Mietrecht: Keine Mietminderung wegen benachbarter Baustelle.

 Der BGH hat entschieden, das Mieter Baustellen-Lärm in der Regel aushalten müssen ohne die Miete mindern zu können.

Mietrecht: Keine Mietminderung wegen benachbarter Baustelle

Der Bolzplatz gegenüber, die Baustelle nebenan: Die Frage, wie viel Lärm ein Mieter hinnehmen muss, beschäftigt die Gerichte schon länger. Sie ist in Zeiten der vermehrten Heimarbeit relevanter denn je. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun entschieden, dass Lärm und Schmutz von einer benachbarten Baustelle den Mieter in der Regel nicht zur Mietminderung berechtigen.

Eine Baustelle in der Nachbarschaft führt häufig zu erhöhten Geräusch- und Schmutzimmissionen. Gibt es keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung, führen der Lärm und der Dreck nicht zu einem Mangel, der den Mieter zur Mietminderung berechtigt. Das gelte zumindest dann, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigenen Entschädigungsanspruch hinnehmen müsse. Das stellte der BGH klar. In der Praxis bedeutet das, dass Mieter aufgrund von Belästigungen durch eine benachbarte Baustelle in den meisten Fällen keinen Anspruch auf Mietminderung haben.

Hier der zugrunde liegende Fall: Die Parteien hatten im Jahr 2009 einen Mietvertrag über eine Zweizimmerwohnung in Berlin abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war das Nachbargrundstück, das etwa 40 Meter von der Wohnung entfernt liegt, unbebaut. Dort wurde später ein Neubau errichtet. Aufgrund der damit verbundenen Lärm- und Schmutzimmissionen minderte der Mieter die Miete um 10%. Die Vermieterin klagte auf Zahlung der vereinbarten Miete.

Der BGH hat nun mit Urteil vom 29. April 2020 (Az.: VIII ZR 31/18) den Anspruch der Vermieterin auf Zahlung der vereinbarten Miete bejaht. Einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel konnten die Karlsruher Richter nicht feststellen.

Ein Mietmangel liege vor, wenn die Mietsache einen erheblichen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder erheblich mindere. Ein solcher Mangel sei anzunehmen, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand zum Nachteil des Mieters abweiche, so der BGH. 

Für den vertraglich geschuldeten Zustand seien die Beschaffenheitsvereinbarungen, die die Parteien auch konkludent getroffen haben, maßgeblich. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung könnten auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache einwirkten. Dazu gehörten zum Beispiel Immissionen, führte der BGH weiter aus. Soweit solche Vereinbarungen zur Beschaffenheit aber fehlten, werde der zum vertragsmäßigen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben bestimmt. Einseitige Vorstellungen des Mieters – auch wenn sie dem Vermieter bekannt seien – reichten für die Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung nicht aus, stellte der BGH klar.

Gebe es, wie im vorliegenden Fall, keine Vereinbarungen für äußere Einflüsse wie Lärm und Immissionen von einer Baustelle, müsse ein Mietvertrag ergänzend ausgelegt werden. Dabei könne das Risiko einer Veränderung nicht einfach dem Vermieter zugewiesen werden. Habe der Vermieter selbst keine rechtlichen Abwehr- oder Entschädigungsansprüche gegen die Lärmimmissionen (§ 906 BGB), könne der Mieter keine Mietminderung verlangen, verdeutlichten die Karlsruher Richter.

Der BGH wies den Fall zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurück. Es habe fehlerhaft gehandelt, das Vorliegen eines Mietmangels nicht geprüft, sondern ihn durch die Baustelle einfach vorausgesetzt. Das Landgericht Berlin wird nun Beweis zur tatsächlichen Beeinträchtigung der Mietwohnung durch die Baustelle erheben müssen – und dazu, ob diese noch hingenommen werden muss.

Fazit

Vermieter müssen nach der Entscheidung des BGH nicht in jedem Falle für äußere Einflüsse wie Baustellen, auf die sie selbst keinen Einfluss haben, und die ebenfalls rechtlich hinnehmen müssen, geradestehen. Eine Mietminderung ist nur gerechtfertigt, wenn der Mieter auf eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung verweisen kann. Die Freiheit von Baustellenlärm ist regelmäßig keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung.

Lärm und Schmutz von einer Baustelle in der Nachbarschaft sind störend und ärgerlich. Besonders beim Arbeiten von zuhause. Zu einer Mietminderung berechtigen sie jedoch – anders als nach bisheriger Rechtsprechung – in der Regel nicht. Insbesondere dann nicht, wenn dem Vermieter keine Abwehr- oder Ersatzansprüche gegen den Verursacher des Lärms oder Schmutzes zustehen.