Selbstständige Tätigkeit von Honorarnotärzten vor dem Aus?

Selbstständige Tätigkeit von Honorarnotärzten vor dem Aus?

Vielerorts wird die notärztliche Versorgung ganz oder teilweise über Honorarnotärzte sichergestellt. Nach dem Willen der Beteiligten sollen diese Ärzte hierbei selbstständig und damit sozialversicherungs- und lohnsteuerfrei tätig werden.
Die Frage, ob jemand als Selbstständiger oder abhängig Beschäftigter zu qualifizieren ist, bestimmt sich jedoch nicht nur anhand des Willens der Beteiligten, sondern anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles.
Maßgeblich für die Frage der Selbstständigkeit ist, dass keine abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt. Eine abhängige Beschäftigung liegt vor, wenn eine Tätigkeit nach Weisungen erfolgt und der Betroffene in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingebunden ist.

Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die Tätigkeit als Notarzt von der Rechtsprechung als Dienst höherer Art eingestuft wird. Solche Tätigkeiten zeichnen sich wiederum durch eine erhöhte Eigenverantwortung und eine inhaltliche Entscheidungsfreiheit aus, sodass rein faktisch kaum Raum für eine Weisungsgebundenheit besteht. Die insoweit bestehende fachliche Weisungsfreiheit führt für sich genommen jedoch nicht dazu, dass einfach von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen werden könnte. In diesen Fällen kommt es für die Frage der abhängigen Beschäftigung vielmehr darauf an, ob der betroffene Notarzt in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers und damit in den Betrieb Rettungsdienst eingegliedert ist oder nicht.
Unter welchen Voraussetzungen für einen Notarzt von einer Eingliederung in den Betrieb Rettungsdienst auszugehen ist, wurde nicht nur von Sozialgerichten in den einzelnen Bundesländern, sondern auch von den verschiedenen Senaten ein und desselben Sozialgerichts, höchst unterschiedlich beurteilt, sodass eine entsprechende Rechtsunsicherheit bestand.

Diese Rechtsunsicherheit scheint sich durch zwei neue Entscheidungen von Landessozialgerichten und einer des Bundessozialgerichts aufzulösen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.09.2020 – L 5 BA 51/18; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.10.2020 – L 4 BA 732/19; BSG, Urt. v. 04.06.2019 – B 12 R 11/18 R).
Schließt man sich der dortigen Rechtsansicht an, dann dürfte die Tätigkeit eines Notarztes nicht mehr selbstständig, sondern grundsätzlich nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung möglich sein. Denn sowohl das LSG Baden-Württemberg als auch das LSG Schleswig-Holstein stellen für die Begründung der Sozialversicherungspflicht maßgeblich auf die sich aus dem Landesrettungsdienstgesetz ergebenden regulatorischen Rahmenbedingungen für den Notarzteinsatz ab. Da diese regulatorischen Rahmenbedingungen in allen Bundesländern ähnlich, wenn nicht sogar identisch sind, sind die genannten Entscheidungen auch auf diese übertragbar, sodass letztlich davon auszugehen ist, dass im Zweifel jeder Notarzt als abhängig Beschäftigter zu qualifizieren ist.
Für beide Landessozialgerichte war für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ausschlaggebend, dass der Träger des Rettungsdienstes nach den Vorgaben des Rettungsdienstgesetzes verpflichtet sei,

  • die technischen, baulichen und sonstigen stationären Anlagen wie Rettungswache, Leitstelle und Alarmierung,
  • die sächliche Ausstattung in Form von Rettungsmitteln und
  • die personelle Ausstattung mit rettungsdienstlichem Fachpersonal

zu stellen. In dieser vom Träger zu stellenden Umgebung nehme der Notarzt seine Tätigkeit nach Weisung der Leitstelle in arbeitsteiliger Zusammenarbeit mit den anderen am Einsatz beteiligten Mitarbeitern des Trägers wahr. Dies bewirke wiederum eine Eingliederung des Notarztes in den Betrieb des Trägers. Der vom Notarzt erbrachte Dienst entspreche damit dem Betriebszweck des Trägers, sodass von einer abhängigen Beschäftigung des Notarztes auszugehen sei.
Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis des LSG Schleswig-Holstein auf § 23 c Abs. 2 SGB IV. Denn das Gericht stellt insoweit klar, dass sich durch die Neuregelung des § 23 c Abs. 2 SGB IV, nach welcher die Einnahmen aus Tätigkeiten als Notarzt im Rettungsdienst ggf. nicht beitragspflichtig sind, keine Auswirkungen auf die statusrechtliche Einordnung des Notarztes ergeben. Denn § 23 c Abs. 2 SGB IV besagt lediglich, dass die vom Notarzt erwirtschafteten Einnahmen nicht der Beitragspflicht unterliegen. Ob dieser selbstständig oder als abhängig Beschäftigter im Sinne von § 7 SGB IV tätig wird, gibt § 23 c Abs. 2 SGB IV nicht vor, sodass es für den sozialversicherungsrechtlichen Status weiterhin auf die Einordnung im Betrieb Rettungsdienst ankommt.
Festzuhalten ist somit, dass im Zweifel schon die landesrechtlichen Vorgaben zur Organisationsstruktur des öffentlichen Rettungsdienstes dazu führen, dass der Notarzt in den Betrieb des Trägers eingegliedert ist und damit als abhängig Beschäftigter einzuordnen ist. Da der Sicherstellungsauftrag die Träger bundesweit zur Schaffung der rettungsdienstlichen Strukturen in organisatorischer, personeller und sächlicher Hinsicht verpflichtet, kann die Rechtsprechung der beiden LSG grundsätzlich auf alle anderen Bundesländer übertragen werden. Diese statusrechtliche Einordnung ist von der Frage zu trennen, ob die Einnahmen des Notarztes von der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen befreit sind. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn die Voraussetzungen nach § 23 c Abs. 2 SGB IV erfüllt sind.

Fazit:

Für die Praxis ist davon auszugehen, dass die zum Einsatz kommenden Honorarnotärzte bundesweit als abhängig Beschäftigte einzuordnen sind. Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit unterliegen wegen § 23 c Abs. 2 SGB IV ggf. nicht der Beitragspflicht. Aus der Beitragsfreiheit zur Sozialversicherung folgt aber nicht, dass auch andere, für Arbeitnehmer geltende Vorgaben außer Acht gelassen werden könnten. So gelten für den abhängig beschäftigten Notarzt in jedem Fall die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes und damit grundsätzlich eine regelmäßige wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Darüber hinaus kann für die Einnahmen aus der notärztlichen Tätigkeit auch eine Lohnsteuerpflicht bestehen.

Informiert bleiben