Update Kündigung: 14 Regeln, die Arbeitgeber beachten müssen.

 Um ein Arbeitsverhältnis rechtssicher zu beenden, gelten strenge Bedingungen – Aktuelle Urteile.

Update Kündigung: 14 Regeln, die Arbeitgeber beachten müssen.

Eine Kündigung ist ein tiefer Einschnitt in das Leben eines Arbeitnehmers. Dementsprechend streng sind die Bedingungen, die der Gesetzgeber daran knüpft. Was ist zu beachten? Und welche neuen Urteile sollten HR Manager kennen?

1. Der Regelfall: Die ordentliche Kündigung

Mit einer ordentlichen Kündigung beendet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, sobald die Kündigungsfrist abgelaufen ist. Letztere ergibt sich aus dem Gesetz oder sie wird im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt. In Zeiten des Fachkräftemangels versuchen Chef*innen viel, um ihre Mitarbeiter so lange wie möglich zu halten. § 622 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 BGB lässt dabei eine beiderseitige Verlängerung der Kündigungsfrist zu, sofern für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart wird als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg zeigte Mitte letzten Jahres aber Grenzen auf: So sei es nicht rechtmäßig, die ordentliche Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses für insgesamt 37 Monate auszuschließen.

2. Nicht oder nur eingeschränkt kündbare Arbeitnehmer*innen

Verschiedene Gesetze machen Vorgaben, welchen Beschäftigten nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gekündigt werden kann:

3. In welchen Fällen bedarf es eines Kündigungsgrundes?

Immer dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz greift, muss das Unternehmen die Beendigung des Arbeitsvertrags begründen. Voraussetzungen dafür sind:

Nur wenn beide Voraussetzungen vorliegen, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Ansonsten ist eine ordentliche Kündigung grundlos möglich, sofern diese nicht sittenwidrig oder diskriminierend ist oder gegen höherrangiges Recht verstößt.

4. Gesetzgeber unterscheidet drei Kündigungsgründe

Eine Kündigung kann immer nur ultima ratio sein, so dass der Arbeitgeber zunächst mildere Mittel wie eine Abmahnung oder eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz ergreifen muss. Bei den Gründen, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen können, unterscheidet das KSchG die
Personenbedingte Kündigung: Dazu zählt beispielsweise die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge des Verlusts des Führerscheins, wenn die Tätigkeit etwa bei einem LKW-Fahrer so nicht ausgeübt werden kann. In der Praxis sind dies häufig auch krankheitsbedingte Kündigungen, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage ist, die Tätigkeit auszuführen. Dies ist aber an strenge Voraussetzungen geknüpft: So muss das Unternehmen unter anderem nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch grundsätzlich vorab ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchführen, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden. Aktuell entschied das Bundesarbeitsgericht: Unternehmen müssen ein bEM grundsätzlich erneut durchführen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines ersten bEM noch einmal länger als sechs Wochen durchgehend oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.

Verhaltensbedingte Kündigung: Diese kommt in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer gegen die betriebliche Ordnung verstößt, Straftaten begeht oder Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt, etwa indem er unentschuldigt fehlt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat beispielsweise jüngst die Kündigung einer Polizeiärztin bestätigt, die das Infektionsschutzgesetz mit dem nationalsozialistischen Ermächtigungsgesetz verglich. Wer im Staatsdienst arbeite, habe eine besondere Treuepflicht gegenüber der Verfassung und den staatlichen Organen (LAG Baden-Württemberg, Az. 10 Sa 66/21).

Betriebsbedingte Kündigung:
Dafür müssen drei Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Arbeitgeber hat dauerhaft keinen Bedarf, den Mitarbeiter weiter zu beschäftigen. Ob es sich dabei um inner- oder außerbetriebliche Gründe handelt, ist nicht maßgeblich. Es ergibt sich lediglich ein unterschiedlicher gerichtlicher Prüfungsmaßstab: Bei innerbetrieblichen Gründen prüft das Arbeitsgericht nur, ob die Entscheidung offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Bei außerbetrieblichen Gründen kann es auch deren Vorliegen überprüfen.
  • Es gibt keine Möglichkeit, den Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen.
  • Der Arbeitgeber hat sich an den Kriterien der Sozialauswahl orientiert und Kriterien wie Betriebszugehörigkeit und Lebensalter berücksichtigt.

5. Grundsätzlich kein Anspruch auf Abfindung

Ein Anspruch auf Abfindung besteht grundsätzlich nicht, es sei denn Betriebsrat und Arbeitgeber haben einen solchen in einem Sozialplan verhandelt. Zudem hat der Arbeitgeber nach § 1a KSchG im Fall einer betriebsbedingten Kündigung die Möglichkeit, dem oder der Beschäftigten eine Abfindung anzubieten, falls auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet wird.

6. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz beachten

Auch bei den Kündigungsgründen müssen HR Verantwortliche das Diskriminierungsverbot des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stets berücksichtigen. Dies wird regelmäßig vor den Arbeitsgerichten überprüft.

