1. Hintergrund des Rechtsstreits
Die Apothekerkammer Nordrhein („AKNR“) und der niederländische Betreiber der Apotheken-Plattform DocMorris streiten seit 2021 über die Zulässigkeit der Erhebung einer Grundgebühr für die Nutzung der Online-Plattform und einer umsatzbezogenen Transaktionsgebühr für eingelöste Rezepte.
a) Das DocMorris Geschäftsmodell
Mit Abschluss eines Partnervertrages können niedergelassene Apotheken und Versandapotheken auf der Online-Plattform apothekenpflichtige, aber nicht verschreibungspflichtige Produkte wie Kosmetika und Nahrungsergänzungsmittel verkaufen. Sie können außerdem das Einlösen von E-Rezepten anbieten und Patienten darüber auch rezeptpflichtige Arzneimittel erhalten. Für die Nutzung der Plattform erhebt DocMorris eine monatliche Grundgebühr von EUR 399. Weiterhin ist bei Einlösen eines E-Rezepts eine Transaktionsgebühr von 10% auf den Nettoverkaufspreis für nicht verschreibungspflichtige (aber apothekenpflichtige) Produkte zu zahlen.
b) Der Vorwurf: Verstoß gegen Apothekenrecht
AKNR ließ DocMorris im September 2021 mit der Begründung abmahnen, das Plattformmodell sei wegen Verstoßes gegen das in §11 Abs. 1a ApoG geregelte Verbot des Rezeptmakelns unzulässig. Außerdem stelle die Erhebung einer Transaktionsgebühr für die Einlösung von E-Rezepten für apothekenpflichtige Arzneimittel einen Verstoß gegen das in § 8 S.2 ApoG geregelte Fremdbesitzverbot dar, da DocMorris dadurch an Umsätzen der Apotheke mit rezeptfreien Arzneimitteln beteiligt werde.
c) Durch die Instanzen
DocMorris reagierte auf die Abmahnungen mit einer Feststellungsklage vor dem LG Karslruhe – und verlor: das LG Karlsruhe sah in der Erhebung der Grundgebühr und der umsatzbezogenen Transaktionsgebühr einen Verstoß gegen das Apothekenrecht. Es gab auch der Widerklage der AKNR statt, wonach diese berechtigt sei, derartige Verstöße wettbewerbsrechtlich untersagen zu lassen (LG Karlsruhe, 08.12.2022, 13 O 17/22 KfH).
Das OLG Karlsruhe änderte diese Entscheidung in der Berufungsinstanz zugunsten von DocMorris ab: das Bereitstellen einer digitalen Marktplatzinfrastruktur, bei der teilnehmende Apotheken gegen Zahlung einer monatlichen Grundgebühr auch E-Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen könnten, stehe nicht grundsätzlich dem Makelverbot des § 11 Abs. 1a ApoG entgegen. Die gemäß Partnerverträgen erhobene 10%ige Transaktionsgebühr sei aber unzulässig: die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur zum Vertrieb nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel stelle einen „sonst überlassenen Vermögenswert“ i.S.d. §8 S. 2 ApoG dar, der gegen eine umsatzabhängige Gebühr überlassen werde (OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.03.2024, 6 U 418/22). Beide Parteien gingen in Revision.
2. Die Entscheidung des BGH
a) Kein Verstoß gegen das Makelverbot
Der BGH bestätigte die Auffassung des OLG Karlsruhe, wonach mit dem Betrieb des Internetmarktplatzes kein Verstoß gegen das Makelverbot des §11 Abs. 1a ApoG vorliege. Die monatliche Grundgebühr in Höhe von 399 € werde nicht gerade für die Handlungen versprochen oder gewährt, in denen die AKNR ein „Weiterleiten“ oder „Vermitteln“ von elektronischen Verschreibungen sehe. Es fehle an dem erforderlichen schutzzweckrelevanten Zusammenhang zwischen den in § 11 Abs. 1a ApoG genannten Tathandlungen und dem versprochenen oder gewährten Vorteil („dafür“).
b) Keine Einschränkung der freien Apothekenwahl
Die freie Entscheidung der Kunden, von welcher Apotheke sie ein verschriebenes Medikament beziehen möchten, sei durch das Marktplatzmodell nicht beeinträchtigt: die Kunden könnten selbst darüber bestimmen, anhand welcher Parameter sie eine Apotheke auswählten. Ihnen werde lediglich ein zusätzlicher Weg für die Einlösung von elektronischen Rezepten eingeräumt.
c) Keine Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung
Auch eine von AKNR behauptete Gefährdung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch wohnortnahe Apotheken konnte der BGH nicht erkennen: DocMorris biete die Nutzung ihres Marktplatzes für eine umsatzunabhängige monatliche Nutzungsgebühr an. Bereits dies spreche dagegen, dass das Entgelt gerade für die Vermittlung des E-Rezepts gezahlt werde.
d) Illegale Beteiligung durch Transaktionsgebühr?
DocMorris drang schließlich mit seiner Revision durch, soweit mit dieser die Verurteilung zur Unterlassung der Erhebung der Transaktionsgebühr angegriffen wurde: eine Vergütung, die sich – wie im Falle der Transaktionsgebühr – am Umsatz oder am Gewinn einzelner Geschäfte ausrichtet, könne nur dann als im Sinne von § 8 Satz 2 ApoG am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet angesehen werden, wenn diese zu einem wesentlichen Teil auf den auf diese Weise getätigten Geschäften beruhen. Es müssten konkrete Feststellungen dazu getroffen werden, dass die Vertragsgestaltung geeignet ist, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der teilnehmenden Apotheken zu gefährden. Die Sache wurde insoweit mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Am Beispiel einzelner Geschäftspraktiken von Online-Plattformen wie DocMorris lässt sich eine Grenzverschiebung durch die Gerichte auch in der hochregulierten Branche des Arzneimittelverkaufs feststellen: was gestern zwar technisch möglich, aber rechtlich unzulässig war, ist es heute in Anbetracht der Würdigung sämtlicher jetzt geltender Umstände nicht mehr.
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