Die Gründung einer GmbH setzt in ihrer ‚reinsten‘ Form die Anwesenheit der Gesellschafter (oder ihrer Vertreter) und des zu bestellenden Geschäftsführers vor einem deutschen Notar voraus. Doch nicht erst in der Pandemie wollen Beteiligte Reisetätigkeiten meiden. Gerade bei der Gründung deutscher Tochtergesellschaften als Vertriebsvehikel ausländischer Gesellschaften werden häufig Geschäftsführer aus dem Angestelltenkreis oder Führungsstab der Muttergesellschaft bestellt. Diese sind selten angetan sind, für die Gründung einer einfachen Tochtergesellschaft aus den USA, Australien, Japan oder auch nur aus anderen europäischen Nachbarstaaten anzureisen. Dabei können wir helfen. Der folgende Artikel gibt einen (recht detaillierten) Überblick. Für Unterstützung und Nachfragen steht der Autor gerne zur Verfügung.
A. Ablauf einer Gründung unter Anwesenden
Die Gründung einer GmbH verlangt ebenso wie die Gründung einer UG, die sich hinsichtlich der Gründungserfordernisse nicht von der GmbH unterscheidet, an mehreren Stellen die notarielle Beglaubigung oder Beurkundung von Erklärungen.
Der Gesellschaftsvertrag muss von einem deutschen Notar beurkundet werden, wobei alle Gesellschafter unterschreiben müssen. Bei einem Markteintritt in Deutschland ist Gründungsgesellschafter meistens eine ausländische Gesellschaft, deren Vertretung sich nach dem Heimatrecht richtet. Bei einer spanischen S.L. ist es der administrador, bei einer irischen Limited der director, bei einer französischen SARL sind es die gérants.
Die Gründungsgesellschafter bestellen einen oder mehrere Geschäftsführer für die GmbH. Dies kann eine Person aus ihrer Mitte oder ein Fremdgeschäftsführer sein. Der Geschäftsführer meldet die Gesellschaft zum Handelsregister an. Die Anmeldung hat der Geschäftsführer in öffentlich beglaubigter Form abzugeben, wobei der Notar diese elektronisch beim Handelsregister einreicht. Die Anmeldung enthält bestimmte Versicherungen. Dabei hat eine Belehrung nach bestimmten Maßgaben zu erfolgen.
Nicht vergessen werden sollte, dass bei jedweder Gründung das Registergericht üblicherweise einen Existenznachweis über die ausländische Gesellschaft und deren Vertretung verlangt.
B. Lösungsmöglichkeiten nach geltendem Recht
Aufbauend auf den zwingenden Formerfordernissen einer Präsenzgründung lassen sich Möglichkeiten finden, Präsenz- und damit Reiseerfodernisse zu vermeiden. Dabei ist zwischen dem Gesellschaftsvertrag und der Anmeldung der Gesellschaft zu unterscheiden.
I. Abschluss des Gesellschaftsvertrags
Für den Abschluss des Gesellschaftsvertrages kommen die Auslandsbeurkundung bzw. Abgabe der Erklärungen vor einem Konsult und Vollmachts- bzw. Genehmigungslösungen in Betracht.
- Auslandsbeurkundung und konsularische Vorgänge
Der Abschluss des Gesellschaftsvertrages erfordert notarielle Beurkundung. Ein deutscher Notar darf nicht auf ausländischem Boden beurkunden oder beglaubigen, selbst wenn er dazu bereit wäre. Die entsprechenden Erklärungen wären formunwirksam. Es müssen andere Lösungen her. In Betracht kommen zwei Ansätze:- Erstens kommt die Abgabe der entsprechenden Erklärungen vor einem Konsul in Betracht. Die von einem Konsular aufgenommene Urkunde steht einer notariellen Beurkundung grundsätzlich gleich. Praktisch sollte man die konsularische ‚Beurkundung‘ aber nicht zu euphorisch beurteilen. Schon die Vereinbarung von Terminen kann sich schwierig gestalten und eine schnelle Gründung verhindern. Außerdem ergeben sich technische Besonderheiten bei Hinweisen, Meldungen und Aufbewahrung der Urkunden, die man einplanen sollte.