7. Abmahnung bei ordentlicher Kündigung: Wann ist sie entbehrlich?

Geht es um ein steuerbares Verhalten eines Arbeitnehmers, muss der Arbeitgeber diesen grundsätzlich zuerst abmahnen, um ihn zunächst zu warnen. Ausnahmen gelten, wenn

  • wenn entweder eine Verhaltensänderung in der Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann
  • oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben und für den Arbeitnehmer erkennbar unzumutbar ist.

8. Werden mehrere Arbeitnehmer entlassen: Massenentlassung prüfen!

Müssen betriebsbedingt mehrere Arbeitnehmer*innen in einem kurzen Zeitraum entlassen werden, ist von den HR Verantwortlichen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Massenentlassung nach § 17 KSchG greifen, die bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen ist. Dabei zählen nicht nur Kündigungen, sondern auch Aufhebungsvereinbarungen.

9. Der Ausnahmefall: Die außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche und somit fristlose Kündigung ist der Ausnahmefall. Weil sie das Arbeitsverhätnis sofort beendet, gelten besondere Anforderungen: Es muss einen wichtigen Grund geben, weshalb es unzumutbar ist, am Arbeitsvertrag bis zum Ende der Kündigungsfrist festzuhalten. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg Vorpommern entschied Ende letzten Jahres: Einem Mitarbeiter, der eigenmächtig Urlaub nimmt oder unentschuldigt bei der Arbeit fehlt, kann fristlos gekündigt werden. Das gilt selbst dann, wenn er möglicherweise einen Anspruch auf Freistellung gehabt hätte (Az. 5 Sa 88/21). Auch die Drohung „Dann lasse ich mich halt krankschreiben“, falls die Schichteinteilung nicht wie gewünscht erfolgt, kann eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen, so die Richter des Landesarbeitgerichts Mecklenburg Vorpommern. Doch könne die Interessenabwägung auch zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen, wenn die Drohung auf einem Konflikt zwischen Beschäftigten beruhe. Und wenn dieser darauf bereits mit einer Eigenkündigung reagiert habe, so dass das Arbeitsverhältnis in Kürze endet.

10. Abmahnung bei außerordentlicher Kündigung

Um zu klären, ob eine Abmahnung notwendig ist, gelten bei einer außerordentlichen dieselben Regeln wie bei einer ordentlichen Kündigung, die unter Ziffer 7 erläutert sind.

11. Beteiligung des Betriebsrats

Gibt es einen Betriebsrat, so ist dieser stets nach § 102 BetrVG vor der Kündigung anzuhören. Erst wenn dessen Stellungnahme vorliegt oder die entsprechende Frist verstrichen ist, kann die Kündigung erfolgen. Allerdings können Arbeitnehmervertreter diese nicht durch ihr Votum verhindern.

12. Formerfordernisse

Eine Kündigung kann nach § 623 BGB nur schriftlich mit Originalunterschrift und nicht per Fax oder auf digitalem Weg etwa per Mail erfolgen. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung ist deutlich zu machen, dass das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos beendet wird. Bei einer ordentlichen Kündigung müssen Personalverantwortliche die maßgebliche Kündigungsfrist einhalten. Gründe sind nicht zu nennen, sondern es reicht aus, dass ein gesetzlich anerkannter Kündigungsgrund tatsächlich zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhätltnisses vorliegt. Nicht zu vergessen: Die Pflicht, den Arbeitnehmer über seine Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit zu informieren.

13. Weniger als zehn Mitarbeiter? Kündigungsschutzgesetz gilt nicht

Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern gelten als Kleinbetriebe, bei denen das KSchG nicht greift. Chefinnen und Chefs von Kleinbetrieben können also Angestellte leichter entlassen. Grundsätzliche Regeln wie das Diskriminierungsverbot nach AGG oder die Formerfodernisse gelten aber auch für sie.

14. BAG stärkt Arbeitgeber bei Krankmeldung nach Kündigung

Personalabteilungen erleben häufig, dass Mitarbeiter sich für die verbleibende Kündigungsfrist krank melden, zeitgleich oder unmittelbar nachdem der Arbeitgeber oder sie selbst gekündigt haben. In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitgericht die Rechte von Arbeitgebern gestärkt: Der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könne erschüttert werden, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit der Dauer der Kündigungsfrist entspricht. In einem solchen Fall müsse der Mitarbeiter seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf andere Weise darlegen. Falls dies nicht gelingt, bestehe auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Eine Kündigung bringt für das Leben eines Arbeitnehmers schwerwiegende Veränderungen mit sich. Dem trägt der Gesetzgeber mit strengen rechtlichen Bedingungen Rechnung, schafft aber Erleichterungen für Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Wichtig für die Praxis ist eine sorfältige Dokumentation: Ist eine Abmahnung erfolgt? Wird deutlich, dass es sich um eine außerordentliche, fristlose Kündigung handelt? Wurde der Betriebsrat gehört? Und ist die Kündigung nachweisbar zugegangen?