Freiberuflich tätige Betriebsärzte – Scheinselbstständige oder Selbstständige – Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durch die deutsche Rentenversicherung

Freiberuflich tätige Betriebsärzte - Scheinselbstständige oder Selbstständige - Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durch die deutsche Rentenversicherung

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV)) hat anlässlich einer Betriebsprüfung eines größeren Betriebsarztzentrums sozialversicherungsrechtliche Beurteilungen im Sinne des § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durchgeführt. Im Fokus dort waren die als Betriebsärzte im Prüfzeitraum tätig gewesenen Honorarärzte. Sie betreuten betriebsärztlich hauptsächlich Firmenkunden des Betriebsarztzentrums in ihren Unternehmen. Die DRV hat abschließend mit Bescheid vom 04.03.2024 festgestellt, dass die tätig gewesenen Betriebsärzte ihre Tätigkeiten selbstständig ausgeübt haben.

Betriebsärzte abhängig beschäftigt?

Zunächst kam die DRV in ihrer Anhörungsmitteilung zu einem anderen Ergebnis ihrer sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. In diesem stellte sie fest, dass die im Prüfzeitraum tätig gewesenen Betriebsärzte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung stehen würden. Im Zuge der Anhörung konnten die von der DRV zu Unrecht festgestellten Merkmale der abhängigen Beschäftigung aber widerlegt werden. In der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung maßgeblichen Tatsachen gelangte die DRV abschließend zum Ergebnis, dass die Merkmale für selbstständige Tätigkeiten überwiegen. So stellte die DRV fest, dass die Betriebsärzte bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen durch das Betriebsarztzentrum unterlagen. Zudem waren sie an keine Vorgabe von Arbeitszeiten gebunden gewesen. Auch war es ihnen möglich, Aufträge des Betriebsarztzentrums abzulehnen. Darüber hinaus hat eine enge Zusammenarbeit mit den Angestellten des Betriebsarztzentrums nicht stattgefunden. Auch haben sich die Arbeiten der Betriebsärzte deutlich von den Tätigkeiten der angestellten Betriebsärzte unterschieden. Sie trugen, wenn auch nur ein geringes, Unternehmerrisiko. Schlussendlich haben die Vertragsparteien auch eine freie Tätigkeit gewollt.

Besonderheiten der Tätigkeit von Betriebsärzten

Die Tätigkeiten von Betriebsärzten weisen Besonderheiten auf. Sie sind mit den Tätigkeiten von Honorarärzten in Krankenhäusern und/oder Arztpraxen nicht zu vergleichen.

Betriebsärzte

  • sorgen für die Sicherheit und Gesundheit von Mitarbeitenden,
  • sie ergreifen präventive Maßnahmen,
  • sie führen Gesundheitsuntersuchungen durch und
  • sind im Zuge der Gestaltung gesunder Arbeitsbedingungen beratend tätig.

Betriebsärzte führen die ihnen nach den gesetzlichen Vorgaben des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) obliegenden Aufgaben eigenverantwortlich und fachlich weisungsfrei aus. Ansonsten dürfen sie keine medizinischen Behandlungen durchführen, die nicht im Zusammenhang mit berufsbedingten Gesundheitsrisiken stehen. So hat das Bundessozialgericht (BSG) in einer älteren Entscheidung aus dem Jahre 1981 entschieden, dass eine Betriebsärztin, die für ein Unternehmen als freie Mitarbeiterin die Aufgaben einer Betriebsärztin für das dort beschäftigte Personal übernommen hatte, ihre Tätigkeit als Betriebsärztin selbstständig ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 09.12.1981, 12 RK 4/81, openJur 2019, 42157). In dieser Entscheidung hat das BSG für den Bereich betriebsärztlicher Tätigkeit hervorgehoben, dem Betriebsarzt müsse hinsichtlich Art, Umfang und Zeit der Durchführung seiner gesetzlich vorgesehenen Aufgaben eine ausreichende Dispositionsfreiheit gegeben werden. Andere weisungsgebundene Aufgaben dürfen ihm nicht übertragen werden.

So hat auch das LSG Baden-Württemberg in einem sehr vergleichbaren Sachverhalt entschieden. Hier wurde geurteilt, dass eine Betriebsärztin ihre Tätigkeit als freie Mitarbeiterin ausüben kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.02.2018, L 11 R 4499/16, openJur 2021, 28543); abweichend LSG Saarland, Urteil vom 30.03.2017, L 1 R 122/15).

Relevant ist stets der Einzelfall

Abzustellen ist für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeiten von freiberuflichen Betriebsärzten stets auf die Gesamtumstände des Einzelfalls. Daher ist es sehr ratsam, eine klare Abgrenzung in der vertraglichen Vereinbarung über die freie Mitarbeit eines Betriebsarztes unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben des ASiG vorzunehmen. Zudem muss das Vertragsverhältnis wie vereinbart umgesetzt und gelebt werden. Im Zweifelsfall sollte zur Rechtssicherheit vor Aufnahme der freiberuflichen Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung veranlasst werden. In diesem wird verbindlich festgestellt, ob der Betriebsarzt eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit ausübt.