Insolvenzverfahren wurden und – allen Reformbemühungen der letzten Jahrzehnte zum Trotz – werden in aller Regel erst dann eingeleitet, wenn freie Vermögenswerte praktisch nicht mehr vorhanden sind: wenn Immobilien bis „über den Schornstein“ mit Grundpfandrechten belastet, Maschinen ohnehin nur geleast, Fuhrpark und Büroausstattung sicherungsübereignet und Außenstände sicherungszediert sind.
Bedeutung der Insolvenzanfechtung
Mit Ach und Krach werden die zu deckenden Gerichts- und Verfahrenskosten dann zusammengesammelt. Nur so kann das Insolvenzgericht den vom Gläubiger oder vom Schuldner selbst gestellten Insolvenzantrag positiv verbescheiden und das Verfahren eröffnen.
Da sich das Verfahren dann, besonders bei eingestellten Geschäftsbetrieben, lediglich über geringe gesetzliche Kostenbeiträge (etwa aus Sicherungsübereignungen oder -zessionen) finanzieren lässt, ist das Insolvenzanfechtungsrecht eine wesentliche Säule zur Gläubigerbefriedigung.
Die anfechtungshalber erzielten Rückzahlungen sind uneingeschränkt freie Insolvenzmasse., Sie sind nicht mit Sicherungsrechten von Dritten/Gläubigern belastet. Das wäre gar nicht möglich, da der Anfechtungsanspruch erst mit Verfahrenseröffnung als Sonderrecht des gerichtlich bestellten Insolvenzverwalters entsteht. Sie stehen also voll zur Verfügung, um die Verfahrenskosten vollständig und dann die Insolvenzgläubiger in der Regel quotal zu befriedigen.
Gerade aktuell sind zahlreiche Unternehmen betroffen, die von ihrer Struktur, ihrer Unternehmensaufstellung und -führung her keines der insolvenzvorgelagerten Krisenstadien (Stakeholder-, Strategie-, Ergebnis- und Liquiditätskrise) kennenlernen mussten. Trotz der umfassenden Stützungsmaßnahmen des Gesetzgebers können auch diese Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Das geschieht zum Beispiel nach dem Auslaufen des Kurzarbeitergeldes, oder wenn weitere Kreditsicherheiten für Neukredite oder Krediterweiterungen im Unternehmen oder bei den Gesellschaftern nicht mehr vorhanden sind.
Ein Anstieg der massearmen Insolvenzverfahren steht also zu befürchten.
Inkongruente und kongruente Befriedigung
Je häufiger Unternehmen ohne jegliches unbelastetes Restvermögen insolvent werden, also quasi zwangsläufig ein sog massearmes Insolvenzverfahren durchgeführt werden muss, desto bedeutsamer wird das Insolvenzanfechtungsrecht. Das gilt nicht nur für besonders verdächtige Vermögensverschiebungen zugunsten einzelner Gläubiger nach erkennbarem Krisenbeginn (Inkongruenz).
Auch in Fällen ordnungsgemäßen, vertraglichen Leistungsaustausches (Kongruenz) können unter Umständen Anfechtungsansprüche gegenüber Gläubigern bestehen. Dabei stellen Geschäftspartner ebenso mögliche Anfechtungsgegner dar wie Privatpersonen und juristische Personen ebenso wie natürliche Personen. Immer wieder wird auch bei kongruenten Befriedigungen versucht, Anfechtungsansprüche außergerichtlich durchzusetzen. So sollen Rückzahlungen erwirkt werden.
Verhalten der Anfechtungsgegner
Aus Gläubigersicht ist es ratsam, sofort zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, wenn das erste Schreiben des Insolvenzverwalters mit der Rückzahlungsforderung kommt, ob am formulierten Anspruch etwas dran ist. Damit ist der geltend gemachte Anspruch eingehend und umfassend zu prüfen und dabei die fein ziselierte Rechtsprechungskasuistik ebenso zu Grunde zu legen wie eine umfassende Reform des Gesetzgebers Mitte der Zehnerjahre. Oftmals kann auf diese Weise bereits im vorgerichtlichen Stadium eine Klärung herbeigeführt und eine streitige Auseinandersetzung, verbunden mit weiteren Kosten, vermieden werden. Von einer sofortigen, auch nur teilweisen Zahlung ist dringend abzuraten.
Die Insolvenzanfechtung gewinnt angesichts der Covid-bedingt zu erwartenden Steigerung massearmer Verfahren weiter an Bedeutung. Bereits im vorgerichtlichen Stadium ist dem Gläubiger / Anfechtungsgegner die genaue Prüfung von Anfechtungen zu empfehlen.