Acht Vorteile der neuen Commercial Courts.

 Das Justizstandort-Stärkungsgesetz kommt und beinhaltet für deutsche Exportunternehmen eine gute Alternative zu Schiedsverfahren.

Acht Vorteile der neuen Commercial Courts.

Das Ampel-Aus bedeutet auch, dass einige Gesetzesvorhaben im Justizbereich auf der Kippe stehen. Hierzu gehört glücklicherweise nicht das Justizstandort-Stärkungsgesetz, das eine echte Alternative zu internationalen Schiedsverfahren bietet und damit den Justizstandort Deutschland stärken soll, wie sein Name verspricht.

International agierende deutsche Unternehmen kennen die Thematik: Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten deutscher Gerichte in Verträgen mit ausländischen Lieferanten, Kunden und sonstigen Geschäftspartnern haben ihre Nachteile. Das Verfahren zieht sich mehrere Jahre durch mindestens zwei Instanzen, Unterlagen müssen übersetzt und Dolmetscher für ausländische Zeugen bestellt werden. Die Gerichtsverfahren finden öffentlich statt und das eine oder andere Geschäftsgeheimnis könnte so öffentlich werden.

Viele dieser Schwachstellen beseitigt das Justizstandort-Stärkungsgesetz, das Bundestag und Bundesrat noch im Oktober 2024 vor dem Ende der Ampel-Regierung beschlossen haben und das daher wie geplant zum 01.04.2025 in Kraft treten wird. Das Gesetz ist ein Änderungsgesetz, schafft also keine dauerhafte neue Gesetzesgrundlage, sondern passt die ZPO (und andere Nebengesetze) an.

Vorab sei angemerkt, dass das Gesetz nicht alle Nachteile der staatlichen Gerichtsbarkeit gegenüber den Schiedsgerichten beseitigt. So ist z. B. das strenge deutsche AGB-Recht, das in staatlichen Verfahren anders als in Schiedsverfahren als zwingendes Recht zur Anwendung kommt, ein bekanntes Hemmnis für Verfahren in Deutschland. Auch die fehlende Vollstreckbarkeit in vielen Staaten der Welt ist ein Nachteil gegenüber Schiedsverfahren.

Nichtsdestotrotz ist das Justizstandort-Stärkungsgesetz ein ordentlicher Schritt auf dem Weg, die deutsche Gerichtsbarkeit für grenzüberschreitende Streitigkeiten attraktiv zu machen. Mindestens die folgenden Vorteile beinhalten die Änderungen:

Vorteil 1: Freiwilligkeit

Die Zuständigkeit der Commercial Courts liegt in der Hand der Parteien. Sie entscheiden durch eine Vereinbarung (bspw. in Rahmenverträgen) darüber, ob ihre Streitigkeit vor dem Commercial Court verhandelt wird (§ 610 Abs. 2 S. 2 ZPO n. F.). Damit funktionieren die Commercial Courts anders als die bekannten Kammern für Handelssachen („KfH“), gegen deren Zuständigkeit sich die eine Partei nicht wehren kann, wenn die jeweils andere Partei die Verweisung an die KfH beantragt (§§ 96 Abs. 1 GVG, 98 Abs. 1 S. 1 GVG). Die Zuständigkeit des Commercial Courts liegt also vollständig in der Hand der Streitparteien.

Vorteil 2: Instanzenverkürzung

Die Commercial Courts sind als Spruchkörper bei den Oberlandesgerichten angesiedelt . Dadurch verkürzt sich der Instanzenzug, denn üblicherweise ist für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten ansonsten das Landgericht Eingangsinstanz, gegen dessen Urteile die Berufung zum Oberlandesgericht und dann die Revision zum BGH statthaft ist. Das ist bei den Commercial Courts anders, es findet nur die Berufung zum BGH statt, die allerdings auch ohne ausdrückliche Zulassung statthaft ist (§ 614 ZPO n. F.).

