Insolvenzstrafrecht, Teil 2: Risiken für Vorstände und Geschäftsführer während und nach Covid.

 Herausforderungen für das Management während und nach der Pandemie.

Insolvenzstrafrecht, Teil 2: Risiken für Vorstände und Geschäftsführer während und nach Covid.

Insolvenzstrafrecht – die Haftung während und nach der Pandemie ist getrieben von der Gül-tigkeit von Hilfsmaßnahmen und temporären Gesetzesänderungen. Hier den Überblick zu behalten, ist schwer.

Haftung „während“ und „nach“ COVID

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gem. § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB gilt uneingeschränkt für alle von diesen Normen erfassten Schuldner und die für diese antragspflichtigen Personen (in der Regel die Mitglieder des Vertretungsorgans bzw. die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter).

In zeitlicher Hinsicht wurde die Antragspflicht rückwirkend ab dem 1. 3. 2020 ausgesetzt (Art. 6 Abs. 1 COVAbmildG). Die Aussetzung währt – solange ihre Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind – zunächst bis zum 30. 9. 2020 (§ 1 Satz 1 COVInsAG), sodann bis zum 31. 3. 2021 (§ 4 COVInsAG).

Gesetzestechnik (Grundsatz – Ausnahme – Vermutung)

Gesetzestechnisch wird die Aussetzung der Antragspflicht mittels Formulierung eines Grundsatzes, einer Ausnahme sowie einer Vermutung umgesetzt:- Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a Abs. 1 InsO sowie nach § 42 Abs. 2 BGB wird gem. § 1 Satz 1 COVInsAG ausgesetzt (Grundsatz).- Die Aussetzung greift gem. § 1 Satz 2 COVInsAG nicht ein, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (Ausnahme). Dabei wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen (die Ausnahme zum Grundsatz also nicht eingreift), wenn der Schuldner am 31. 12. 2019 nicht zahlungsunfähig (§ 17 InsO) war (§ 1 Satz 3 COVInsAG) (Vermutung).

Aussetzung der Antragspflicht (§ 1 Satz 1 und 2 COVInsAG)

Gem. § 1 Satz 1 COVInsAG ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB also grundsätzlich ausgesetzt. Nur ausnahmsweise gilt dies nicht, nämlich wenn einer der beiden in § 1 Satz 2 COVInsAG genannten Fälle vorliegt. Die Antragspflicht besteht zum einen, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht (§ 1 Satz 2 Alt. 1 COVInsAG).

Die Antragspflicht besteht auch dann, wenn keine Aussichten bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Das setzt voraus, dass der Schuldner überhaupt zahlungsunfähig ist.

Entfallen der deliktischen Verschleppungshaftung

Mit der Antragspflicht entfällt auch die deliktische Verschleppungshaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO. Es fehlt an der für eine solche Haftung erforderliche Verletzung eines Schutzgesetzes. Der Vorwurf einer Rechtswidrigkeit kann nicht mehr gemacht werden. Gleiches gilt für eine Teilnehmerhaftung gem. § 830 BGB.

Weitgehender Fortbestand des Insolvenzstrafrechts

Zwar entfällt mit der Antragspflicht eine mögliche Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung. Das übrige Insolvenzstrafrecht (§§ 283 ff. StGB ) bleibt jedoch – auch im Zeitraum des Entfallens der Antragspflicht – anwendbar, weil es nicht an eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht anknüpft, sondern die Strafbarkeit von einer Zahlungseinstellung, der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, oder der Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse als einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit abhängt (§ 283 Abs. 6, § 283b Abs. 3, § 283c Abs. 3, § 283d Abs. 4 StGB ) und es insoweit genügt, dass ein äußerer Zusammenhang vorliegt, der darauf hinweist, dass die Krise, in welcher die tatbestandsmäßige Handlung vorgenommen wurde, nicht behoben werden konnte, sondern sich bis zur Verwirklichung auch der Strafbarkeitsbedingung fortentwickelt hat.

