Seit Ende Februar 2018 gibt es den Entwurf eines Austrittsabkommens, über das die EU und Großbritannien verhandeln. Kommt es zu einem Abschluss des Abkommens, wäre zumindest von einer Übergangsperiode bis zum Ende des Jahres 2020 auszugehen. Aktuell ist das allerdings nicht sicher. Es stehen konfliktträchtige Themen wie die Nordirland-Frage und die zukünftige Akzeptanz von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Raum und können zum Scheitern führen. Dann gäbe es einen „harten“ BREXIT.
Worauf müssen sich Unternehmen einstellen?
Der BREXIT wird sich besonders auf bestehende und neu abzuschließende Vertragsverhältnisse zwischen Unternehmen aus Großbritannien und den restlichen 27 Ländern der EU auswirken. Wenn Großbritannien keine Zollunion mit der EU bildet, werden sich Importe in beide Richtungen für Einkäufer um Zölle verteuern. Exporteure werden Wettbewerbsnachteile zu spüren bekommen und müssen Einsparmaßnahmen vornehmen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Zollformalitäten können Lieferbeziehungen komplizierter und zeitaufwändiger machen. Das europäische Umsatzsteuersystem wird dann nicht mehr anwendbar sein (Wegfall des „reverse charge“-Prinzips). Produkte aus Großbritannien werden ihren Ursprung nicht mehr in der EU haben, Zulieferteile werden nicht mehr als „local content“ gelten. Dies hat Auswirkungen auf die Anwendbarkeit von Freihandelsabkommen.
Hinzu kommen rechtliche Unwägbarkeiten. Zum Beispiel sieht das Produkthaftungsrecht vor, dass der Importeur eines Produkts als Hersteller gilt, der das Produkt aus einem Drittland in den Europäischen Wirtschaftsraum einführt. Wenn ein Hersteller in Großbritannien Komponenten aus den USA oder China bezieht, gilt bisher der britische Produzent als Hersteller dieser Zulieferteile. Sobald Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied sein wird, gilt die Einfuhr britischer Produkte als Import in den Europäischen Wirtschafstraum. Damit wird der deutsche Importeur als Hersteller des Produkts insgesamt angesehen – einschließlich der Komponenten aus den USA oder China.
Die Regelungen zur justiziellen Zusammenarbeit werden nicht mehr gelten. Das bedeutet, dass sowohl die Frage, welches Recht auf einen Vertrag anwendbar ist, als auch die Frage nach dem Gerichtsstand nicht mehr anhand Brüsseler Verordnungen mit EU-weit einheitlicher Antwort geklärt werden können. Besonders einschneidend wird sein, dass auch die Vollstreckung von Urteilen aus einem EU-Mitgliedsstaat in Großbritannien und umgekehrt wieder wesentlich erschwert werden. Immerhin gilt dann zumindest im Verhältnis zwischen Deutschland und Großbritannien das alte Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsabkommen aus dem Jahre 1972 wieder. Dieses Vollstreckungsabkommen ist jedoch nur von wenigen Staaten (Frankreich, Belgien, Griechenland, Italien, Irland, die Niederlande, Luxemburg, Portugal und Spanien) abgeschlossen worden. Außerdem sind die bürokratischen Anforderungen nach dem alten Abkommen wesentlich höher als aktuell.
Was tun im Vertragsrecht?
Was können Unternehmen heute tun, um den negativen Konsequenzen des BREXIT auf der Ebene des Vertragsrechts entgegenzusteuern?
- Bei neuen Verträgen mit Partnern in Großbritannien sollten heute Regelungen getroffen werden, die eine Anpassung der Konditionen für den Fall eines „harten“ BREXIT ermöglichen. Für langfristige Vertragsbeziehungen, die bereits zu dem Zeitpunkt bestanden, als Großbritannien den Austritt aus der EU angekündigt hat (also im März 2017), wird zum Teil die Möglichkeit bestehen, eine Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu fordern. Das wird für Neuverträge nicht mehr gelten. Hier müssen von vornherein Anpassungs- bzw. Sonderkündigungsklauseln in Bezug auf, z. B.
– die Einführung von Zöllen,
– veränderte umsatzsteuerliche Bedingungen oder
– Incoterms (Internationale Handelsklauseln)
vorgesehen werden. - In Vertriebsverträgen kann zur Definition des Vertragsgebiets nicht mehr auf die EU als Ganzes Bezug genommen werden. Großbritannien ist ausdrücklich zu erwähnen, wenn es eingeschlossen sein soll.
- Anwendbares Recht darf nicht dem Zufall überlassen werden. Eine Rechtswahlklausel ist unbedingt vorzusehen, da nicht absehbar ist, welche Regelungen in Zukunft in Großbritannien gelten werden. Nicht zuletzt vor dem geschilderten Hintergrund sollte auch das UN-Kaufrecht nicht – wie das regelmäßig geschieht – reflexartig ausgeschlossen werden.
- Das Gleiche gilt für die Gerichtsstandklausel. Besonders im Hinblick auf die Vollstreckbarkeit sind häufiger Schiedsgerichtsklauseln angezeigt. Die Vollstreckung von Schiedssprüchen ist auch nach dem BREXIT ohne weiteres in Großbritannien – und umgekehrt in den meisten EU-Staaten – möglich. Der Grund dafür liegt darin, dass dies durch die Anerkennung und Vollstreckung nach der New York Convention aus dem Jahre 1958 – und damit unabhängig von einer EU-Mitgliedschaft – geregelt wird.
- Bei laufenden Verträgen sollte geprüft werden, ob sie möglicherweise vor Großbritanniens Austritt gekündigt und nach Maßgabe der aktuellen Lage neu abgeschlossen werden können.
Abwarten ist also nicht angesagt. Es gibt zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten, die derzeit keine Kosten verursachen, aber dabei helfen, zukünftige wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.