- Zweitens gibt es die theoretische Möglichkeit der Beurkundung vor einem ausländischen Notar. Der Anwendungsbereich ist sehr eingeschränkt. Wenn möglich sollten die Beteiligten von einer Auslandsbeurkundung die Finger lassen (anders bei der Beglaubigung, s. unten). Die Rechtsprechung verlangt Gleichwertigkeit der Beurkundung im Ausland. Wann das der Fall ist, beurteilen Rechtsprechung, Literatur und vor allem die Registergerichte nicht einheitlich. Ohnehin hat die Auslandsbeurkundung häufig eher Kosten- als Praktikabilitätsgründen, denn die Gleichwertigkeit kommt ernsthaft nur für Österreich und einzelne Kantone in der Schweiz in Betracht, nicht aber für die praktisch relevanteren kontinentalüberschreitenden Gründungen aus den USA, Japan oder Australien.
- Vollmacht und Genehmigung
Die Gründungsgesellschafter können einen Dritten in Deutschland bevollmächtigen oder den Gesellschaftsvertrag durch einen vollmachtlosen Vertreter abschließen lassen. Die Vollmacht oder Genehmigung muss beurkundet oder beglaubigt werden. Das eröffnet aber mehr Spielraum als bei einer vollständigen Auslandsbeurkundung der Satzung, da eine Beglaubigung im Ausland geringeren Anforderungen als die Auslandsbeurkundung unterliegt.
Die Auslandsbeglaubigung muss der deutschen öffentlichen Beglaubigung ebenfalls funktionell gleichwertig sein. Konkret muss sie also eine Identitätsprüfung voraussetzen. Nach aller Erfahrung gibt es hierbei bei den Registergerichten selten Beanstandungen, weder bei Konsuln noch bei z. B. US-amerikanischen notaries public, die ansonsten funktionell dem deutschen Notar nicht vergleichbar sind.
Eine Genehmigung der vollmachtlos gegründeten GmbH kommt nur bei der Mehrpersonengesellschaft in Betracht und unterliegt denselben Formerfordernissen wie die Gründungsvollmacht. Die ohne Vollmacht gegründete Ein-Personen-Gesellschaft ist nicht mehr zu retten. Die Gründung ist dann unwirksam. Da die Ein-Personen-Gesellschaft für Gründungen aus dem Ausland den Standardfall darstellen dürfte, ist besonders auf die korrekte Vollmacht zu achten.
II. Anmeldung der Gesellschaft und Geschäftsführerversicherungen
Die Anmeldung der Gesellschaft muss bestimmte Versicherungen des Geschäftsführers enthalten (Stammkapital eingezahlt, keine Vorstrafen des Geschäftsführers usw.). Diese sind höchstpersönlich, eine Stellvertretung ist daher ausgeschlossen. Die Anmeldung muss also, wenn eine Reise nach Deutschland ausgeschlossen ist, im Ausland beglaubigt werden.
Praktisch wird dabei ein deutscher Anwalt oder Justiziar die Anmeldung entwerfen, diese wird vor einem ausländischen Notar unterschrieben und die Unterschrift beglaubigt. Dabei erfolgt die erforderliche Belehrung durch den Anwalt oder seltener dem Notar und wird der Anmeldung beigefügt. Außerdem sind die Erfordernisse für Apostillen und beglaubigte Übersetzungen zu beachten. Das so finalisierte Dokument wird dann postalisch nach Deutschland versandt und hier elektronisch durch den Notar eingereicht.
C. Die Online-Gründung ab 01.08.2022
Zum 01.08.2022 werden alle geschilderten Hilfslösungen obsolet, denn ab dann können Gesellschaften online im Wege der Videokommunikation – also letztlich durch Video-Call der Gründungsgesellschafter mit dem Notar – gegründet werden. Das sieht § 2 Abs. 3 GmbHG n. F. vor, der bereits beschlossen ist und im August in Kraft tritt.
Sowohl die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages als auch die Beglaubigung der Anmeldung mitsamt aller Versicherungen wird im Verfahren nach § 16c Beurkundungsgesetz durch ein zweistufiges Identifikations-verfahren durchgeführt, bei dem lediglich ein Personalausweis oder ausländisches Identifikationsdokument nötig sein wird.
