Urlaub ohne Ende? Acht To Dos für Arbeitgeber beim Thema Vertrauensurlaub.

 Mehr Flexibilität und Freiheit bei der Gestaltung des Urlaubs erfordert viel Sorgfalt im Arbeitsvertrag.

Urlaub ohne Ende? Acht To Dos für Arbeitgeber beim Thema Vertrauensurlaub.

New Work hält Einzug in immer mehr Unternehmen. Damit verbunden sind größere Flexibilität und Freiheit für die Beschäftigten. Vor diesem Hintergrund diskutiert HR auch über das Konzept Vertrauensurlaub. Wir beleuchten die Chancen und zeigen, wie Arbeitgeber Risiken minimieren können.

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Nicht nur, weil die digitale und grüne Transformation mehr Agilität der Unternehmen erfordern sowie Jobprofile und Anforderungen an die Qualifikation verändern. Zugleich wünschen sich Beschäftigte von ihrem Arbeitgeber mehr Eigenverantwortung, Freiheit, Vertrauen und Wertschätzung. Die Sommerferien stehen vor der Tur und wer träumt nicht von mehr Freiraum bei der Urlaubsgestaltung, wenn er unter Palmen am Meer oder auf Berggipfeln an den Arbeitsalltag in der Heimat denkt? Vor kurzem noch undenkbar, rückt in Zeiten des Kampfs um Talente auch das Konzept Vertrauensurlaub in den Fokus von HR, das etwa in der Startup-Szene bereits vorgelebt wird. Welche Risiken im Arbeitsrecht gilt es im Blick zu behalten?

Gesetzlich nicht definiert

Eine gesetzliche Definition von Vertrauensurlaub gibt es nicht. Üblicherweise ist darunter zu verstehen, dass die Beschäftigten selbst bestimmen, wann und wie lange sie bezahlten Urlaub nehmen wollen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Arbeit getan und die vereinbarten Ziele erreicht werden. Der Arbeitgeber erbringt somit zweifellos einen Beweis seines Vertrauens und seiner Wertschätzung auf Augenhöhe. Bestenfalls spart er sogar administrativen Aufwand für Anträge, Genehmigung und vorausgehende Abstimmung im Team.

Auf die Vertragsgestaltung kommt es an

Damit verbunden sind aber auch Risiken. So kann es zu Konflikten innerhalb der Belegschaft kommen, etwa wenn ein Kollege schlecht organisiert ist und nicht sicherstellt, dass die Arbeit während seiner Abwesenheit erledigt wird. Oder wenn er sich nicht ausreichend über die Urlaubstage mit den Teammitgliedern abstimmt. Unter Umständen nimmt ein Mitarbeiter auch zu wenig Urlaub und fehlt dann irgendwann sehr lange, etwa wegen eines Burn-outs. Zudem können bei einem Ausscheiden des Mitarbeiters hohe Urlaubsabgeltungsforderungen drohen. Um vorzubeugen und dem Konzept des Vertrauensurlaubs zum Erfolg zu verhelfen, müssen Personalverantwortliche viel Sorgfalt auf die Gestaltung im Arbeitsvertrag verwenden:

