsausfall und Kurzarbeit nur die Vorboten von Betriebsschließung, Massenentlassung und Sozialplänen?

Die Coronavirus-Pandemie ist zur Corona-Krise geworden. Erinnerungen an die große Rezession 2007 werden wach. Sind Home-Office, Arbeitsausfall und Kurzarbeit daher nur die Vorboten von Betriebsschließung, Massenentlassung und Sozialplänen?

So kann es kommen. Viele halten das sogar für sehr wahrscheinlich. Daher werden gut beratene Unternehmen sich aktuell, also rechtzeitig, auf diesen Ernstfall vorbereiten. Nicht umsonst weist das Wort „Krise“ (aus dem Griechischen κρίσις krísis als Meinung, Beurteilung, Entscheidung) auf zuverlässiges Unterscheiden und Entscheiden hin.

Schon jetzt: Vorsicht bei Kurzarbeit

Viele Unternehmen haben im März 2020 die vereinfachten Wege genutzt und Arbeitsausfall in den Betrieben durch Kurzarbeit aufgefangen. Für das Kurzarbeitergeld, zur Gestaltung der Kurzarbeit und auch zu alternativen Strategien, wie zum Beispiel Urlaubsgewährung und Flexi II, stehen wichtige Informationen bereit. Zur guten Verhandlungsführung gehört es hier aus Unternehmenssicht auch, eine Aufstockung von Kurzarbeitergeld – wenn überhaupt wirtschaftlich vertretbar – zu staffeln und zwar nach unten. Zum Beispiel ein Start mit einer Aufstockung auf 80% des letzten Nettoentgelts, nach einem Monat dann Reduzierung auf 75 %, nach einem weiteren Monat 70 % usw.

Doch Kurzarbeit darf nicht zur Einbahnstraße oder sogar schlimmer noch zur Sackgasse werden. Es musste schon jetzt große Vorsicht bei Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit walten. Sonst erweist sich die staatliche Förderung schnell als Stolperstein, wenn anderer Auswege aus der Krise gesucht und gefunden werden müssen. Denn die im Betrieb laufende Kurzarbeit schließt zwar nicht kategorisch ein nötiges Freisetzen von Personal aus. Trotzdem wird der Begründungsaufwand für betriebsbedingte Entlassungen viel größer, wenn unmittelbar Kurzarbeit voraus ging. Dazu kommt, dass viele Betriebsvereinbarungen zu Kurzarbeit ein Kündigungsverbot einschließen. Deswegen sollten solche Betriebsvereinbarungen keine langen Laufzeiten enthalten (nicht mehr als zwei Monate). Und Unternehmen sollten ausdrücklich andere Reaktionsmöglichkeiten festschreiben, falls sich die Lage (weiter) verschlechtert. Es gilt, nicht durch Kurzarbeit vorschnell alle weiteren Optionen auszuschließen.

Wenn und wo es nötig wird: Abbau von Personal

Wichtig ist hier also: alles vom Ende her denken. Denn viele Unternehmen werden aufgrund der Coronavirus-Pandemie über kurz oder lang um Entlassungen nicht herumkommen. In diesem Fall gilt es die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Diese sind auch in der derzeitigen Krise nicht außer Kraft gesetzt.

Überschreitet der Personalabbau die Grenze zur Betriebsänderung, sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplante Betriebsänderung mit ihm zu beraten. Mit dem Betriebsrat ist ein Sozialplan abschließen und  – vorher – zu versuchen, einen Interessenausgleich zu vereinbaren. Anders als der Sozialplan ist der Interessenausgleich nicht erzwingbar. Kommt eine Einigung nicht zustande, muss die Einigungsstelle als neutrale betriebliche Schlichtungsstelle entscheiden. Wenn sich Unternehmen und Betriebsrat noch nicht einmal auf eine/n Vorsitzenden und die Beisitzerzahl der Einigungsstelle verständigen, muss eine gerichtliche Einsetzung erfolgen.

Gerade in unter Zeitdruck und als Reaktion auf die Krise wird das Projektmanagement der Unternehmensleitung entscheidend sein. Das betrifft die Konzeption und Planung, die Information und Beratung mit dem Betriebsrat und vor allem auch die Umsetzungsphase.

