Keine Erleichterungen bei Massenentlassungen – Teil 1

 
EuGH lehnt Abschwächung der Unwirksamkeit bei Massenentlassungen ab

Statue der Justitia mit Waage und Schwert vor modernen Bürogebäuden im Sonnenlicht

Der EuGH erteilt dem Ansinnen des BAG, die Unwirksamkeitsfolge von Fehlern einer Massenentlassung abzumildern, eine Absage. Fehler der Massenentlassungsanzeige können bislang Kündigungen unwirksam werden lassen. Der 6. Senat des BAG wollte diese Folge ändern und fragte den EuGH, ob auch weniger einschneidende Rechtsfolgen europarechtskonform wären. Nein, sagt der EuGH.

Die Massenentlassungsrichtlinie der EU und in deren Umsetzung § 17 KSchG regeln die Pflichten der Arbeitgeber bei Massenentlassungen. Sie haben zuvor zwei Maßnahmen zu ergreifen.

Zum einen müssen sie den Betriebsrat konsultieren.

Zum anderen hat der Arbeitgeber die geplante Massenentlassung der zuständigen Agentur für Arbeit anzuzeigen. Die Anzeige muss alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultationen des Betriebsrat enthalten, insbesondere die Gründe der Entlassung, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen.

Bislang bewertete das BAG Kündigungen unter Verletzung der vorstehenden Pflichten als unwirksam. Der 6. Senat des BAG beabsichtigte, von dieser harten Rechtsfolge abzuweichen. Er legte dem EuGH u.a. die Fragen vor:

  1. Tritt eine Unwirksamkeit der Kündigungen nicht ein, wenn die Arbeitsagentur eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet?
  2. Falls nein: Kann eine fehlerhafte oder gänzlich fehlende Massenentlassungsanzeige nach Zugang der Kündigung korrigiert, ergänzt oder nachgeholt werden?
  3. Reicht es als Sanktion aus, dass Kündigungen solange nicht wirksam werden, bis die Massenentlassung ordnungsgemäß angezeigt ist?

Der EuGH verneinte diese Fragen in seiner Entscheidung vom 30.10.2025 in der Rechtssache C-402/24 (Sewel).

Ziel der Massenentlassungsanzeige sei, der Arbeitsagentur die Suchen nach Lösungen für die aus einer Massenentlassungsanzeige entstehenden Probleme zu suchen. Verfüge die Arbeitsagentur nicht über alle zweckdienlichen Angaben, werde das Ziel der Massenentlassungsanzeige nicht erreicht. Denn die erforderlich werdende eigene Recherche der fehlenden Informationen koste die Arbeitsagentur Zeit. Dies hindere die Behörde an der Vermittlung der betroffenen Arbeitnehmer in neue Arbeit.

Die zweite Frage beantwortete der EuGH nicht, weil ein Bezug zum konkreten Fall fehlte.

Zur dritten Frage führte der EuGH aus, dass es zwar Sache der Mitgliedstaaten sei, die Verfahren auszugestalten. Ein lediglich späterer Eintritt der Beendigungsfolge einer Kündigung, die ohne ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige ausgesprochen wurde genüge dem Zweck der Richtlinie aber nicht.

Fazit

Es bleibt also alles beim Alten. Fehler bei der Massenentlassungsanzeige führen regelmäßig zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

Das Wichtigste kurz zusammengefasst

  • Die Unvollständigkeit einer Massenentlassungsanzeige führt zur Unwirksamkeit der Kündigungen
  • Es ist hierfür egal, ob die Arbeitsagentur die Fehlerhaftigkeit beanstandet
  • Alleine ein späterer Eintritt der Wirksamkeit der Kündigung ist keine ausreichende Sanktion für Verstöße gegen die Vorgaben zur Massenentlassungsanzeige