  1. Mindesturlaub als Minimum vereinbaren
    Unbedingt ratsam ist, zwischen Mindesturlaub und Mehrurlaub zu differenzieren. Wie bereits berichtet, stehen Arbeitnehmern nach § 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) mindestens 20 Urlaubstage bei der in Deutschland üblichen Fünf-Tage-Woche zu. Damit der gesetzliche Mindesturlaub eingehalten wird, sollte die Vereinbarung klarstellen, dass die genommenen freien Tage zunächst auf den gesetzlichen Mindesturlaub angerechnet werden. Wichtig ist dabei die Dokumentation der freien Tage. Der Arbeitgeber kann diese auf die Beschäftigten delegieren, sollte aber zumindest Stichproben zur Kontrolle durchführen.
  2. Verfall regeln
    Arbeitnehmer*innen müssen bis zum Jahresende ihren (Mindest-)Urlaub nehmen, ansonsten droht laut Bundesurlaubsgesetz dessen Verfall. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfolgt dies nicht automatisch, sondern Arbeitgeber*innen müssen darauf hinweisen, dass der Verfall des Urlaubs droht (C-619/16 und C-684/16). Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser Auffassung in einem Grundsatzurteil angeschlossen. Diese Hinweispflicht besteht aber nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, ihr sollte auf jeden Fall nachgekommen werden, um ein Ansparen von Mindesturlaubsansprüchen zu vermeiden. Um entsprechende Pflichten für den Vertrauensmehrurlaub zu vermeiden, gilt es vertraglich klarzustellen, dass der Mehrurlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt. Und zwar selbst dann, wenn das Unternehmen den Mitarbeiter darauf nicht hinweist und ihn auch nicht auffordert, den Urlaub in Anspruch zu nehmen.
  3. Vorsorge treffen für Kündigung und offene Urlaubsansprüche
    Ab Ausspruch einer Kündigung ist Vertrauensurlaub vertraglich auszuschließen. Ansonsten droht die Gefahr, dass sich Arbeitnehmer*innen innerhalb der Kündigungsfrist einseitig freistellen und eine ordnungsgemäße Übergabe gefährden. Konfliktpotenzial birgt auch die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, wenn das Arbeitsverhätnis beendet wird. Sofern keine gesetzliche Tarifbindung dem entgegensteht, sollte deshalb vertraglich geregelt werden, dass der Vertrauenmehrsurlaub vollkommen von der Abgeltung von Urlaubsansprüchen ausgenommen ist. Dies gilt umso mehr, als nach den Schlussanträgen des Generalanwalts zu befürchten ist, dass der Europäische Gerichtshof die Hinweisobliegenheiten für die Inanspruchnahme von Urlaub auch für die Verjährung gelten lässt. Bei längerer Betriebszugehörigkeit könnten ansonsten Abgeltungsansprüche in erheblicher Höhe auflaufen.
  4. Schranken definieren
    Zwar gehört es zum Wesen des Vertrauensurlaubs, dass der Arbeitnehmer frei entscheidet, wann er wie lange Urlaub nimmt. Ratsam ist aber ein Vorbehalt, dass der Arbeigeber abweichende Vorgaben machen kann, wenn der ordnungsgemäße Betriebsablauf bedroht ist. Alternativ lassen sich Höchstgrenzen für bestimmte Urlaubszeiträume wie Sommerferien oder eine Mindestbesetzung von Beschäftigten definieren. Denkbar ist auch, ab einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen einen Genehmigungsvorbehalt durch das Unternehmen einzuziehen.
  5. Ausschluss während Probezeit, nach Krankheit und Elternzeit
    Vor Ablauf der Probezeit sollte kein Vertrauensurlaub gewährt werden. Zudem ist eine Regelung für Krankheit ratsam. Ansonsten könnten Beschäftigte nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit unmittelbar im Anschluss Urlaub nehmen, obwohl sie noch arbeitsunfähig sind. Im Gegensatz zu einer weiteren Krankschreibung und Anspruch auf Krankengeld könnten sie sich dadurch eine unbegrenzte Entgeltfortzahlung sichern. So kann es auch sinnvoll sein, Vertrauensurlaub im Anschluss an Beschäftigungsverbote nach Mutterschutzgesetz oder eine Elternzeit auszuschließen.
  6. Mit variabler Vergütung verknüpfen
    Die variable Vergütung bietet Gestaltungsmöglichkeiten, um sicherzustellen, dass sich die Zahl der Urlaubstage auch ohne Höchstgrenze in einem angemessenen Umfang bewegt und die Unternehmensziele erreicht werden. Zwar müssen gemäß § 315 Abs. 1 BGB die Ziele für den Beschäftigten auch erreichbar sein, mit denen die variable Vergütung verknüpft ist. Dem steht aber nicht entgegen, wenn die Ziele des Unternehmens nicht oder nur schwer erlangt werden können, sofern der Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen überschreitet. Allerdings ist die Wirkung als Incentive unter diesen Voraussetzungen schwächer. Nicht zu vergessen ist jedenfalls gemäß §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB der Hinweis: Die Inanspruchnahme von Vertrauensurlaub kann zur Folge haben, dass Ziele nicht oder nicht in vollem Umfang erreicht werden.
  7. Widerruf vorbehalten
    Startup-Szene und Tech-Unternehmen haben oft gute Erfahrungen mit der größeren Freiheit und Flexbilität beim Thema Urlaub gemacht. In der Regel führt das Konzept nicht dazu, dass Beschäftigte kaum noch arbeiten und stattdessen dem Müßiggang frönen. Da ein Missbrauch aber grundsätzlich nicht auszuschließen ist, erscheint es ratsam, die Einführung von Vertrauensurlaub zu befristen. Alternativ lässt sich ein Widerrufsvorbehalt vereinbaren, wobei dieser für den Arbeitnehmer zumutbar sein muss und nach § 308 Nr. 4 BGB die Gründe für den Widerruf ausdrücklich zu regeln sind.
  8. Betriebsrat einbinden
    Arbeitgebende entscheiden frei, ob sie Vertrauensurlaub einführen oder nicht. Sofern allerdings wie oben beeschrieben Regeln zur Inanspruchnahme getroffen werden, ist dies gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG als Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätz zu werten und der Betriebsrat bestimmt mit.

Werden die Weichen im Arbeitsvertrag richtig gestellt, können auch Arbeitgeber von Vertrauensurlaub profitieren. Denn sie steigern vor allem im Kampf um junge Talente ihre Attraktivität und die Motivation der Mitarbeiter. Im besten Fall lässt sich auch administrativer Aufwand einsparen. Allerdings eignen sich weder alle Berufe noch jeder Beschäftigte für eine autonome Urlaubsgestaltung. Bei Teams, die in einander greifen, stößt das Modell schnell an Grenzen. Auch kann es den Betriebsfrieden stören, wenn Einzelne 50 Tage Urlaub nehmen und andere gerade den Mindesturlaub. Mit Blick auf die Interessen des Arbeitgebers scheint Vertrauensurlaub vor allem ein Konzept für Jobs zu sein, bei denen sich über die variable Vergütung sicherstellen lässt, dass die Ziele des Unternehmens erreicht werden.