Der Betriebsrat kann seinen Beratungsanspruch nach Ansicht einiger Arbeitsgerichte durch eine gerichtliche einstweilige Verfügung sichern. Das Arbeitsgericht würde dann dem Unternehmen für ein oder zwei Monate zu untersagen, die Maßnahme durchzuführen, wenn nicht vorher der Beratungsanspruch erfüllt ist, vor allem durch das Vereinbaren eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat.

Interessenausgleich, Sozialplan & Coronakrise

Nach den derzeit geltenden Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie (Kontaktverbot usw.) ist es entweder gar nicht oder nur sehr einschränkt möglich, mit dem Betriebsrat über einen Personalabbau zu beraten. Verhandlungen mit mehreren Teilnehmern, zum Beispiel in einer Einigungsstelle, zu führen, ist entsprechend den Empfehlungen des Robert Koch Instituts keine gute Idee. Auch werden Unternehmen große Schwierigkeiten haben, Personen für den Vorsitz und die Beisitzer einer Einigungsstelle zu finden. Zwar erleben wir aktuell schon, dass Einigungsstellensitzungen per Videokonferenz durchgeführt werden, zum Beispiel mit den Conference Tools Microsoft Teams oder Zoom. Solche Einigungsstellen können aber nur verhandeln. Sie dürfen keine Beschlüsse fassen, da dazu das Gesetz eine mündliche Beratung fordert. Und mündlich meint die Anwesenheit der Mitglieder der Einigungsstelle, wenn Beschlüsse gefasst werden.

In diesem Fall sollten Arbeitgeber*innen den Betriebsrat trotzdem vollständig per E-Mail über den geplanten Personalabbau, die Notwendigkeit der Maßnahme und über deren Auswirkungen informieren. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass die Gerichte – so sie überhaupt verhandeln – eine einstweilige Unterlassungsverfügung Unternehmen erlassen, wenn der Personalabbau dann durchgeführt wird. Ein Sozialplan kann auch noch nach der Maßnahme verhandelt und abgeschlossen werden. Das sollte dem Betriebsrat auch ausdrücklich bestätigt werden.

Weiterhin muss der Arbeitgeber die Vorgaben zur Massenentlassung beachten. Der kleinste Fehler kann hier zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Ein wichtiger Baustein einer wirksamen Massenentlassungsanzeige ist die ordnungsgemäße Konsultation des Betriebsrats und deren Nachweis gegenüber der Arbeitsagentur. Wir empfehlen Arbeitgeber*innen, in jedem Fall den Betriebsrat über dessen Vorsitzenden vollständig per E-Mail oder schriftlich insbesondere zu informieren. Eine Beratung mit dem Betriebsrat kann auch über eine Video-oder Telefonkonferenz erfolgen. Ist das nicht möglich, z.B. weil sich der Betriebsrat weigert, so wird das Unternehmen bei einer vollständigen Weigerung die in § 17 Abs. 3 KSchG geregelte geregelte 14-Tage Frist abwarten müssen, bevor er die Massenentlassung unter Darstellung der Verhandlungsbemühungen abgeben kann. Besteht der Betriebsrat auf einer Präsenzberatung, so ist derzeit noch zweifelhaft, ob die Gerichte eine Verweigerung durch den Arbeitgeber akzeptieren werden. In jedem Fall sollte das Unternehmen dann nochmal eine Video- oder Telefonkonferenz mit dem Betriebsrat mit konkreter Einladung (Einwahldaten, Datum, Uhrzeit, Thema etc.) vorschlagen. Je stärker die nachweisbaren Bemühungen des sind, umso eher wird ein Gericht von einer ordnungsgemäßen Massenentlassung ausgehen.

Führen  Arbeitgeber*innen eine Betriebsänderung durch, ohne einen Interessenausgleich zuvor versucht zu haben, so hätten die betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Ist es dem Unternehmen aber wie dargestellt nicht möglich, einen Interessenausgleich zu vereinbaren, könnte dieser Anspruch entfallen. Hinzu kommt, dass Sozialplanansprüche auf einen etwaigen Nachteilsanspruch anrechenbar sind.

Als Fazit bleibt:

Wer verantwortungsvoll mit der Krise umgehen will, muss jetzt vorausplanen.