BAG: Keine Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb.

 Im Gemeinschaftsbetrieb greift das AÜG auch nach Änderung des §1 AÜG 2017 nicht – urteilt das BAG.

BAG: Keine Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb.

Betreiben Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, gilt für Arbeitnehmer im Betrieb das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nicht, wenn der Gemeinschaftsbetrieb tatsächlich gelebt wird. Ein gemeinsamer Betriebsrat ist dafür nicht zwingend notwendig. (BAG, Urteil vom 24.05.22, Az.: 9 AZR 337/21)

Was ist ein Gemeinschaftsbetrieb?

In einem Gemeinschaftsbetrieb setzen rechtlich selbstständige Unternehmen in einem gemeinsamen Betrieb eigenes Personal ein. Arbeitsvertraglich sind die Arbeitnehmer jeweils an ihr Arbeitgeberunternehmen gebunden.

Damit es sich auch (arbeits-)rechtlich gesehen um einen Gemeinschaftsbetrieb handelt, müssen allerdings bestimmte nach der Rechtsprechung des BAG anerkannte Voraussetzungen vorliegen. So müssen u.a. gemeinsame Betriebsmittel genutzt werden und es muss eine einheitliche, unternehmensübergreifende Personalführung stattfinden. Deswegen wird im Lichte des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auch ein gemeinsamer Betriebsrat als starkes Indiz für einen Gemeinschaftsbetrieb gesehen. Fehlt ein solcher, kann das ein Indiz dafür sein, dass die Arbeitnehmer nur formell einer einheitlichen Personalleitung unterstehen.

Worum ging es im Fall vor dem BAG?

Vor dem BAG klagte ein Arbeitnehmer, der seit 2013 bei einem Unternehmen angestellt war, das Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Sein Arbeitgeber und ein weiteres Unternehmen, für das der Arbeitnehmer seinerzeit als Leiharbeiter eingesetzt wurde, betreiben gemeinsam einen Flughafen. Ein gemeinsamer Betriebsrat existierte jedoch nicht.

Nach Einführung der gesetzlichen Höchstdauer für Arbeitnehmerüberlassung in § 1 AÜG Anfang 2017 wurde der Arbeitnehmer und spätere Kläger nicht mehr als Leiharbeiter eingesetzt. Vielmehr kam er seit Mitte 2017 für seinen Arbeitgeber in dem neu gegründeten Gemeinschaftsbetrieb zum Einsatz, den sein Arbeitgeber und das ehemalige Entleih-Unternehmen gegründet hatten.

Er selbst war allerdings der Auffassung, dass seit Mitte 2017 zwischen ihm und dem ehemaligen Entleih-Unternehmen ein Arbeitsvertrag bestehe. Das sollte das Arbeitsgericht rechtswirksam feststellen. Sein Argument war, er sei ab Mitte 2017 weiterhin als Leiharbeiter eingesetzt worden, die Überlassungshöchstdauer sei längst überschritten, sodass nun ein Arbeitsvertrag mit dem Entleihunternehmen bestehe.

Diese Rechtsauffassung ist fraglich: Wurde der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in einem Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt, wäre das kein Einsatz als Leiharbeitnehmer – zumindest nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG.

BAG führt Rechtsprechung fort – keine Arbeitnehmerüberlassung im Gemeinschaftsbetrieb

Die bisherige Rechtsprechung bestätigte das BAG im vorliegenden Fall: Grundsätzlich handle es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung, wenn der Vertragsarbeitgeber mit dem Einsatz eines Arbeitnehmers – wie hier – auch eigene (Betriebs)Zwecke verfolgt. Ein Weisungsrecht aus der Sphäre des anderen Unternehmens, wie z.B. in einem Gemeinschaftsbetrieb, ändere daran nichts.

Voraussetzung sei allerdings, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in einem Gemeinschaftsbetrieb eingesetzt wird, zu dem sich der Vertragsarbeitgeber und ein anderes Unternehmen zusammengeschlossen haben.
Das sei der Fall, wenn in der Betriebsstätte vorhandene (im-)materielle Betriebsmittel mehrerer Unternehmen arbeitstechnisch zusammengefasst sind und koordiniert eingesetzt werden.
Zudem müsse das Personal im Gemeinschaftsbetrieb betriebsbezogen und nicht unternehmensbezogen geführt werden. Eine einheitliche Personalführung sei unverzichtbar und sollte durch eine Führungsvereinbarung dokumentiert werden.

Nicht zuletzt sei ein gemeinsamer Betriebsrat zwar ein starkes Indiz für einen Gemeinschaftsbetrieb. Allein die Tatsache, dass auf tarifvertraglicher Grundlage kein gemeinsamer Betriebsrat existiere, sei allerdings kein Argument, dass es sich nicht um einen gemeinsamen Betrieb handelt.

Darüber, ob im konkreten Fall alle anderen Voraussetzungen für einen Gemeinschaftsbetrieb vorliegen, sollte allerdings das LAG entscheiden. Das BAG wies den Fall zur Aufklärung der weiteren wesentlichen Tatsachen diesbezüglich an das zuständige LAG zurück.

Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung des BAG: In einem Gemeinschaftsbetrieb kommt das AÜG nicht – auch nicht nach der Änderung von §1 AÜG im Jahr 2017–zur Anwendung. Allerdings muss es sich bei dem gemeinsam geführten Betrieb tatsächlich um einen Gemeinschaftsbetrieb i.S.d. Rechtsprechung handeln.