Das Betriebsverfassungsgesetz und die dazu erlassene Wahlordnung sehen detaillierte und zum Teil auch komplizierte Verfahrensvorschriften für die Betriebsratswahlen vor.
Verstößt der Wahlvorstand gegen die gesetzlichen Vorgaben, kann sich die Notwendigkeit ergeben, die Betriebsratswahl abbrechen zu lassen. Zuständig ist in einem solchen Fall das örtliche Arbeitsgericht. Ein solches Verfahren kommt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nur in Betracht, wenn die Nichtigkeit der Wahl droht. Eine Betriebsratswahl ist jedoch nur dann nichtig, wenn in so hohem Maße gegen allgemeine Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt. Die Nichtigkeitsfolge ist auf Ausnahmekonstellationen beschränkt. So kann eine Wahl nichtig sein, wenn der Betrieb offensichtlich nicht unter das Betriebsverfassungsgesetz fällt, regelmäßig jedoch nicht, bei Verkennung des Betriebsbegriffs, also bspw. wenn strittig ist, ob ein Betriebsrats für einen gemeinsamen Betrieb zweier Unternehmen gewählt werden darf.
Beispiel:
Der Betriebsrat bestellt einen zweiten Wahlvorstand, da er die Tätigkeit des ersten Wahlvorstands kritisiert. Der Arbeitgeber könnte den Abbruch einer durch den zweiten Wahlvorstand initiierten Wahl per einstweiliger Verfügung beantragen. Die durch den zweiten Wahlvorstand durchgeführte Betriebsratswahl wäre nichtig.
Da eine Entscheidung in der Hauptsache nicht vor Abschluss der Wahl herbeizuführen ist, kommt regelmäßig nur eine einstweilige Verfügung in Betracht.
Das Arbeitsgericht kann jedoch – als weniger schwerwiegenden Eingriff – Einfluss auf Entscheidungen des Wahlvorstands im laufenden Wahlverfahren nehmen. Da es dann nicht um den Abbruch einer Wahl geht, kommt es nicht darauf an, ob der gerügte Verstoß die Nichtigkeit der Wahl zu Folge hätte. Denkbar sind hier bspw. die Aufnahme von Arbeitnehmern in die Wählerliste oder die Anerkennung eines Wahlvorschlages.
Beispiel:
Der Wahlvorstand hält die Mitarbeiter A, B, C und D für „arbeitgebernah“, nimmt sie deshalb nicht in die Wählerliste auf und verweigert die Berücksichtigung von Wahlvorschlägen, auf denen die Mitarbeiter für die Betriebsratswahl kandidieren. Nach § 4 Abs. 1 Wahlordnung (WO) können u.a. diese Mitarbeiter aber auch der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens schriftlich Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste beim Wahlvorstand eingelegen. Der Wahlvorstand hat unverzüglich über den Einspruch zu entscheiden. Nimmt er eine Berichtigung der Wählerliste nicht vor, könnten die Mitarbeiter bzw. der Arbeitgeber arbeitsgerichtliche Hilfe im einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
Ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung wären die Rechte wahlberechtigter Arbeitnehmer in nicht hinnehmbarer Weise dauerhaft beeinträchtigt. Ein Wahlanfechtungsverfahren dauert mehrere Jahre. Eine solche Wahlanfechtung, die auf Fehler in der Wählerliste gestützt wird, setzt – anders als bei einer einstweiligen Verfügung – einen vorherigen Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nicht voraus. Nähere Informationen finden Sie hier.
Für arbeitsgerichtliche Verfahren, die auf die Einflussnahme auf die Betriebsratswahl gerichtet sind, ist der Arbeitgeber antragsberechtigt. Ferner sind alle im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, der Betriebsrat sowie mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer antragsberechtigt. Für den effektiven Rechtsschutz ist es erforderlich, dass auch ein einzelner Arbeitnehmer antragsberechtigt ist, der durch die Einzelmaßnahmen des Wahlvorstandes in seinem aktiven oder passiven Wahlrecht betroffen wird, bspw. in Verfahren zur Aufnahme des Arbeitnehmers in die Wählerliste. Wichtig ist, dass zunächst außergerichtlich versucht wird, eine Lösung zu finden. Aufgrund der Eilbedürftigkeit darf hier allerdings nicht lange abgewartet werden.
Praxisempfehlung:
Ist ein neuer Betriebsrat erst einmal gewählt, bleibt er solange im Amt, bis eine Wahlanfechtung rechtskräftig ist. Lediglich im Ausnahmefall der Nichtigkeit ist der Betriebsrat zu keinem Zeitpunkt im Amt. Bereits aus diesem Grund sind die Arbeitsgerichte mit der Annahme einer Nichtigkeit zurückhaltend. Insbesondere wenn der Wahlvorstand unliebsamen Mitarbeitern die Möglichkeit nehmen möchte, zu wählen oder sich selbst zur Wahl zu stellen, sollte über das Arbeitsgericht in die Wahl eingegriffen werden. Anderenfalls kann eine fragwürdige Zusammensetzung des neuen Betriebsrats drohen, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erschwert. Das kann die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens schnell übersteigen.