Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter in internationalen Gerichtsverfahren

 
Wie Handelsvertreter Ausgleichsansprüche durchsetzen, wenn der Unternehmer im Ausland sitzt.

Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter in internationalen Gerichtsverfahren

Handelsvertretern steht nach deutschem Recht ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB zu, der die Vorteile ausgleichen soll, die der Unternehmer (also, jene natürliche oder juristische Person, für die der Handelsvertreter Abschlüsse vermittelt hat) nach Beendigung des Vertriebsverhältnisses noch genießt. Dieser Beitrag soll darlegen, wie der Handelsvertreter bei Tätigkeit für einen Unternehmer aus dem Ausland seine Ansprüche durchsetzt.

Die materiell-rechtlichen Details des Ausgleichsanspruches sollen hier nicht beleuchtet werden. Gerade die Berechnung des Anspruches kann sehr kompliziert werden. Diesem Beitrag geht es aber um die prozessuale Durchsetzung in internationalen Sachverhalten.

Den internationalen Charakter erhält der Sachverhalt in diesem Beitrag durch den Unternehmer im Ausland. Hier soll davon ausgegangen werden, dass der Handelsvertreter in Deutschland tätig ist, aber für einen Unternehmer tätig wird, der im Ausland sitzt, also beispielsweise Käufer für Maschinen eines Herstellers aus den USA, Australien oder Japan vermittelt.

Dabei sind ein paar Konstellationen zu unterscheiden:

„Deutsche“ Rechtswahl und Gerichtsverfahren in Deutschland

Sieht der Handelsvertretervertrag eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte vor, ist die Durchsetzung unproblematisch. Nach deutschem Recht steht dem Handelsvertreter der Ausgleichsanspruch zu und deutsche Gerichte werden dem Handelsvertreter den Anspruch zuerkennen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Ein Ausschluss des Anspruchs ist nach § 89b Abs. 4 S. 1 HGB unwirksam. Der Handelsvertreter sollte jedoch vor Beginn des Prozesses prüfen, inwiefern ein Urteil auch in den USA, Australien oder Japan vollstreckbar ist, oder, ob der Unternehmer zumindest in Europa vollstreckbares Vermögen hat.

„Ausländische“ Rechtswahl und Gerichtsverfahren in Deutschland

Etwas anders sieht die Ausgangslage aus, wenn der Vertrag die Wahl eines ausländischen Rechts vorsieht. Ohne juristische Vorbefassung mag es etwas ungewöhnlich erscheinen, aber tatsächlich wenden auch deutsche Gerichte ausländisches Recht an – beispielsweise dann, wenn sich das aus einer Rechtswahl der Parteien ergibt.

Nun kann es für den amerikanischen Hersteller in unserem Beispiel verlockend sein, dem Handelsvertreter eine Rechtswahl zugunsten amerikanischen Rechts vorzugeben. Denn der Ausgleichsanspruch im deutschen Recht ist zwar nicht dispositiv, aber das amerikanische Recht mag „praktischerweise“ einen solchen Anspruch nicht kennen.

Genau diese Praxis hatte der EuGH in der bekannten Ingmar-Entscheidung zu bewerten (Ingmar GB Ltd. gegen Eaton Leonard Technologies Inc., C-381/98). Dort entschied der EuGH abgekürzt, dass es gegen die europäische Handelsverteter-Richtlinie verstößt, wenn durch Rechtswahl der zwingende Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters umgangen wird.

„Ausländische“ Rechtswahl und Gerichtsverfahren im Ausland

Nun mag der Hersteller noch einen Schritt weitergehen und eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten seiner Heimatgerichte vereinbaren. Ein deutsches Gericht müsste sich bei einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung dann für unzuständig erklären, das Gericht in den USA, Japan oder Australien würde wahrscheinlich den international zwingenden Charakter des § 89b HGB ignorieren.

Diesen Sachverhalt hat der BGH beurteilt (BGH, Beschluss vom 05. 09. 2012 – VII ZR 25/12) und dabei entschieden, dass auch eine Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam ist, wenn das mittelbar zum Ausschluss des Ausgleichsanspruches führt.

„Ausländische“ Rechtswahl und Schiedsverfahren

Sollten Handelsvertreter und Hersteller eine Schiedsklausel vereinbart haben, dürfte das Ergebnis die Unwirksamkeit der Klausel sein – jedenfalls, soweit ein Rechtsstreit den Ausgleichsanspruch betrifft. Das ist zwar für diesen Fall noch nicht durch den BGH oder Oberlandesgerichte entschieden worden, allerdings ist anerkannt, dass eine Schiedsklausel, die zur Missachtung international zwingenden Rechts führt, unwirksam ist (BGH, Urteil vom 18. 12. 1958 – II ZR 351/56). Die Folge wäre, dass der Handelsvertreter die Angelegenheit den Ausgleichsanspruch vor einem deutschen Gericht einklagen kann, ohne dass sich der Hersteller auf die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO berufen kann.

Handelsvertreter sollten die gerichtliche Durchsetzung möglicher Ausgleichsansprüche intensiv prüfen, um zu vermeiden, dass sie Ansprüche wegen der Anwendbarkeit ausländischen Rechts, möglicher Zuständigkeit im Ausland oder eines Schiedsgerichts zu früh abschreiben.