Privat in Social Media vom Leder gezogen: fristlose Kündigung?

 Private Social-Media-Entgleisungen können in wenigen Fällen Grund für eine fristlose Kündigung sein.

Privat in Social Media vom Leder gezogen: fristlose Kündigung?

Privates hat meist keinen Einfluss auf das Arbeitsverhältnis. Wenn sich aber ein Tendenzträger in sozialen Medien z. B. antisemitisch äußert und so dem Ansehen seines Arbeitgebers schadet, kann er gekündigt werden – sogar fristlos.

Loyalitätspflicht als Nebenpflicht von Arbeitnehmern

Neben den Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch Nebenpflichten, die nicht zwangsläufig im Arbeitsvertrag niedergelegt sein müssen, sondern sich aus dem Treueverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben können (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB).

Wesentliche Nebenpflicht für Arbeitnehmer ist die Loyalitäts- oder Treuepflicht, die Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber nicht zu schaden.

Diese Pflicht bezieht sich grundsätzlich nur auf das Arbeitsverhalten, nicht auf privates Verhalten z. B. in den sozialen Medien. Äußert sich ein Mitarbeiter privat in Social Media rassistisch oder antisemitisch, hat das grundsätzlich keine Folgen für das Arbeitsverhältnis.

Tendenzträger in Tendenzbetrieben

Anders verhält es sich, wenn ein Arbeitnehmer als Tendenzträger in einem Tendenzbetrieb privat in den sozialen Medien rassistische oder antisemitische Inhalte postet: In dieser Konstellation kann das außerdienstliche Verhalten durchaus auf das Arbeitsverhältnis durchschlagen.

Tendenzbetriebe sind Unternehmen gem. § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, nämlich Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken oder der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen, wie etwa Zeitungsverlage oder Radiosender.

Tendenzträger sind Arbeitnehmer eines Tendenzbetriebs, die selbst unmittelbar an der Tendenzverwirklichung mitarbeiten – im Fall von Medienunternehmen z. B. verantwortliche Redakteure. Tendenzträger dürfen – auch privat – nicht gegen grundsätzliche Zielsetzungen des Tendenzbetriebes verstoßen, wenn sie dadurch den Interessen des Tendenzbetriebes schaden.

Private antisemitische Posts: Kündigungsgrund

Ein Redakteur der Deutschen Welle (DW) äußerte sich über mehrere Jahre auf privaten Social-Media-Accounts mehr als kritisch über Israel und dessen Verhalten gegenüber Palästina, während er als freier Mitarbeiter für die DW tätig war. 2021 schloss die DW einen Arbeitsvertrag mit diesem Redakteur. Im Jahr darauf erfuhr die DW aus der Presse von den kritischen Äußerungen des Redakteurs. Zwar löschte der Redakteur die kritischen Äußerungen daraufhin. Die DW kündigte das Arbeitsverhältnis jedoch fristlos. Dagegen klagte der Redakteur.

Andere Regeln für Tendenzträger

Den Rechtsstreit um die fristlose Kündigung gewann der Redakteur vor dem Arbeitsgericht, unterlag jedoch in der Berufung.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg stufte seine Äußerungen in sozialen Medien als antisemitisch ein und wertete sie als schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten gegenüber der DW. Nach Meinung des LAG rechtfertigten die Äußerungen die fristlose Kündigung, weil sie über Jahre öffentlich einsehbar waren und dies dem Ansehen der DW geschadet hatte.

Als Tendenzträger sei er verpflichtet, die grundlegenden Ziele und Werte der DW – u. a. das Existenzrecht Israels anzuerkennen und sich gegen Antisemitismus einzusetzen – auch in seinem privaten Verhalten zu respektieren. Weil er Tendenzträger sei, müsse seine Meinungsfreiheit aus Art 5 Abs. 1 S. 1 GG gegenüber der Pressefreiheit der DW aus Art 5 Abs. 1 S. 2 GG zurückstehen (Urteil LAG Berlin-Brandenburg v. 04.04.2024 Az. 5 Sa 894/23).

Uneinheitliche Rechtsprechung

Ein anderer Senat desselben LAG hielt 2023 allerdings die Kündigung einer Redakteurin wegen antisemitischer Publikationen in einem Online-Magazin vor Beginn des Arbeitsverhältnisses für unwirksam (Urteil v. 28.06.2023, Az. 23 Sa 1107/22).

Was wir für Sie tun können

Sie haben Fragen zum Thema Kündigung, Tendenzbetrieb oder Tendenzträger? Sprechen Sie uns gerne an!

Das Wichtigste kurz zusammengefasst:

  • Private Meinungsäußerungen von Mitarbeitern in Medien rechtfertigen grundsätzlich nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
  • Ausnahmsweise können private Äußerungen von Tendenzträgern eines Tendenzbetriebes (z. B. Schule, Uni, Radiosender) eine Kündigung rechtfertigen, wenn sie gegen die grundsätzlichen Ziele des Arbeitgebers verstoßen und dessen Ansehen schaden.