BAG: Beschluss zu unternehmenseinheitlichem Betriebsrat gilt auch für künftige Wahl.

 Insbesondere Filialunternehmen sollten jetzt Möglichkeiten für abweichende Strukturen prüfen.

BAG: Beschluss zu unternehmenseinheitlichem Betriebsrat gilt auch für künftige Wahl.

Unter anderem durch Beschluss der Arbeitnehmer kann ein betriebsübergreifender/unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gebildet werden. Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass ein solcher Beschluss nicht auf eine Wahlperiode beschränkt ist, sondern grundsätzlich bis zu einer anderslautenden Beschlussfassung fortbesteht.

Abweichende Betriebsratsstrukturen

Das BetrVG ermöglicht in § 3 die Schaffung alternativer Betriebs- bzw. Betriebsratsstrukturen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG können in Unternehmen mit mehreren Betrieben unternehmenseinheitliche Betriebsräte gebildet werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient.

Solche vom Gesetz abweichenden Regelungen zur betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit werden in erster Linie durch einen Tarifvertrag geschaffen. Besteht keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag (egal zu welchem Thema), kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen werden.

Gibt es auch keinen Betriebsrat, können die Arbeitnehmer die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gemäß § 3 Abs. 3 BetrVG beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden.

Beschluss der Arbeitnehmer

Für einen wirksamen Beschluss der Arbeitnehmer ist nicht entscheidend, ob die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Diese Voraussetzung gelte zwar bei der Schaffung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats durch Tarifvertrag, nicht aber für Beschlüsse der Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber gehe vielmehr davon aus, dass solche Mehrheitsbeschlüsse ohnehin nur zustande kommen werden, wenn dadurch die Betriebsratsarbeit erleichtert wird.

Haben die Arbeitnehmer einen entsprechenden Beschluss gefasst, ist dieser nicht nur auf eine Wahlperiode beschränkt. Das hat das Bundesarbeitsgericht jüngst klargestellt (BAG, Beschl. v. 24.3.2021 – 7 ABR 16/20). Soll künftig kein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat gewählt werden, bedarf es eines neuen, dahingehenden Beschlusses. Auch ein Anwachsen der Zahl der Beschäftigten ist für das Fortbestehen ohne Belang.
Durch den Beschluss zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats entsteht kein einheitlicher Betrieb; die einzelnen Betriebe des Unternehmens bleiben also bestehen. Kommen durch Umstrukturierungen neue Betriebe hinzu, so ist der unternehmenseinheitliche Betriebsrat grundsätzlich auch für diese und die darin tätigen Beschäftigten zuständig. Bestehen in den hinzukommenden Betrieben bereits Betriebsräte, so verlieren diese ihr Amt.

Dem Beschluss zur Errichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats kann jedoch dann die Wirkung entzogen werden, wenn Maßnahmen erfolgen, die nicht mehr von den Möglichkeiten des § 3 Abs. 3 BetrVG gedeckt sind. In der vom BAG zu beurteilenden Konstellation sollte nach einer Ausgründung ein gemeinsamer Betrieb der Betriebe des bisherigen Unternehmens und des durch Ausgründung entstandenen Unternehmens gebildet werden. Zwar wird in solchen Fällen ein gemeinsamer Betrieb vermutet, so § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG. Aber durch Belegschaftsbeschluss kann kein unternehmensübergreifender Betriebsrat errichtet werden, also quasi ein konzerneinheitlicher Betriebsrat.

Bedeutung für die Betriebsratswahlen

Vor einer Betriebsratswahl sollte ggf. überlegt werden, vom Gesetz abweichende Betriebs- bzw. Betriebsratsstrukturen zu etablieren. Das wird in der Regel nur mit der Gewerkschaft per Tarifvertrag gehen. Aber wenn es weder Tarifverträge noch Betriebsräte in den Betrieben eines Unternehmens gibt, kann auch die Belegschaft zumindest einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat errichten. Gerade in Filialunternehmen kann das sowohl für Belegschaft als auch für die Arbeitgeberseite interessant sein.

Es ist eine elementare Aufgabe des Wahlvorstands, die organisatorische Einheit (also den Betrieb oder selbständigen Betriebsteil) zu bestimmen, in der ein Betriebsrat gewählt wird. Er kann sie nicht selbst festlegen, muss aber eine rechtliche Prüfung vornehmen. Gibt es einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat, der durch einen wirksamen Belegschaftsbeschluss abweichend von der gesetzlichen Grundstruktur geschaffen wurde, muss der Wahlvorstand diesen beachten.