Im ersten Teil dieser Beitragsreihe wurde illustriert, dass eine Abwahl deutschen AGB-Rechts in Verfahren vor staatlichen Gerichten in Deutschland bei Inlandssachverhalten stets unwirksam ist. Haben die Sachverhalte einen Auslandsbezug können die Parteien das Recht eines Staates mit flexiblerem AGB-Recht wählen, wobei der isolierte Ausschluss nur des AGB Rechts nach wie vor unzulässig sein dürfte.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage des vereinbarten Geltungsausschlusses des AGB-Rechts in Verfahren vor Schiedsgerichten. Dabei bedarf es einiger Differenzierung:
1. Akzeptanz des Ausschlusses durch (deutsche) Schiedsgerichte
Zunächst stellt sich die Frage, ob und wie das (deutsche) Schiedsgericht selbst die Abwahl des AGB-Rechts berücksichtigt. Maßgeblich sind dabei zunächst einmal die Regeln der jeweiligen Schiedsinstition selbst. Die DIS (Deutsche Institution für Schiedsgericht) bestimmt beispielsweise in Art 24.1 der DIS-Schiedsgerichtsordnung 2018: „Die Parteien können die in der Sache anzuwendenden Rechtsregeln vereinbaren.„. In Art. 24.3 derselben heißt es: „Das Schiedsgericht ist bei seinen Entscheidungen an vertragliche Vereinbarungen der Parteien gebunden […].“
Danach ist zu erwarten, dass Schiedsgerichte unter dem Regelwerk der DIS einen AGB-Ausschluss berücksichtigen (vorbehaltlich der noch folgenden Ausführungen zur gerichtlichen Durchsetzbarkeit). Da Schiedssprüche aber regelmäßig nicht veröffentlicht werden, gibt es keine verlässliche Datenlage hierzu. Regelmäßig dürfte aber anzunehmen sein, dass die Schiedsgerichte sich an den von den Parteien gewünschten Ausschluss des AGB-Rechts halten, sofern sie hierbei nicht einen nicht vollstreckbaren Schiedsspruch erschaffen (hierzu sogleich).
2. Überprüfbarkeit durch staatliche Gerichte
Da ein Schiedsspruch nicht Selbstzweck ist, sondern der obsiegenden Partei einen Schiedsspruch an die Hand geben soll, den diese auch vollstrecken ist, stellt sich die Frage, in welchem Rahmen ein Schiedsverfahren, das eine Abwahl des AGB-Rechts beinhaltet, durch Gerichte überprüfbar ist. Hiermit hat sich der BGH in seinem Beschluss vom 09.01.2025 auseinandergesetzt (BGH, Beschluss vom 09.01.2025, Az. I ZB 48/24):
a) Unwirksamkeit der Schiedsklausel (§ 1032 Abs. 2 ZPO)
Dem Verfahren vor dem BGH lag dabei ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO zugrunde. Dieser besagt:
Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.
Hierüber (und nur hierüber, also über die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens) entschied der BGH tatsächlich im oben zitierten Beschluss – das aber sehr deutlich. Der Antragsteller war der Ansicht, dass der Ausschluss des AGB-Rechts zwischen den Parteien auch zur Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens führe.
Das verneinte der BGH und machte dabei deutlich, dass die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung unabhängig von der Wirksamkeit der AGB-Ausschlussklausel sei. Die Rechtswahl sei als Verfahrensvereinbarung von der Schiedsvereinbarung zu trennen. Eine möglicherweise unwirksame Verfahrensvereinbarung könne nicht automatisch auf die Schiedsvereinbarung durchschlagen. Die Schiedsvereinbarung als solche bestehe also getrennt von der Wirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen der Parteien über den Gang des Schiedsverfahrens.
Damit entschied der BGH sehr eindeutig, dass die Schiedsklausel in einer solchen Konstellation wirksam ist und es für die Parteien eindeutig in das Schiedsverfahren geht, wo sie ihren Streit unter Beantwortung aller aufgeworfenen Fragen – einschließlich jener zur Wirksamkeit des Ausschlusses – entscheiden lassen müssen.
b) Vollstreckbarkeit / Aufhebung eines späteren Schiedsspruches (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2, lit. b) ZPO)
Der Beschluss des BGH enthält damit noch keine abschließende Stellungnahme dazu, wie ein Schiedsspruch zu behandeln ist, in dem das Schiedsgericht einen vertraglichen Ausschluss des AGB-Rechts berücksichtigt.
Ein paar Hinweise hierzu enthält der Beschluss dennoch. In Betracht käme dann nämlich der § 1059 Abs. 2 Nr. 2, lit. b) ZPO. Dieser setzt voraus, dass „die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht„. Dies könne der Fall sein, wenn ein Schiedsgericht eine vertragliche Regelung für wirksam hielte, deren Zustandekommen nicht mehr als Ausdruck vertraglicher Selbstbestimmung zu bereifen sei oder zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führten.
Diese Ausführungen stellen eine Fortführung der BGH-Beschlusses vom 30. Oktober 2008 (Az. III ZB 17/08) dar, in der die Aufhebung eines Schiedsspruches an sehr hohe Hürden gestellt wird. Danach setzte die Aufhebung eines Schiedsspruches voraus, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Dazu müsse sie eine Norm Verletzten, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regele, oder zur deutschen Gerechtigkeitsvorstellung in einem untragbaren Widerspruch stehen.
Obwohl der BGH nicht ausdrücklich über die Wirksamkeit der beschränkten Rechtswahl (deutsches Recht unter Ausschluss der AGB-Regeln) entschieden hat, beseitigt dieses Urteil Unsicherheiten:
Eine unwirksame Rechtswahl gefährdet nicht automatisch die Schiedsvereinbarung. Darüber hinaus ist ein Schiedsspruch, der auf einer solchen Rechtswahl basiert, nur dann angreifbar, wenn er zu einem Ergebnis führt, das mit dem ordre-public nicht vereinbar ist. Insgesamt stärkt der BGH mit seinem Urteil die Rechtssicherheit bei beschränkten Rechtswahlen gemäß § 1051 ZPO. Diese jüngst gewonnene Freiheit darf jedoch nicht grenzenlos ausgenutzt werden. Es gelten u.a. die §§ 138 (Unwirksamkeit sittenwidriger Regelungen), 242 BGB (Gebot von Treu und Glauben) – beides Normen aus denen das heutige AGB-Recht entwickelt wurde.
Diese Ausführung gilt nicht nur für den im vorliegenden Fall entschiedenen Sachverhalt mit Auslandsbezug, sondern umso mehr für rein inländische Konstellationen.
Fazit
AGB-Ausschlüsse in Rechtswahlklauseln bleiben angreifbar, auch wenn sie im Rahmen von Schiedsverfahren behandelt werden. Die gerichtliche Überprüfbarkeit beschränkt sich allerdings auf ordre public-Verstöße, was ein deutliches Minus gegenüber dem strengen AGB-Recht ist und insofern mehr Flexibilität erlaubt.