Vorteil 3: Expertise und Beschleunigung durch Spezialisierung

Die Zuständigkeit der Commercial Courts ist beschränkt auf Streitigkeiten zwischen Unternehmern und solche, an denen Verbraucher beteiligt sind, wie z. B. Post-M&A-Verfahren (§ 119b Abs. 1 GVG n. F.). Hierunter fällt auch die gesamte „Commercial Litigation“, also Streitigkeiten über Lieferungen, Mindestabnahmen, Gewährleistungen, Ausgleichsansprüche und Schadenersatz.

Mit dieser Spezialisierung ist zwangsläufig auch die Konzentrierung von Expertise verbunden, zumal die Zuständigkeit auf Verfahrenswerte von über EUR 500.000,00 eingeengt wird. Die Streitwertgrenze könnte auch dafür sorgen, dass die Fallzahlen an den Commercial Courts so begrenzt sind, dass die Spruchkörper nicht überlastet werden. Während solche Prognosen sicherlich angreifbar sind, sind in Zusammenwirkung mit anderen Aspekten des Gesetzes qualitativ bessere und schnellere Entscheidungen zumindest plausibel erwartbar.

Vorteil 4: Effizientere Verfahren

Die Verfahren dürften auch effizienter werden, als es es derzeit bei Verfahren vor den Kammern für Handelssachen an den Landgerichten der Fall ist. Dazu dürfte insbesondere die Case-Management-Konferenz führen, die aus Schiedsverfahren bereits bekannt ist. In § 612 ZPO n. F. ist sie als „Organisationstermin“ benannt und ermöglicht den Parteien, das Verfahren ressourcenschonend und effizent zu gestalten.

Vorteil 5: Verhandlungssprache Englisch

Ein ganz wesentlicher Punkt ist die Einführung englischsprachiger Verfahren durch das Justizstandort-Stärkungsgesetz (§ 606 f. ZPO). Das dürfte die Akzeptanz einer Gerichtsstandsklausel zugunsten deutscher Gerichte im internationalen Handel deutlich stärken.

Vorteil 6: Wortprotokolle

Die ZPO sieht zwar aktuell in § 160 ZPO ein Verhandlungsprotokoll vor, das umfasst aber laut Abs. 2 der Vorschrift nur „wesentliche Vorgänge der Verhandlung“. Die umfangreiche Verhandlung wird nicht selten abgekürzt mit „Der Rechts- und Streitstand wurde erörtert.“, was für die professionelle Nachbereitung eines Termins wenig nützlich ist. § 613 ZPO n. F. sieht nun vor, dass die Parteien übereinstimmend ein vollständiges Wortprotokoll beantragen können.

Vorteil 7: Geheimhaltung

Vertraulichkeit ist ein wesentliches Argument für Schiedsvereinbarungen, das durch § 273a ZPO n. F. in der Abwägung mit Vereinbarungen zugunsten der Commercial Courts etwas entkräftet wird. Denn die Commercial Courts können nach dieser neuen Vorschrift bestimmte Inhalte des Verfahrens als geheimhaltungsbedürftig einstufen. Die Vorschrift verweist hinsichtlich der Folgen einer solchen Einstufung auf die §§ 16 bis 20 des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes, die u. a. Verstöße hiergegen als Ordnungswidrigkeit einstufen und dem Commercial Court weitere Mittel zur Wahrung der Informationen an die Hand geben.

Vorteil 8: Kosten

Nicht zuletzt sind die Kosten ein Vorteil, denn Verfahren vor den Commercial Courts sind verglichen mit Schiedsverfahren günstig. Die Kosten für die Verfahren vor den Commercial Courts richten sich nach den allgemeinen Regeln, es fallen also keine weiteren Kosten für die Verfahren an. Im Gegenteil: Durch die englischsprachigen Verfahren können sogar Übersetzungskosten entfallen. Ein Verfahren vor dem Commercial Court kostet bei einem Streitwert von einer Millionen Euro EUR 17.643,00 (umsatzsteuerfrei), in einem DIS-Verfahren dagegen EUR 35.785,00 (netto).

Das Justizstandort-Stärkungsgesetz beseitigt sicherlich nicht alle Nachteile staatlicher Gerichtsverfahren gegenüber Schiedsverfahren. Es schafft allerdings mit den Commercial Courts, die in englischer Sprache verhandeln können, eine gute Alternative zu Schiedsverfahren.