Vormarsch von HR Tech und künstlicher Intelligenz stösst oft auf Skepsis.

 Regeln für faire und vertrauenswürdige KI im Personalmanagement.

Vormarsch von HR Tech und künstlicher Intelligenz stösst oft auf Skepsis.

Die Versprechungen künstlich intelligenter HR Tech-Tools sind für Unternehmen verheißungsvoll. Doch von Arbeitnehmer*innen und Betriebsrat werden sie oft kritisch beäugt. Wie lässt sich Transparenz schaffen, um Ängsten und Skepsis entgegenzuwirken?

Ob Recruiting, die Beantwortung einfacher Mitarbeiterfragen per Chatbot, Performance Management, internes Jobmatching oder passgenaue Weiterbildung – der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in HR-Tech-Anwendungen ist vielfältig. Bestenfalls verbessern sie die menschlichen und sozialen Facetten der Personalarbeit, indem sie nicht nur von kleinteiligen Verwaltungsaufgaben entlasten und mehr Freiraum schaffen für die individuelle Beratung und Betreuung der Beschäftigten. Die digitalen Tools ermöglichen außerdem eine strategische Personalplanung, die sich auf datenbasierte Analyse statt auf subjektive Einschätzung, Bauchgefühl und Intuition stützt.

Unsicherheit im Umgang mit KI

Bereits ein Drittel der HR-Abteilungen setzt digitale Helfer ein, befindet sich in der Pilotphase oder plant dies demnächst, so das Ergebnis einer Studie des Bundesverbands für Personalmanager (BPM) und des Ethikbeirats HR Tech unter Personaler*innen sowie Arbeitnehmervertreter*innen. Während HR-Mitarbeiter das große Potenzial für Verbesserungen sehen, stehen Betriebsräte dem Einsatz von KI kritischer gegenüber. Eine Mehrheit der Befragten, aber weniger Arbeitnehmervertreter*innen als Personaler*innen halten die Aufklärung zur Funktionsweise der Anwendungen für ausreichend. Beide Seiten wünschen sich mehr Sicherheit und Verbindlichkeit bei der Einführung durch verbindliche Richtlinien für den Einsatz entsprechender Technologien.

Weltweit erster Rechtsrahmen für KI ab 2023?

Der Gesetzgeber sieht hier ebenfalls Handlungsbedarf. Wie berichtet hat die EU Kommission bereits am 21.04.2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Regulierung künstlicher Intelligenz vorgelegt. Sie könnte als der weltweit erste Rechtsrahmen für KI bereits 2023 in Kraft treten, wobei eine einjährige Übergangszeit bis zur Anwendbarkeit vorgesehen ist. Einer Umsetzung in nationales Recht bedarf es nicht. Anwendungen im Personalmanagment werden in dem Entwurf in die Kategorie „hohes Risiko“ eingestuft. Wie wir bereits berichtet haben, müssen Unternehmen vor diesem Hintergrund fünf Handlungsfelder auf dem Radar haben, um die künftigen Vorgaben zu Datenqualität, Dokumentation und Transparenz, menschlicher Aufsicht, Genauigkeit sowie Robustheit gegenüber Hacker-Angriffen einzuhalten.

Unternehmenseigene Richtlinien entwickeln

Laut der Studie müssen die Vorgaben aber nicht zwingend gesetzlicher Natur sein, um mehr Vertrauen zu schaffen. Auch Hilfestellungen von Fachgremien wie dem Ethikbeirat HR Tech werden akzeptiert. Auf dieser Basis lassen sich dann unternehmenseigene Richtlinien entwickeln, die über die Hälfte der Studienteilnehmer für notwendig halten. Schließlich hängt es vor allem vom unternehmensspezifischen Einsatz ab, ob ein System vertrauenswürdig ist oder nicht.

Je komplexer die Anwendung, desto mehr Vorsicht ist geboten

Es kommt stark darauf an, dass die Anwender*innen von HR-Analytics-Software sich der Funktionsweise der Anwendungen bewusst sind und ihre Wirksamkeit kritisch hinterfragen. Für welchen Zweck werden welche Daten für die KI erhoben? Und welche Fehlschlüsse sind möglich? Nicht in jedem Tool, das als Künstliche Intelligenz beworben wird, ist auch KI drin. Werden jedoch in einer sogenannten starken KI Algorithmen verwendet, die mit Hilfe künstlicher neuronaler Netze maschinell lernen und eigenständig Zusammenhänge herstellen, lässt sich deren Verhalten weder genau vorhersagen noch nachvollziehen, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Die Checkliste für vertrauenswürdige KI der High Level Expert Group on AI ermöglicht es Unternehmen, anhand von Leitfragen die Systeme zu überprüfen. Auch das Forschungsprojekt KIDD des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales liefert Anhaltspunkte, wie Unternehmen KI transparent und rechtssicher einführen können.

Betriebsrat bestimmt mit

KI-Anwendungen im Personalmanagement zählen zu den technischen Einrichtungen, mit denen sich das Verhalten oder die Leistung von Bewerbern überwachen lässt. In Unternehmen mit Betriebsrat gilt somit das Beteiligungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. § 95 Abs. 2a BetrVG stellt zudem klar: Der Betriebsrat bestimmt mit, wenn Unternehmen KI im Bewerbungsverfahren einsetzen. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat die Rechte ebenfalls gestärkt: Beispielsweise können Arbeitnehmervertreter*innen nach § 80 Abs. 3 BetrVG zu Fragen des Einsatzes von KI einen Sachverständigen beauftragen, wofür der Arbeitgeber die Kosten trägt. Der Einwand, dass der Betriebsrat selbst über die notwendigen Kenntnisse verfügt, oder die Einbindung eines teuren Sachverständigen nicht gerechtfertigt ist, zählt nicht. Zwar sind die Verhandlungen oft hart, wenn Unternehmen die Arbeitnehmervertreter*innen einbinden. Doch am besten lässt sich den Sorgen und Vorbehalten gegenüber KI entgegenwirken, wenn Personalverantwortliche von Anfang an auf eine Betriebsvereinbarung hinarbeiten oder in Unternehmen ohne Betriebsrat auf eine entsprechende Rahmenregelung. Darin lässt sich beispielsweise festlegen: Die HR-Analytics-Software greift grundsätzlich nur auf aggregierte Daten zu und lässt sich somit nicht für eine individuelle Leistungskontrolle nutzen. Weiterer Vorteil dieser Vorgehensweisei: Die Datenverarbeitung im Beschäftigtenkontext gemäß Art. 88 Abs. 1 DSGVO lässt sich ebenfalls gleich legitimieren.

Horrorszenarien wie „Gefeuert durch den Algorithmus“ können in Deutschland und Europa nicht Wirklichkeit werden, weil DSGVO, Beschäftigtendatenschutz, Betriebsverfassungsgesetz und künftig auch die EU-KI-Verordnung deutliche Grenzen setzen. Der Mensch bleibt hier immer die letzte Instanz von Entscheidungen. Nichtsdestotrotz gelingt eine erfolgreiche Einführung von HR Tech nur, wenn Arbeitgeber Transparenz schaffen, wie eine grundsätzliche Nachvollziehbarkeit der Systeme gewährleistet wird.