ESG Compliance (2): Nachhaltige Vergütung als Hebel für nachhaltiges Wirtschaften.

 Welche Gestaltungsoptionen gibt es für ESG-Incentives für Vorstände und Geschäftsführer?

ESG Compliance (2): Nachhaltige Vergütung als Hebel für nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltaspekte, soziale Verantwortung und Fragen der Aufsichtsstrukturen (ESG – Environment – Social - Governance) gewinnen weiter an Bedeutung für die Unternehmensführung. Ist die Vergütung von Vorständen und Geschäftsführern an ESG-Kriterien geknüpft, setzt dies ein starkes Signal sowohl für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch Investoren. Was ist zu beachten?

Laut einer aktuellen Studie der Personalberatung Lurse haben viele Unternehmen bereits Aspekte wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung oder Environment, Social and Governance (ESG) in Unternehmenssteuerung und Vergütungssystemen verankert. Wie bereits berichtet, resultiert dies aus neuen Anforderungen von Investoren und Aufsichtsbehörden sowie steigendem regulatorischen Druck: Aktuelle Beispiele sind die Vorschläge für die EU Richtlinien Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive oder der im Juni in Kraft getretene Deutsche Corporate Governance Kodex.

Starkes Signal für Stakeholder

Doch in der Vergütung von Topmanagern spiegelt sich diese Entwicklung bislang nicht in vollem Umfang wider: Während laut einer Befragung der Investmentgesellschaft Union Investment mit dem Sustainable Governance Lab der Universität Gießen fast alle DAX-40-Unternehmen Nachhaltigkeitsziele in die Vorstandsvergütung aufgenommen haben, geben in der Lurse-Befragung nur 47 Prozent der befragten Unternehmen an, dass Sustainability-Kriterien bei der Bemessung der Vergütung von Geschäftsführern und Vorstand relevant sind. Für mehr als ein Drittel spielen diese gar keine Rolle. Dabei senden ESG-Kriterien in der Vergütung des Top-Managements ein starkes Signal an alle Stakeholder – angefangen bei aktivistischen Aktionären und institutionellen Investoren bis zur Belegschaft und potentiellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und es gibt vielfältige Möglichkeiten, um die Vergütung von Vorständen und Geschäftsführern an die ESG-Performance des Unternehmens und die Transformation von Geschäftsmodellen zu knüpfen.

Viel Spielraum für Gestaltungen

Noch gibt es weder gesetzliche Vorgaben noch konkrete Anforderungen von Investoren und Stimmrechtsberatern an ESG-orientierte Vergütungsmodelle. Fest steht gemäß dem Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie (ARUG II) nur: Die Vergütungsstruktur von Vorständen börsennotierter Gesellschaften ist auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung des Unternehmens auszurichten. Das eröffnet einen breiten Gestaltungsspielraum. An welchen Leitlinien können sich Aufsichtsräte und HR beim Design von ESG-Incentives orientieren?

