BEM und krankheitsbedingte Kündigungen
§ 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX regelt, dass ein BEM durchzuführen ist, wenn Mitarbeiter innerhalb von 12 Monaten mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig erkranken.
Das BEM ist dabei keine gesetzliche Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung. In der Regel ist eine krankheitsbedingte (d. h. personenbedingte) Kündigung ohne BEM bzw. ein entsprechendes Angebot allerdings unverhältnismäßig und damit unwirksam.
Aber müssen Arbeitgeber mehrere BEMs durchführen, um krankheitsbedingt kündigen zu können, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehrfach langfristig erkrankt?
Dauerkranker Mitarbeiter vor dem BAG
Um einen solchen Fall ging es vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG): Ein Arbeitgeber führte mit einem Mitarbeiter, der seit Jahren über lange Zeiträume erkrankte, im Februar 2019 ein BEM durch, das der Arbeitnehmer Anfang März 2019 abbrach.
In den Folgemonaten war der Mann erneut knapp 80 Tage arbeitsunfähig krank. Erst im März 2020 folgte aber eine krankheitsbedingte Kündigung – ohne dass der Arbeitgeber erneut ein BEM angeboten hatte.
Gegen diese Kündigung klagte der Mann: Man hätte ihm wenigstens ein weiteres BEM anbieten müssen. So sei die Kündigung unverhältnismäßig, sozial ungerechtfertigt und: unwirksam.
BAG: BEM auch mehrfach in einem Jahr
Und er bekam vor dem BAG Recht: Man könne § 167 SGB IX zwar so auslegen, dass nur ein BEM innerhalb eines Jahres erforderlich sei.
Sinn und Zweck der Norm sei aber, geeignete Gesundheitsprävention zur dauerhaften Sicherung des Arbeitsverhältnisses zu betreiben. Deswegen müsse ein Arbeitgeber auch erneut ein BEM anbieten, wenn innerhalb von zwölf Monaten nach einem abgeschlossenen/abgelehnten BEM wieder die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorliegen. Ein einmal durchgeführtes oder angebotenes BEM habe kein rechtliches „Mindesthaltbarkeitsdatum von einem Jahr“.
So können bei mehrfacher Langzeiterkrankung eines Mitarbeiters mehrere BEMs innerhalb eines Jahres notwendig sein, damit eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
Einschränkend stellt das Gericht fest: Es müssen allerdings nicht zwei BEMs gleichzeitig durchgeführt werden, falls die Voraussetzungen nach § 167 SGB IX während eines noch nicht abgeschlossenen BEM erneut eintreten.
Wichtig für AG: Wann ist ein BEM beendet?
Wichtig ist deswegen aber für Arbeitgeber zu wissen, wann ein BEM beendet ist. Davon hängt nach diesem Urteil schlichtweg ab, ob ggf. ein weiteres BEM angeboten werden muss, bevor eine krankheitsbedingte Kündigung möglich ist.
Auch dazu äußert sich das BAG. Ein BEM ist beendet, wenn
- sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber darüber einigen,
- der Arbeitnehmer nicht mehr will oder das Verfahren abbricht oder
- die Beteiligten nicht mehr mitwirken und der Arbeitgeber ihnen erfolglos eine Frist zur Mitwirkung setzt.
Situation im Blick behalten
Insofern ist es für Arbeitgeber wichtig, die Situation im Falle immer wieder langzeiterkrankter Mitarbeiter im Blick zu behalten:
Liegen die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vor, gilt es, den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen und einem Langzeiterkrankten zeitnah nach einem BEM die Kündigung auszusprechen, bevor das nächste BEM bei erneuter Langzeiterkrankung durchgeführt werden muss.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Ein BEM ist keine gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.
- Das BEM ist aber maßgebliches Kriterium dafür, ob eine krankheitsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist.
- Ein BEM kann mehrfach pro Jahr durchzuführen sein, wenn mehrfach im Jahr die Voraussetzungen dafür vorliegen und zu diesem Zeitpunkt kein BEM durchgeführt wird.