Krankheitsbedingte Kündigung = personenbedingte Kündigung
Gilt in einem Unternehmen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), sind Kündigungen nur möglich, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, die Kündigung also
- betrieblich veranlasst ist (betriebsbedingte Kündigung),
- ihren Ursprung im Verhalten eines Mitarbeiters hat (verhaltensbedingte Kündigung) oder
- aus Gründen in der Person resultiert (personenbedingte Kündigung).
Geht es um „krankheitsbedingte Kündigung“, geht es um eine personenbedingte Kündigung, weil die Krankheit nicht willentlich vom Arbeitnehmer steuerbar ist, anders als z. B. bei einem Fehlverhalten.
3-Stufen-Prüfung bei krankheitsbedingter Kündigung
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist allerdings nur rechtmäßig, wenn sie sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Verschiedene Fallgestaltungen sind zu unterscheiden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Kündigung im Falle einer Langzeiterkrankung sozial gerechtfertigt, wenn
- eine negative Prognose für die Genesung besteht, die Krankheit voraussichtlich mehr als 24 Monate andauert,
- es wegen der negativen Prognose zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen kommt und
- eine Interessenabwägung ergibt, dass diese Beeinträchtigung für den Arbeitgeber nicht hinnehmbar ist.
Längerfristig psychisch erkrankt
Um eine solche krankheitsbedingte Kündigung ging es in einem Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG Schleswig Holstein, Urteil v. 10.01.2024, Az.: 3 Sa 74/23). Eine Bilanzbuchhalterin erkrankte nach relativ kurzer Anstellungsdauer im Herbst 2021 mehrfach kurz wegen psychischer Probleme, ab Dezember 2021 dauerhaft. Im Sommer und Herbst 2022 bot ihr der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) an, das sie mit Hinweis auf ihre anhaltende Erkrankung ablehnte.
Krankheitsbedingte Kündigung & Kündigungsschutzklage
Der Arbeitgeber sprach deswegen eine krankheitsbedingte personenbedingte Kündigung aus. Den Betriebsrat hatte man angehört, die notwendige Zustimmung eingeholt. Allerdings war dem Betriebsrat im Anhörungsschreiben nur mitgeteilt worden, dass die Krankheit der Kollegin eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung wäre, da ihre Aufgaben nicht dauerhaft intern kompensierbar seien.
Erst vor Gericht erklärte der Arbeitgeber, dass eine befristete Neubesetzung der Stelle als Überbrückung der Ausfallzeit wegen der aktuellen Arbeitsmarktsituation und konkreter Stelleninhalte unmöglich sei.
Kündigung nicht sozial gerechtfertigt
Die Mitarbeiterin bekam vor dem LAG recht. Das Gericht hielt die Kündigung aus zwei Gründen für unwirksam:
- Die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Der Arbeitgeber habe nicht ausreichend dargelegt, warum die betriebliche Beeinträchtigung nicht zu verhindern war, indem die Stelle auf zwei Jahre befristet neu besetzt wird. Es sei zwar vorstellbar, dass es für Arbeitgeber unmöglich oder unzumutbar sei, eine wegen Krankheit „verwaiste“ Stelle befristet zu besetzen. Das hätte der Arbeitgeber aber konkret vortragen müssen, z. B. dass der Versuch, die Stelle befristet zu besetzen, erfolglos bzw. warum eine befristete Besetzung wegen der Stellenanforderung nicht möglich war.
- Die Anhörung des Betriebsrates war nicht ordnungsgemäß verlaufen (§ 102 Abs 1 S 3 BetrVG) und damit unwirksam. Der Arbeitgeber hätte dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung genauer die Gründe mitteilen müssen, warum nur eine dauerhafte interne Neubesetzung den betrieblichen Belangen gerecht werde. Nur dann hätte sich der Betriebsrat eine zutreffende Meinung zur krankheitsbedingten Kündigung machen können.
Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Eine krankheitsbedingte Kündigung ist als personenbedingte Kündigung möglich, wenn sie sozial gerechtfertigt ist.
- Geht es um die „erhebliche betriebliche Beeinträchtigung“, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung Alternativen zur Kündigung geprüft haben.
- Eine Betriebsratsanhörung muss auch enthalten, warum eine Stelle während einer Langzeiterkrankung nicht befristet besetzt werden kann.