Dienstanweisung in der Freizeit
Vor allem in Unternehmen, in denen flexible Dienstpläne notwendig sind, ist es durchaus üblich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer kurzfristig via SMS oder Messengerdienst beispielsweise den Arbeitsbeginn für den Folgetag abstimmen. Dass dabei eine Nachricht in der Freizeit bei einem Arbeitnehmer ankommt, lässt sich dabei teilweise nicht vermeiden.
Aber sind Arbeitnehmer dann verpflichtet, diese Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen?
Rechtlich betrachtet hängt das u. a. davon ab, ob das Öffnen der Nachricht als Arbeitszeit einzustufen ist. Das LAG Schleswig-Holstein urteilte: Ja, das Öffnen und Lesen einer SMS in der Freizeit ist eine Arbeitsleistung. Arbeitnehmer hätten aber das Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit und müssten deswegen Nachrichten in der Freizeit nicht öffnen.
Öffne der Arbeitnehmer eine Nachricht nicht und komme deswegen beispielsweise zu spät zur Arbeit, sei das dem Arbeitnehmer nicht als Verletzung seiner Arbeitspflicht zuzurechnen – eine Abmahnung sei dann rechtswidrig.
SMS mit Dienstzeitbeginn in Freizeit
Um einen ähnlich gelagerten Fall ging es vor dem BAG. Ein Notfallsanitäter klagte u. a. auf Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Zur Abmahnung war es gekommen, weil der Arbeitnehmer an zwei Arbeitstagen 2021 nicht wie angeordnet zu einem sog. Springerdienst erschienen war, obwohl der Arbeitgeber ihm den Dienstbeginn und den Dienstort am Vortag per SMS mitgeteilt hatte. An seinem freien Tag hatte der Arbeitnehmer die Nachrichten allerdings ignoriert, obwohl in einer Betriebsvereinbarung geregelt war, dass im Fall von Springerdiensten spätestens bis 20 h am Vortrag bekanntgegeben werde, wann Dienstbeginn sei.
Weil der Notfallsanitäter nicht wie angeordnet zum Dienst erschien, wurde er deswegen beim zweiten Mal abgemahnt.
BAG: SMS lesen ist keine Arbeitszeit
Die Abmahnung war rechtens, urteilte das BAG. Denn die Weisung seines Arbeitgebers per SMS, um 6:00 h mit der Arbeit zu beginnen, war bindend. Der Arbeitnehmer hätte die Weisung zum Dienstbeginn per SMS zur Kenntnis nehmen müssen, auch an einem freien Tag.
Das Lesen der Nachricht sei keine Arbeitsleistung und keine Arbeitszeit, sondern eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag. Die Pflicht, die Nachricht zu lesen, war hier außerdem Folge der bestehenden Betriebsvereinbarung – auch in der Freizeit.
Letztlich hätte der Arbeitnehmer am Vorabend seines bekannten Springerdienstes seine Nachrichten prüfen müssen.
Einen Widerspruch zum Arbeitszeitgesetz sah das BAG nicht: Eine SMS zum Dienstbeginn zu lesen, sei keine Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinn.
Was bedeutet das Urteil für Arbeitgeber?
Dieses Urteil ist erfreulich, vor allem für Unternehmen, in denen kurzfristige Dienstplanung unausweichlich ist. Ein absolutes Recht auf Unerreichbarkeit in der Freizeit für Arbeitnehmer gibt es nicht.
Verallgemeinern sollte man das Urteil allerdings nicht. Denn eine allgemeine Pflicht von Arbeitnehmern, für Arbeitgeber auch in der Freizeit erreichbar zu sein, lässt sich aus dem Urteil nicht ableiten. Zudem bestand im entschiedenen Fall eine Betriebsvereinbarung, die eine Konkretisierung des Arbeitseinsatzes entsprechend kurzfristig vorsah.
Was wir für Sie tun können
Sie haben Fragen zum Thema? Sie wollen für Ihr Unternehmen eine entsprechende Betriebsvereinbarung aufsetzen lassen? Sprechen Sie uns gerne an!
Das Wichtigste in Kürze zusammengefasst:
- Das Lesen einer SMS/Messenger-Nachricht des Arbeitgebers zum Dienstbeginn in der Freizeit ist keine Arbeitszeit.
- Arbeitnehmer können dazu verpflichtet sein, in der Freizeit SMS des Arbeitgebers zur Kenntnis zu nehmen.
- Betriebsvereinbarungen zum Thema schaffen Klarheit und Rechtssicherheit.