AGB-Recht in Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren (1)

 Der Geltungsausschluss von AGB-Recht vor staatlichen Gerichten

AGB-Recht in Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren

Deutschland möchte sich mit der Eröffnung neuer Commercial Courts und Commercial Chambers als attraktiver Gerichtsstandort positionieren. Ein häufig kritisiertes Hindernis stellt hierfür das strenge deutsche AGB-Recht dar. Doch ist ein einvernehmlicher Ausschluss des AGB-Rechts vor deutschen Gerichten zulässig?

Seit dem 01.04.2025 haben die Bundesländer die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung sog. Commercial Courts und Commercial Chambers einzuführen (vgl. hierzu unsere BLOG-Beiträge „Acht Vorteile der neuen Commercial Courts“ und „Update: Commercial Courts vs. Schiedsgerichte„.). Doch neben aller Freude war ein häufiger Kritikpunkt (beispielsweise der Sachverständigen im Rechtsausschuss des Bundestages) das strenge deutsche AGB-Recht.

1. Das Problem: AGB-Recht, fehlende Flexibilität und Unsicherheit

Das deutsche AGB-Recht kann in B2B-Geschäftsbeziehungen herausfordernd sein. Während es nach seinem § 310 Abs. 1 S. 1 BGB in wesentlichen Teilen dort, also zwischen Unternehmern, nicht anwendbar ist, hat der BGH im Laufe der Jahre eine Rechtsprechung entwickelt, die – gestützt auf § 310 Abs. 1 S. 2 BGB – die Unwirksamkeitstatbestände in B2C-Verträgen auch auf B2B-Verträge anwendet (sog. „Gleichschritt-Rechtsprechung“). Das führt dazu, dass beispielsweise Haftungsbeschränkungen nur sehr eingeschränkt wirksam sind oder Vertragsstrafen mit äußerster Vorsicht formuliert werden müssen.

Hinzukommt, dass die Rechtsprechung die Schwelle, Allgemeine Geschäftsbedingungen anzunehmen, sehr niedrig und die Schwelle für ein Aushandeln nach § 305 Abs. 2 BGB sehr hoch ansetzt. Das Tatbestandsmerkmal der unangemessenen Benachteiligung in § 307 Abs. 1 BGB sorgt zudem für Rechtsunsicherheit, auch wenn die Rechtsprechung im Bereich der AGB-Klauseln ausführlich ist.

In der Gesamtschau darf man das deutsche AGB-Recht jedoch als – für den B2B-Geschäftsverkehr auf Augenhöhe möglicherweise unangemessen – unflexibel und teilweise nicht ausreichend vorhersehbar sehen, was die Frage erlaubt, ob Unternehmen nicht im beiderseitigen Einvernehmen die Geltung des AGB-Rechts ausschließen können.

Wie immer lautet die Antwort: Es kommt darauf an. Nur worauf genau?

2. Ausschluss des AGB-Rechts vor staatlichen Gerichten bei reinen Inlandsfällen

Zunächst lohnt ein Blick darauf, wie staatliche Gerichte einen solchen Geltungsausschluss des AGB-Rechts handhaben. Das ist abhängig davon, ob es sich um einen reinen Inlandssachverhalt oder um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug handelt.

Handelt es sich um reine Inlandssachverhalte ist das AGB-Recht innerhalb des deutschen Rechts zwingend. Die Parteien können sich also nicht einfach darauf einigen, dass die Vorschriften der §§ 305 f. BGB nicht zur Anwendung kommen. Nach § 306a BGB finden die AGB-Regelungen auch bei Umgehungsgestaltungen Anwendung.

Jetzt könnten die Parteien auf die Idee kommen, bei diesem reinen Inlandssachverhalt ein ausländisches Recht zu wählen, das bei der Vertragsgestaltung weniger oder keine AGB-rechtlichen Einschränkungen kennt, wie bspw. das Schweizer Obligationenrecht. Eine solche Rechtswahl ist nach Art. 3 Abs. 1 Rom I-Verordnung auch bei reinen Inlandssachverhalten zulässig, einen Auslandsbezug verlangt die Verordnung nicht.

Allerdings bestimmt Art. 3 Abs. 3 Rom I-Verordnung, dass bei reinen Inlandssachverhalten zwingendes Recht des eigentlich anwendbaren Rechts dennoch Anwendung findet. Dies ist bei deutschen Inlandssachverhalten auch deutsches AGB-Recht, eine „Flucht ins Schweizer Recht“ hilft somit nicht.

3. Ausschluss des AGB-Rechts vor staatlichen Gerichten bei Auslandsbezug

Liegt ein hinreichender Auslandsbezug vor, ist das Ergebnis anders. Hier sind zwar auch die Grenzen des Art. 9 Rom I-Verordnung (Eingriffsnormen) und Art. 21 Rom I-Verordnung (ordre public) zu beachten. Jedoch ist nach einhelliger Auffassung der das deutsche AGB-Recht außerhalb von Verbrauchergeschäften weder Eingriffsnorm noch ordre public. Da diese Diskussion bislang nur in der Literatur geführt wird, ist die Abwahl des AGB-Rechts bei Verträgen mit Auslandsbezug weiterhin mit Vorsicht zu genießen, aber die besseren Argumente sprechen dafür, in solchen Fällen eine Abwahl des AGB-Rechts zuzulassen – jedenfalls durch „Flucht ins Schweizer Recht“.

Schwieriger wird es, in solchen Fällen die Eingangsfrage zu beantworten, nämlich, ob in solchen Fällen mit Auslandsbezug auch die reine Abwahl des AGB-Rechts möglich ist. Wenn deutsches Recht gewählt ist oder ansonsten gilt, ist die Abwahl des AGB-Rechts nach deutschem Recht nicht möglich. Denkbar ist die Wahl deutschen Rechts und eine Teilrechtswahl eines anderen (bspw. Schweizer Rechts) nach Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-Verordnung. Sicherer dürfte dann aber jedenfalls die vollständige Wahl des ausländischen Rechts (bspw. Schweizer Rechts) sein.

Fazit

Eine Abwahl deutschen AGB-Rechts ist in Verfahren vor staatlichen Gerichten in Deutschland bei Inlandssachverhalten unwirksam. Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug können die Parteien das Recht eines Staates mit flexiblerem AGB-Recht wählen. Ein isolierter Ausschluss nur des AGB-Rechts dürfte aber auch dann unzulässig sein. Parteien sollten die Auswirkungen möglicher Szenarien ausführlich prüfen.