Die Online-Gründung gibt eröffnet grundsätzlich alle Möglichkeiten bei der Gründung, von der Gestaltung der Satzung über die Nutzung von Musterprotokollen, unterschiedliches Stammkapital und die Gründung als UG (also mit einem theoretischen Stammkapital von 1,00 Euro). Nur die Gründung mit Sachwerten ist ausgeschlossen. Das Stammkapital muss also effektiv aufgebracht werden.
D. Die Vorratsgesellschaft auch zukünftig als Alternative
Die Online-Gründung lässt die Darlegungserfordernisse zu Existenz und Vertretung der Muttergesellschaft nicht entfallen. Der Erwerb einer Vorratsgesellschaft wird daher auch zukünftig seine Daseinsberechtigung haben. Vorratsgesellschaften sind Gesellschaften, die spezielle Anbieter quasi ‚auf Halde‘ gegründet haben, damit es schneller geht.
Alle hierbei erforderlichen Erklärungen lassen sich dabei privatschriftlich erledigen – mit Ausnahme der Anmeldung des neuen Geschäftsführers. Serviceorientierte Vorratsgesellschaften werden die neue Satzung (inklusive der neuen Firma) vor der Anteilsübertragung beurkunden lassen und den neuen Geschäftsführer per Gesellschafterbeschluss bestellten. Das hat den Charme, dass die Registergerichte mangels ausländischer Gesellschafterin zu diesem Zeitpunkt noch keine Existenz- und Vertretungsnachweise verlangen.
Der Anteilskaufvertrag wird dann durch vollmachtlosen Vertreter im Namen des Erwerbs – der ausländischen Gesellschaft – geschlossen, wobei die Genehmigung schriftlich geschehen kann. Es verbleibt die Anmeldung des neuen Geschäftsführers, die wegen der höchstpersönlichen Versicherungen eine Stellvertretung ausschließt, aber im oben dargelegten Rahmen wie bei der Anmeldung durch Auslandsbeglaubigung vollzogen werden kann.
E. Praktische Fallstricke
Bei allen Ausführungen sollte nicht vergessen werden, dass es sich hierbei nur um die gesellschaftsrechtliche Gründung im engeren Sinne handelt. Im Rahmen der Gründung gibt es diverse weitere Formalitäten, die den Gründungsprozess ausbremsen. Die Gesellschaft muss steuerlich erfasst werden, braucht eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, eine korrekte Buchhaltung, eine Geschäftsanschrift. Sie braucht ein Bankkonto, das Gewerbe muss angemeldet werden und sie muss ins Transparenzregister eingetragen werden.
Gerade das leidige Thema der Kontoeröffnung wird auch durch Vorratsgesellschaften nicht gelöst wird. Die Geldwäsche-Vorgaben der Banken sind derart strikt, dass häufig – ohne gesetzliche Grundlage – persönliches Vorstellen gefordert wird. Auch die steuerliche Anmeldung dauert mitunter mehrere Wochen. Diese Bürokratiehemmnisse wird die Digitalisierung des Gesellschaftsrechts nicht lösen.
F. Zusammenfassung
Remote-Gründungen sind nach geltendem Recht mit etwas Planungsaufwand möglich. Die Digitalisierung des Gründungsvorgangs wird Reisetätigkeiten grundsätzlich entbehrlich machen. Vorratsgesellschaftsanbieter werden nicht arbeitslos werden. Bürokratie und eine analog arbeitende Verwaltung bremst derzeit den Gründungsvorgang aus dem Ausland noch spürbar aus.
Johannes Brand ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für int. Wirtschaftsrecht und Handels- und Gesellschaftsrecht am Frankfurter Standort und berät in allen gesellschaftsrechtlichen Fragen – von der Gründung über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, Geschäftsführerangelegenheiten, Gesellschafterstreitigkeiten und bei Transaktionen, insbesondere und gerne auch in grenzüberschreitenden gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen und hilft ausländischen Unternehmen beim Markteintritt in Deutschland.