Arbeitsrecht während der Pandemie
Während der Corona-Pandemie standen Arbeitgeber vor enormen Herausforderungen und mussten arbeitsrechtliche Maßnahmen treffen, für die es schlichtweg keine Blaupause gab.
Eine Herausforderung: der Umgang mit Mitarbeitern, die einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterlagen, eine Impfung jedoch verweigerten.
Bundesarbeitsgericht klärt wichtige Fragen
Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) geklärt, welche Maßnahmen Arbeitgeber in einer solchen Situation treffen durften. Dabei ging es um
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall während der Freistellung, eine Abmahnung wegen Impfverweigerung (BAG, Urteil v. 19.06.2024, Az.: 5 AZR 192/23)
und - die Frage, ob Urlaubsansprüche wegen der Freistellung aufgrund der Impfverweigerung gekürzt werden durften (BAG, Urteil v. 19.06.2024, Az.: 5 AZR 167/23).
Ungeimpft im Seniorenheim
Vor dem BAG klagten zwei Angestellte eines Seniorenheims. Trotz einer damals bestehenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht (§ 20a Abs. 1 IfSG a.F.) wollten diese beiden sich nicht impfen lassen. Genesen waren sie nicht, und auch eine Unverträglichkeit gegen den Impfstoff war nicht nachgewiesen.
Der Arbeitgeber sah sich gezwungen, die ungeimpften Mitarbeiterinnen von ihrer Arbeitspflicht freizustellen und mahnte sie wegen der verweigerten Impfung ab.
Entgeltfortzahlung nein, Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte: ja!
Eine Mitarbeiterin forderte vom Arbeitgeber gerichtlich, die Abmahnung wegen der verweigerten Impfung aus der Personalakte zu entfernen. Außerdem forderte sie Entgeltfortzahlung, da sie während der Freistellung arbeitsunfähig erkrankte, aber keine Entgeltfortzahlung erhielt.
In letzter Instanz vor dem BAG scheiterte die Mitarbeiterin hinsichtlich der geforderten Entgeltfortzahlung. Da die Frau während der Freistellung erkrankte, war die Erkrankung nicht allein ursächlich dafür, dass sie nicht arbeitete. Auch ohne Erkrankung hätte sie keinen Anspruch auf Vergütung gehabt, weil sie außerstande war, im Streitzeitraum die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Die Folge: keine Entgeltfortzahlung – auch weil die Freistellung aus damaliger Sicht rechtens war.
Anders urteilte das BAG zur geforderten Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte: Der Arbeitgeber musste die Abmahnung aus der Personalakte entfernen. Denn eine Abmahnung verfolge das Ziel, Arbeitnehmer u. a. auf Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten hinzuweisen. Die Weigerung sich impfen zu lassen sei allerdings schlichtweg keine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht, sondern vielmehr eine höchstpersönliche Entscheidung und vom Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) gedeckt.
Und die Urlaubsansprüche?
Die zweite Mitarbeiterin wollte gerichtlich geklärt wissen, ob ihr Arbeitgeber ihren Urlaubsanspruch wegen der Freistellung kürzen durfte.
Ja, urteilte das BAG. Der Umfang des Urlaubsanspruchs der Mitarbeiterin sei unter Berücksichtigung der Zeit ihrer Freistellung wegen Nichterfüllung der beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung nach § 20a IfSG a. F. neu zu berechnen und mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen.
Diese Freistellung war aufgrund ihrer Besonderheiten nicht mit einer allein vom Arbeitgeber getroffenen Entscheidung vergleichbar, wie z. B. bei einer Freistellung nach einer ausgesprochenen Kündigung während der Kündigungsfrist. Vorliegend hätte die Mitarbeiterin schließlich die Möglichkeit gehabt, bei Erfüllen der gesetzlichen Anforderungen ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen und damit einer Kürzung des Urlaubsanspruchs zu entgehen.
Was wir für Sie tun können
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Das Wichtigste kurz zusammengefasst:
- Personen, die einer einrichtungsbezogenen Impfflicht unterlagen, durften während der Corona-Pandemie 2022 freigestellt werden.
- Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entstand während einer solchen Freistellung nicht.
- Arbeitgeber durften den Urlaubsanspruch entsprechend der Zeit der Freistellung anteilig kürzen.
- Eine Abmahnung wegen der Impfverweigerung war nicht rechtmäßig.