Der Fall vor Gericht
Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg (Urteil v. 15.06.2023, Az.: 5 Sa 1/23) ging es um die Kündigung einer Zahnärztin. Ihr war ordentlich gekündigt worden, im Arbeitsvertrag war eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart.
Streit entbrannte allerdings nicht um die Wirksamkeit der Kündigung. Vielmehr wollte die Zahnärztin geklärt wissen, zu welchem Zeitpunkt die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet. Die Kündigung war auf den 28.09.2021 datiert, zugestellt wurde sie mit Einwurfeinschreiben.
Der Arbeitgeber ging davon aus, dass die Kündigung zum Ende des Jahres wirksam war, da der Ausliefernachweis des Einwurfeinschreibens auf den 30.09.2021 datiert war.
Die Zahnärztin behauptete allerdings, dass die Kündigung erst Ende März 2022 wirksam wurde, ihr sei die Kündigung erst im Oktober zugegangen. Ihr Interesse an der Sache: ein Unterschied von immerhin rund 30.000 Euro Gehalt brutto für ein Quartal. Das Geld wäre zu zahlen bzw. nachzuzahlen gewesen.
Damit kam es darauf an, ob die Kündigung vor oder nach dem 01.10.2021 zugestellt wurde.
Beweis des ersten Anscheins
Das Gericht urteilte: Das Arbeitsverhältnis endete am 31.12.2021. Der Beweis des sog. „ersten Anscheins“ überzeugte das Gericht, die Kündigung war am 30.09.2021 zugegangen.
Der Beweis des ersten Anscheins würde für den Zugang beim Empfänger sprechen, wenn
- die Kündigung als Einwurf-Einschreiben verschickt wurde und
- der Arbeitgeber als Absender auch den Auslieferungsnachweis mit Unterschrift des Zustellers vorlegen kann.
Beides war in diesem Fall gegeben und der Auslieferungsnachweis lautete auf den 30.09.2021.
Ergänzend wies das Gericht darauf hin: Der Beweis des ersten Anscheins spricht außerdem dafür, dass die Kündigung als Einwurfeinschreiben am 30.09.2021 zur „üblichen Zustellzeit“ zugestellt wurde. Denn stellt ein Mitarbeiter der Deutschen Post AG die Post zu, geschehe das in aller Regel zu normalen Dienstzeiten.
Das Rad nicht neu erfunden
Damit hat das LAG Nürnberg das Rad zu diesem Thema nicht neu erfunden. Vielmehr knüpft es an die Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte an (zuletzt z. B. LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.07.2021, Az.: 4 Sa 68/20; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.01.2022 – 1 Sa 159/21).
Für eine Kündigung ist damit ein Einwurfeinschreiben, verschickt mit der Deutschen Post AG, nach wie vor ein probates Mittel, um eine Kündigung zuzustellen, falls eine persönliche Übergabe ausscheidet.
Dieser Fall zeigt allerdings auch, dass Personalverantwortliche den Versand einer Kündigung nach Möglichkeit nicht zu knapp planen sollten, selbst wenn sie auf die verlässlichen Prozesse der Deutsche Post AG zurückgreifen.
Das gilt vor allem, da die Post erst kürzlich verkündet hat, dass ihre Briefe künftig deutlich länger unterwegs sein dürfen: immerhin bis zu drei Werktage.
So lässt sich Streit über den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – und damit Streit über alle Rechtsfolgen! – vermeiden.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Ist es nicht möglich, eine Kündigung persönlich zu übergeben, ist der Versand als Einwurf-Einschreiben eine gute Alternative.
- Liegen Versandnachweis und Ausliefernachweis vor, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Zustellung der Kündigung zum Datum des Ausliefernachweises.
- Der rechtzeitige Versand einer Kündigung vor Ablauf einer relevanten Frist vermeidet unnötigen Streit vor den Arbeitsgerichten.