Ab 1. Oktober gilt wieder die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung.

 Neues BAG-Urteil zu betrieblichem Hygienekonzept.

Dr. Yuanyuan Yin

Ab 1. Oktober gilt wieder die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung.

Aus Sorge vor erneut steigenden Infektionszahlen und krankheitsbedingten Fehlzeiten von Beschäftigten hat der Bundesrat am 16. September die Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung zugestimmt. Was ist für Arbeitgeber aktuell wichtig zu wissen? (Az.: 5 AZR 154/22).

1. Am 1. Oktober tritt die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung in Kraft, die zuächst bis 7. April 2023 gelten soll. Betriebe müssen deshalb erneut ihr betriebliches Hygienekonzept überprüfen, insbesondere auf folgende Maßnahmen:

  • Wird die AHA+L-Regel an den Arbeitsplätzen eingehalten? Wichtig zu wissen: Bei den Lüftungskonzepten sollten Unternehmen die Anforderungen der Energiesparverordnungen EnSikuMaV und EnSimiMaV im Blick behalten, die jeweils ab 1. September und 1. Oktober gelten. So sind nach der EnSikuMaV Eingangstüren von Ladenlokalen geschlossen zu halten, so dass über die Fenster stoßzulüften ist.
  • Werden betriebsbedingte Personenkontakte eingeschränkt, indem Räume möglichst nicht von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden? Denkbar wären beispielsweise versetzte Arbeitszeiten von Mitarbeitern in Teilzeit.
  • Arbeitgeber sollten prüfen, ob sie Homeoffice anbieten. Eine entsprechende Pflicht besteht nicht mehr.
  • Maskenpflicht überall dort, wo technische und organisatorische Maßnahmen wie Lüftungskonzepte, Trennscheiben oder Homeoffice zum Infektionsschutz allein nicht ausreichen. Die Masken hat der Arbeitgeber zu stellen.
  • Testangebote für alle in Präsenz Beschäftigten. Eine Pflicht zum Testen besteht nicht mehr, ausgenommen sind Sonderregelungen für besondere Einrichtungen etwa im Gesundheitswesen oder Pflege. Die Testangebote kann der Arbeitgeber nach dem Grad der Infektionsgefährdung abschichten. Unter Umständen können diese auch eine Maßnahme sein, um eine Maskenpflicht zu vermeiden. Die Zeit für freiwillige Tests zählt nicht als Arbeitszeit.
  • Erhöhung der Impfquote: Der Arbeitgeber muss es Beschäftigten weiterhin ermöglichen, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Ob während dieser Zeit ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung besteht, hängt von einschlägigen Tarifverträgen, ggf. auch Betriebsvereinbarungen und Arbeitsvertrag ab. So kann sich ein Lohnfortzahlunganspruch aus § 616 BGB ergeben, sofern der Arbeitsvertrag dessen Anwendung nicht ausdrücklich ausschließt.

2. Betriebsrat bestimmt mit
Nicht zu vergessen ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, das auch die Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz umfasst.

3. Wann ist ein betriebliches Hygienekonzept angemessen?
Klar ist: Betriebliche Hygienekonzepte müssen die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Bei der Umsetzung gilt es, den Schutz der Gesundheit der Belegschaft unter einen Hut zu bekommen mit betrieblichen Erfordernissen und Individualinteressen der Arbeitnehmer*innen. Das wirft vor allem Fragen auf, wenn ein Arbeitgeber Regeln aufstellen will, die über Gesetze und Verordnungen hinausgehen oder länger andauern sollen. Die Messlatte für die Angemessenheit der Maßnahmen liegt dann umso höher. Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst einen solchen Fall entschieden: Ein Berliner Lebensmittelhersteller für den Handel hatte ein Hygienekonzept erstellt, das eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot für Beschäftigte anordnet, die aus einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung für diesen Zeitraum war nicht vorgesehen.

Zwar ordnete auch die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin nach Einreise aus einem Risikogebiet eine Quarantäne für 14 Tage an. Allerdings galt dies nicht für Personen, die ein ärztliches Attest über Symptomfreiheit sowie einen negativen PCR-Test vorlegen, der höchstens 48 Stunden vor Einreise vorgenommen wurde.

Der Kläger war aus einem Corona-Risikogebiet angereist, hatte sich aber vor der Ausreise einem Corona-PCR-Test unterzogen, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland negativ war. Der Arzt attestierte ihm Symptomfreiheit. Dennoch verweigerte die Arbeitgeberin für 14 Tage den Zutritt zum Betrieb und bezahlte dem Mitarbeiter solange keinen Lohn. Dieser klagte auf Vergütung wegen Annahmeverzugs. Die Beklagte habe zu Unrecht die Annahme seiner Arbeitsleistung verweigert.

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Kläger recht: Das Betretungsverbot habe nicht zur Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers gemäß § 297 BGB geführt. Schließlich habe die Arbeitgeberin selbst die Ursache dafür gesetzt, dass der Kläger nicht arbeiten konnte. Sie habe auch nicht dargelegt, dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar war.

Laut den obersten Arbeitsrichtern in Erfurt entsprach die Weisung, dem Betrieb 14 Tage ohne Lohnfortzahlung fernzubleiben, nicht billigem Ermessen gemäß § 106 Gewerbeordnung. So habe die Arbeitgeberin dem Kläger nicht die Chance gegeben, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. Dadurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer und zugleich einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.

Dies ist nun schon der dritte Herbst, in dem Unternehmen sich mit Corona-Schutzmaßnahmen und deren Folgen für Betriebsorganisation und Individualinteressen einer Belegschaft auseinandersetzen müssen, die zunehmend pandemiemüde ist. Immerhin sieht nun der Chef der Weltgesundheitsorganisation Ghebreyesus endlich das Ende der Pandemie nahen. Doch in diesem Jahr kommt bei der Umsetzung der betrieblichen Hygienekonzepte noch einmal die Energiekrise erschwerend hinzu. Schließlich sollten Konzepte zum regelmäßigen Lüften die Anstrengungen zum Sparen von Heizkosten nicht konterkarieren.