Ist die steuerliche Immobilienbewertung verfassungswidrig?

 Wie sich Liegenschaftszinsen auswirken

Ist die steuerliche Immobilienbewertung verfassungswidrig? Wie sich Liegenschaftszinsen auswirken.

Liegenschaftszinsen kommen bei der steuerlichen Bewertung von Mietwohngrundstücken, Geschäfts- und gemischt genutzten Grundstücken zur Anwendung. Beim dort zu verwendenden Ertragswertverfahren stellen sie eine wesentliche Stellschraube bei der Bewertung dar, da mit Ihnen Abzugsbeträge zu den jährlich erzielten Erträgen aus dem Objekt berechnet werden.

Je niedriger der Zinssatz, desto niedriger der Abzugsbetrag

Der verbleibende Erlös bestimmt die zukünftig erwarteten Erträge aus dem Objekt und damit den Ertragswert, der für Schenkungen oder bei Erbschaften für das Objekt herangezogen wird. Niedrigere Liegenschaftszinssätze führen damit zu höheren Schenkungs- oder Erbschaftsteuern.

Hierzu ein Beispiel:
Ein Liegenschaftszinssatz i.H.v. 1,08% führte bei einem vom FG Berlin-Brandenburg kürzlich entschiedenen Fall zu einem Objektwert i.H.v. rd. € 5,23 Mio. während der eigentlich gesetzlich vorgegebene Zins von 5% nur zu einem Wert i.H.v. € 3,88 Mio. geführt hätte. Bei einem Erbschaftssteuersatz von 19% bedeutet diese um rd. € 1,35 Mio. höhere Bewertung eine Mehrsteuer von rd. € 270.000,-.

Welcher Liegenschaftszins ist anzuwenden?

Der jeweils anzuwendende Liegenschaftszinssatz wird von örtlichen Gutachterausschüssen anhand tatsächlich erfolgter Kauffälle in der jeweiligen Region ermittelt. Gibt es jedoch nicht ausreichend Kauffälle in der Region oder in bestimmten Jahren, so sind die gesetzlich bestimmten Sätze anzuwenden.

Dieser Dualismus kann ganz augenscheinlich zu willkürlichen Ergebnissen führen, je nach Region und Jahr, für die Schenkungs- oder Erbfälle vorliegen. Bereits im Peripheriebereich von Städten gibt es im Vergleich zur Innenstadtlage häufig nicht genügend Vergleichsfälle. Nicht allzu weit auseinanderliegende Objekte werden damit völlig unterschiedlich bewertet, obwohl die Nettomieterträge vielleicht nahe beieinander liegen.

In Berlin wird das bislang auf die Spitze getrieben, da die von den Gutachterausschüssen ermittelten Liegenschaftszinssätze noch weiter in „allgemeine“ und „für steuerliche Zwecke“ zu verwendende Zinssätze unterteilt werden. Ausgerechnet die für steuerliche Bewertungszwecke ermittelten Liegenschaftszinssätze wurden nun vom FG Berlin-Brandenburg kürzlich in einem Urteil vom 24. April 2024 als nicht geeignet angesehen.

Obwohl das FG dabei den vorbeschriebenen Dualismus nicht beanstandet hatte, deutet vieles auf die Verfassungswidrigkeit des bisher anzuwendenden Bewertungssystems hin. Die Revision wurde vielleicht auch deshalb zugelassen und es ist zu erwarten, dass sich der Bundesfinanzhof mit dieser Frage beschäftigen wird. Die Bewertung der oben genannten Immobilienarten ist durch die Berliner Finanzverwaltung derzeit zudem ausgesetzt, auch da gutachterlich ermittelte Liegenschaftszinssätze zuletzt für den Stichtag 30.06.2022 im Mai 2023 veröffentlich wurden.

Als Berater gilt es daher die Unwägbarkeiten der steuerlichen Bewertung von Immobilien mit einzukalkulieren, den Bewertungsspielraum zu nutzen und aktuelle Fälle offen zu halten, bis hierzu höchstrichterlich entschieden wurde.

Da die Bewertung von Immobilien gerade bei proaktiven Nachfolgelösungen wichtig ist, stehen der Autor und sein Team Ihnen in diesen Fällen gerne beratend und gestaltend zur Verfügung.

Das Wichtigste kurz zusammengefasst

  • Die Bewertung von Mietwohngrundstücken, Geschäfts- und gemischt genutzten Grundstücken wird wesentlich durch Liegenschaftszinsen beeinflusst
  • Sofern vorhanden, sollen durch örtliche Gutachterausschüsse ermittelte Zinsen verwendet werden
  • Gesetzlich vorgegebene Liegenschaftszinsen führen aktuell aber zu deutlich niedrigeren Bewertungen