In einem Verfahren beim Bundesarbeitsgericht (BAG, Urt. 14.6.2023 8 AZR 313/20) wurde dem klagenden Schwerbehinderten ein Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt.
Der beklagte Arbeitgeber veröffentlichte eine Stellenausschreibung auf die sich der Kläger unter Angabe seiner Schwerbehinderung bewarb. Mehrere Monate später erhielt er eine Absage. Der Kläger vermutete eine Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung. Er rügte Verstöße des Arbeitgeber gegen die Verfahrens- und Förderpflichten gem. § 164 Abs. 1 S. 4 und § 165 S. 1 SGB IX.
Das Gericht nahm eine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung an, da der Arbeitgeber die zu besetzende Stelle nicht gem. § 164 S. 1 SGB IX an die Agentur für Arbeit gemeldet hat. Das Gericht folgerte daraus, dass er mögliche Vermittlungsvorschläge und Bewerbungen schwerbehinderter Menschen vermeiden wolle. Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen und beweisen, dass andere als in § 1 AGG genannte Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
Dass es sich im vorliegenden Fall um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gehandelt hat, ist hier irrelevant. Die Abstimmungspflicht mit der Agentur für Arbeit trifft nicht nur den öffentlichen Dienst.
Ob es auch ein Indiz für eine Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellen kann, dass die Schwerbehindertenvertretung über die Vermittlungsvorschläge der Bundesagentur für Arbeit nicht unmittelbar und gezielt unterrichtet worden sei, musste das Gericht nicht entscheiden.
Fazit
Verstößt der Arbeitgeber gegen Verfahrens- und Förderpflichten bezüglich eines schwerbehinderten Bewerbers, kann dies eine Benachteiligung gem. § 22 AGG indizieren.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst
- In Bewerbungsverfahren müssen Arbeitgeber die Verfahrens- und Förderpflichten gem. § 164 Abs. 1 SGB IX beachten.
- Ein Verstoß gegen diese Pflichten kann als Indiz einer Benachteiligung gem. § 22 AGG angesehen werden.
- Den Arbeitgeber trifft dann die Beweislast, dass andere als die Gründe des § 1 AGG zu einer ungünstigeren Behandlung des schwerbehindeten Bewerbers geführt haben.