Dass auch keine übrigen Insolvenzstraftatbestände verwirklicht werden sollten, versteht sich von selbst. Auch die sonstigen, oftmals in der Insolvenz verwirklichten Straftatbestände, z.B. § 263 StGB (Betrug), § 265b StGB (Kreditbetrug), § 266 StGB (Untreue), § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt) und § 370 AO (Steuerhinterziehung), bleiben anwendbar.

Eine weitere Neuerung durch das SanInsFoG betrifft die Ersatzpflicht der Geschäftsleitung für masseschädliche Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 15 b InsO). Diese korrespondiert mit der eingangs beschriebenen Insolvenzantragspflicht (§ 15 a InsO).
Dazu wurden die über verschiedene Gesetze verstreuten Regelungen zur Haftung der Unternehmensleitung (z.B. § 64 S. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG oder §§ 130 a, 177 a HGB) nunmehr rechtsformunabhängig und sprachlich modernisiert in § 15 b InsO (mit einigen Modifikationen) zusammengeführt und die bisherigen spezialgesetzlichen Regelungen gestrichen.

Unverändert gilt dabei auch unter Geltung des § 15 b Abs. 1 InsO, dass die Geschäftsleitung nach Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit keine Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen leisten darf. Neu ist jedoch die gesetzlich geregelte Konkretisierung des Maßstabs eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nach Eintritt der Insolvenzreife in § 15 b Abs. 2 InsO, wobei die damit einhergehende Ersatzpflicht für verbotswidrige Zahlungen mit § 15 b Abs. 3 InsO erhalten bleibt.
Privilegiert sind nun lediglich Zahlungen, die

  • im ordnungsgemäßen Geschäftsgang, insbesondere zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs,
  • innerhalb der Frist zur Antragstellung nach § 15 a InsO und
  • zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erfolgen.

Darüber hinaus sind auch solche Zahlungen zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung privilegiert, die mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen. Nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind demgegenüber nach § 15 b Abs. 3 InsO Zahlungen nach Ablauf der Antragsfrist.

Um die Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung in Bezug auf steuerrechtliche Zahlungspflichten zwischen Antragstellung und Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Insolvenzeröffnung zu vermeiden, sieht § 15 b Abs. 8 InsO vor, dass bei rechtzeitiger Antragstellung keine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nach § 69 Abs. 1 AO(gegebenenfalls i. V. mit §§ 34, 35 AO) gegeben ist, wenn in diesem Zeitraum Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden.

Eine weitere Neuerung schafft das SanInsFoG in Bezug auf den Haftungsumfang. Die Geschäftsleitung kann nunmehr die Vermutung eines Gesamtgläubigerschadens in Höhe der verbotswidrigen Zahlungen widerlegen und haftet damit lediglich noch in Höhe des der Gläubigerschaft tatsächlich entstandenen Schadens. Allerdings muss die Geschäftsleitung dafür nach § 15 b Abs. 4 InsO nachweisen, dass der tatsächliche Schaden geringer ist als die Gesamthöhe der geleisteten Zahlungen. Zudem wird teilweise die Meinung vertreten, dass aus der Neuformulierung des § 15 b Abs. 4 InsO, der von einem Schaden der Gläubigerschaft spricht, folge, die Ersatzpflicht sei nunmehr als Schadensersatzanspruch ausgestaltet und daher von einer D&O-Versicherung abgedeckt.

Für die Praktiker interessant ist schließlich, dass durch die zentrale Normierung der Unternehmensleiterhaftung wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung ein Zuständigkeits-wechsel stattgefunden hat. Die neuen Fälle des § 15 b InsO werden zukünftig vom IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu entscheiden sein. Ob damit auch eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenates zur Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG oder §§ 130 a, 177 a HGB einhergeht, bleibt freilich abzuwarten.

Das Insolvenzstrafrecht ist bedrohlich, komplex und greift schnell. Das wird auch während und nach Covid so sein. Wer sicher sein will, lässt sich professionell beraten. Wir machen das gern. Bitte sprechen Sie uns an.