  1. Kongruenz von ESG-Programm und nachhaltigen Incentives
    Im ersten Schritt gilt es sicherzustellen, dass die Struktur der Vorstands- und Geschäftsführervergütung nicht das ESG-Programm des Unternehmens konterkariert, indem ESG-Anreize mit der Nachhaltigkeitsstrategie und deren Implementierung verknüpft werden. Um Transparenz für Investoren zu gewährleisten, sollten die Kriterien für ESG-Incentives des Top-Managements ähnlich den Zielvereinbarungen für Beschäftigte gemäß der SMART-Methode spezifisch, messbar, angemessen, realistisch und terminiert sein.
  2. Auswahl von Nachhaltigkeits-Zielen und -Kriterien
    Im Bereich Environment können dies beispielsweise konkrete Vorgaben zur CO2-Reduktion der Produktionsanlagen, eines Immobilienbestands oder eines Investment Portfolios innerhalb eines bestimmten Zeitfensters sein. Denkbar sind Vorgaben zur Recyclingfähigkeit des Produktportfolios oder zum Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch.
    Mit Blick auf soziale Aspekte kann sich die Vergütung an konkreten Vorgaben zu Diversität oder Inklusion, Schutz der Gesundheit und Arbeitssicherheit oder Weiterbildung der Beschäftigten orientieren.
    Kriterien in puncto Governance oder gute Unternehmensführung sind beispielsweise die Vermeidung von Korruption und Bestechung oder die Effizienz des Compliance- und Risikomanagements, die anhand von Key Performance Indizes (KPIs) wie Anzahl der Schulungen und Teilnehmerquoten oder Anfragen zu Compliance-Themen als Beleg für die Sensibilisierung der Mitarbeiter gemessen werden. Wenig sinnvoll erscheinen dagegen Vergütungsanreize für die Umsetzung neuer gesetzlicher Vorgaben, etwa des Lieferkettengesetzes, zu deren Einhaltung das Unternehmen ohnehin verpflichtet ist.
    Sustainability-Kriterien lassen sich zudem an einem Rating für Fremdkapitalgeber festmachen. Je nachdem wie gut ein Unternehmen aufgestellt ist, kann es aber sinnvoller sein, individuelle KPIs zu definieren. Dies ist zwar aufwendig, doch ein Rating deckt unter Umständen Nachhaltigkeitsfortschritte zu pauschal ab. Auch an Zertifizierungen etwa für ein nachhaltiges Supply Chain Management lassen sich Vergütungsanreize knüpfen. Anhaltspunkte für inhaltlich relevante ESG-Kriterien liefern beispielsweise auch der Deutsche Nachhaltigkeitskodex oder die Fokusthemen des Sustainability Accounting Standards Boards. Im Blick zu behalten sind zudem Empfehlungen institutioneller Investoren und Stimmrechtsberater.
  3. Kein Mehraufwand durch Parallelstrukturen
    Um Mehraufwand durch Parallelstrukturen vorzubeugen, ist es notwendig, nachhaltige Incentives mit den Inhalten der nichtfinanziellen Berichterstattung gemäß § 289b und § 289d HGB abzugleichen, künftig darüber hinaus auch mit dem nichtfinanziellen Reporting gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive. Häufig lassen sich Leistungskriterien und Messysteme aus dem vorhandenen Nachhaltigkeitsreporting auch für ESG-Incentives nutzen.
  4. Der richtige Fit für die Vergütung: STI oder LTI?
    Meist werden ESG-Incentives in der variablen Vergütung verankert, was dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) entspricht: Danach sollen börsennotierte Gesellschaften auch Aspekten der Nachhaltigkeit Rechnung tragen, wenn sie finanzielle und nicht finanzielle Kriterien für die Bemessung der variablen Vergütung auswählen. Die Entscheidung über das individuell passende Design der ESG-Incentives für Vorstände oder Geschäftsführer orientiert sich an Fragen wie: Wie sind die ESG- gegenüber den finanziellen Kriterien zu gewichten? Werden die Sustainability-Ziele additiv mit finanziellen Zielen wie Gewinnkennzahlen verzahnt? Oder fließen sie mit anderen nichtfinanziellen Kriterien in einen Multiplikator ein, der die variable Vergütung ansteigen oder absinken lässt? Werden die Nachhaltigkeitsziele in den kurzfristigen Short Term Incentives (STI) verankert oder in den langfristigen Long Term Icentives (LTI), wobei letztere Varainte von manchen Investoren präferiert wird.

Fest steht bereits: ESG-Kriterien werden eine immer größere Rolle für die Vorstandsvergütung spielen und gewinnen auch im Mittelstand zunehmend an Bedeutung – allein schon mit Blick auf den Zugang zu Finanzierungen. In Krisenzeiten ist das Vertrauen der Stakeholder für Unternehmen noch wichtiger als sonst. Umso mehr Strahlkraft kann die Signalwirkung einer an ESG-Zielen orientierten Vergütung von Vorstand und Geschäftsführung für Investoren, Fremdkapitalgeber und Beschäftigte entfalten. Das oberste Gebot lautet dabei: Transparenz, wie die nachhaltigen Kriterien in die Vergütung einfließen. Die Gestaltungsmöglichkeiten für ESG-Incentives im Top-Management sind vielfältig. Zwar steht die Umsetzung in den Unternehmen erst am Anfang, aber geeignete Instrumente, um diese unternehmenspezifisch passgenau zuzuschneiden, stehen schon bereit.