Anfechtbare Betriebsratswahl.

 Der selbstherrliche Wahlleiter (LAG München, Beschluss v. 16.05.2017 – 6 TaBV 108/16).

Anfechtbare Betriebsratswahl, Insight von Dr. Klaus Neumann, Rechtsanwalt der Kanzlei Buse Heberer Fromm

Fehler bei den kommenden Betriebsratswahlen bieten Arbeitgebern Chancen für eine erfolgreiche Wahlanfechtung. Aufschlussreich ist dabei eine Entscheidung des LAG München.

Während des Wahltages war der Wahlleiter weitgehend allein im Wahlraum. In den ersten Stunden hatte er die Arbeitnehmer, die gewählt hatten, nicht auf der Wählerliste erfasst. Nach einem Hinweis hat er dann aus dem Gedächtnis und durch Nachfrage bei anderen Kollegen die Arbeitnehmer, die bereits gewählt hatten, in der Wahlliste nachgetragen. Die späteren Wähler wurden dann sofort auf der Wählerliste vermerkt. Bei Bekanntgabe des Wahlergebnisses waren 66 gültig abgegebene Stimmen festgestellt worden. Die Wahlniederschrift enthält aber den Vermerk, nach der Wählerliste seien 63 Stimmen abgegeben worden.

Das LAG München hat der Anfechtung der Betriebsratswahl stattgegeben. Die Betriebsratswahl ist aufgrund der Rechtsfehler zwar nicht unwirksam, wohl aber anfechtbar. Die Verstöße betreffen wesentliche und zwingende Wahlvorschriften, die später nicht berichtigt wurden und möglicherweise Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Nach der maßgeblichen Wahlordnung sollen während der Stimmabgabe stets zwei Wahlvorstandsmitglieder oder ein Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer im Raum anwesend sein. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Vorschriften der Stimmabgabe eingehalten werden. Vorliegend war fast während der gesamten Dauer der Stimmabgabe nur der Wahlvorstandsvorsitzende allein im Wahlraum anwesend. Somit waren mangels Kontrollmechanismen (bewusste) Manipulationen des Wahlvorgangs möglich.

Zudem hatte der Wahlvorstandsvorsitzende anfangs die Wähler nicht auf der Wählerliste vermerkt, sondern deren Namen aus dem Gedächtnis später erst nachgetragen. Nach der Wahlordnung darf ein Wähler seine Stimme aber erst dann in die Wahlurne einwerfen, wenn die Stimmabgabe auf der Wählerliste vermerkt ist. Ein anderweitiger Nachweis der Stimmabgabe als durch den Vermerk auf der Wählerliste ist nicht möglich. Insbesondere sieht die Wahlordnung keine spätere Anfertigung, Korrektur oder Ergänzung des Stimmabgabevermerks vor. Damit ist nicht mehr nachzuvollziehen, wer und wie viele Personen bereits ihre Stimme abgegeben hatten, ob sie tatsächlich stimmberechtigt waren oder ob sogar Doppelstimmen abgegeben wurden. Zudem bestand auch die Möglichkeit einer bewussten Manipulation. Denn schließlich waren 66 Stimmen in der Urne, während nur 63 Wähler auf der Wählerliste vermerkt waren. Ein Nachtrag dreier Stimmen auf der Wählerliste erfolgte erst bei Fertigung der Wahlniederschrift und somit erhebliche Zeit nach durchgeführter Wahl. Somit ist unklar, ob die festgestellten Ergebnisse auch tatsächlich der Wahl entsprechen.

Aufgrund dieser Verstöße ist der Nachweis einer ordnungsgemäßen Stimmabgabe nicht möglich. Es kann eine Manipulation bei der Stimmabgabe oder der als gültig gewerteten Stimmen nicht ausgeschlossen werden. Denn es war zeitweise nur der Wahlleiter im Wahlraum, die Einträge in der Wählerliste erfolgten teilweise erst verspätet, teilweise nur aus dem Gedächtnis und angesichts der Differenz von drei Stimmen jedenfalls offenbar unvollständig. Eine Berichtigung dieser Verstöße war nicht erfolgt und ist zudem nicht möglich. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG aufgrund dieser Verstöße sogar eine Nichtigkeit der Wahl annimmt.

Empfehlung für die Praxis:

Verstöße gegen die formalen Vorschriften der Betriebsratswahl können eine Betriebsratswahl anfechtbar machen. Hierdurch besteht die Möglichkeit, einen unliebsamen Betriebsrat zu verhindern. Leider ziehen sich die Verfahren meist über einen längeren Zeitraum hin. Jedoch kann auch ein Rechtsschutz im Wege der Einstweiligen Verfügung erlangt werden (Siehe: Anfechtung der Betriebsratswahl).