Arbeitnehmer kann BEM nicht einklagen.

 LAG Nürnberg: Kein klagbarer Anspruch auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (Az.: 5 Sa 117/20).

Arbeitnehmer kann BEM nicht einklagen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat für eine Überraschung gesorgt. Es entschied, dass ein Arbeitnehmer den Anspruch auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht einklagen kann.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 8. Oktober 2020 einen klagbaren Anspruch des Arbeitnehmers auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement verneint (Az.: 5 Sa 117/20). Ein Initiativrecht haben demnach nur die zuständigen Interessenvertretungen. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig; die Revision zum BGH wurde eingelegt (Az.: 9 AZR 572/20).

Der Kläger in dem zu Grunde liegenden Fall war bei der beklagten Gemeinde als Arbeiter beschäftigt. Zuletzt wurde er in einem Eigenbetrieb der Kommune auf einem Campingplatz eingesetzt. Der Kläger hat einen festgestellten Behinderungsgrad von 30 und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Aufgrund von Erkrankungen war er im Jahr 2018 an insgesamt 122 Tagen arbeitsunfähig – allein von Januar bis August 2019 an 86 Tagen. Er beantragte die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).

Arbeitgeber lehnt Durchführung eines BEM ab

Der Antrag wurde u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass es auch schon in den Jahren zuvor lange Fehlzeiten des Arbeitnehmers gegeben habe. Die Versetzung in den Eigenbetrieb Campingplatz und Seenbäder stellte faktisch bereits ein BEM dar. So argumentierte die Gemeinde. Die weiterhin auftretenden Erkrankungen standen in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten, die der Mitarbeiter bei der Arbeit zu verrichten habe.

Der Arbeitnehmer reichte daraufhin Klage auf Durchführung eines BEM ein. Während diese in erster Instanz erfolgreich war, wies das LAG Nürnberg den Anspruch im Berufungsverfahren zurück. Es stellte fest, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers bei Vorliegen der Voraussetzungen ein BEM durchzuführen, keinen klagbaren Anspruch des Arbeitnehmers darstelle.

LAG Nürnberg weist Klage ab

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht direkt aus § 167 Abs. 2 SGB IX, so das Gericht. Diese Regelung richtete sich an den Arbeitgeber und verpflichtet ihn mit der zuständigen Interessenvertretung und der betroffenen Person ein BEM durchzuführen. Ein ausdrücklicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Durchführung eines BEM war hier aber nicht formuliert. Anders verhält es sich bei den im Gesetz genannten Mitarbeitervertretungen. Ihnen ist in § 167 Abs.2 Satz 6 SGB IX ein durchsetzbares Individualrecht ausdrücklich zugebilligt worden, führte das Gericht aus. Darüber hinaus hat diese auch eine Überwachungsfunktion. Hätte der Gesetzgeber dem Arbeitnehmer einem klagbaren Anspruch zuerkennen wollen, hätte dieser ausdrücklich formuliert werden können, so das LAG Nürnberg weiter.

Anspruch nicht einklagbar

Ein einklagbarer Anspruch leitet sich auch nicht aus der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB ab. Die Vertragsparteien könnten zwar im Arbeitsverhältnis zu leistungssichernden Maßnahmen verpflichtet sein, ein klagbares Recht auf Durchführung eines BEM ergibt sich daraus aber nicht, stellte das Gericht weiter klar. Der Arbeitnehmer ist bei Untätigkeit des Arbeitgebers über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits ausreichend geschützt.

Andere Gerichte, z.B. das LAG Hamm, haben aber auch schon anders entschieden. Sie gehen von einem einklagbaren Anspruch auf Durchführung eines BEM aus. Das Bundesarbeitsgericht wird diese Frage höchstrichterlich klären müssen.