Vor der pandemiebedingten Homeofficepflicht war es für die meisten Angestellten kaum vorstellbar, dass sie ihren Arbeitsplatz einmal in sonnigere Gefilde verlagern können und dafür nicht einmal den Job wechseln müssen. Infolge von Corona, Digitalisierung und Fachkräftemangel tun sich nun ungeahnte Möglichkeiten auf. Doch für HR Manager bedeutet dies zunächst einmal Mehrarbeit, um rechtliche und steuerliche Risiken für den Arbeitgeber zu minimieren.
1. Welches Arbeitsrecht gilt?
Arbeiten Angestellte vorübergehend im Ausland, gilt weiterhin das deutsche Arbeitsrecht und die dort geregelten Ansprüche auf Urlaub, Elternzeit, Arbeitszeit oder Kündigungsschutz. Wie lange als vorübergehend gilt, ist nicht klar definiert. Sinnvoll ist deshalb eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag mit einer Rechtswahlklausel, dass weiterhin deutsches Recht gelten soll. Doch Vorsicht: Dauert die Tätigkeit mehrere Monate, kann sich der gewöhnliche Arbeitsort ins Ausland verlagern. Trotz einer solchen Rechtswahlklausel gelten dann gemäß der Rom I-Verordnung punktuell die Vorschriften des Aufenthaltsortes, sofern diese für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vorteihafter sind als die deutschen Vorschriften: etwa bei Mindestlohn, Zuschlägen für Überstunden, Höchstarbeitszeit, Mutterschutz oder Urlaub. Beim Arbeitsschutz gelten infolge des Territorialprinzips in jedem Fall die Regeln vor Ort. Folglich müssen Personalverantwortliche im Einzelfall prüfen lassen, welche Vorschriften im Ausland konkret für den Remote Worker anzuwenden sind.
2. Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis: Außerhalb EU drohen Strafen
Besonderes Augenmerk gilt der Prüfung, ob eine Aufenthalts- und/oder Arbeitserlaubnis am Wunsch-Arbeitsort notwendig ist. Ansonsten drohen Bußgelder. EU-Bürger können innerhalb eines anderen EU-Mitgliedsstaates ohne besondere Erlaubnis arbeiten. In Island, Liechtenstein und Norwegen ist ein Aufenthalt bis zu drei Monate erlaubnisfrei möglich, da diese Länder zum Europäischen Wirtschaftsraum zählen, auch wenn sie nicht EU-Mitglied sind. Wollen Beschäftigte länger in diesen Staaten oder in Nicht-EU-Staaten arbeiten, ist das jeweilige nationale Aufenthaltsrecht zu beachten. Für die Schweiz gelten zum Beispiel Ausnahmen, wenn Arbeitnehmer dort weniger als drei Monate oder nicht mehr als 90 Tage pro Kalenderjahr arbeiten. Jedoch muss der Arbeitgeber spätestens einen Tag vor Beginn die Tätigkeit in einem Meldeverfahren anzeigen.
3. Stolperfalle Sozialversicherung
Fußangeln lauern zudem im Sozialversicherungsrecht, da klare Vorgaben für Tätigkeiten aus dem Homeoffice im Ausland fehlen. Wichtig ist insofern die Unterscheidung von der Mitarbeiterentsendung, die auf Weisung des Arbeitgebers und gerade nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin erfolgt. Stattdessen bleibt es für die mobile Arbeit am Wunschort der Beschäftigten bei dem Grundsatz, dass die Vorschriften desjenigen Staates greifen, in dem die Beschäftigten arbeiten. Um auf Seiten der Beschäftigten spätere Teilrenten aus mehreren Staaten sowie auf Seiten der Arbeitgeber Verwaltungsaufwand zu vermeiden, ist es deshalb ratsam, mit der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland Kontakt aufzunehmen und eine Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 der EU-Verordnung Nr. 883/2004 anzustreben. In Drittländern außerhalb des Geltungsbereichs der EU-Verordnung muss geprüft werden, ob bilaterale Abkommen bestehen. Ansonsten droht die Gefahr, dass Sozialversicherungsbeiträge doppelt erhoben werden. Sollten Beiträge hingegen weder im In- noch im Ausland abgeführt werden, machen sich Arbeitgeber unter Umständen strafbar.
4. Risiken im Steuerrecht
Um zu verhindern, dass Arbeitgeber beziehungsweise Mitarbeiter auch im Ausland Steuern bezahlen müssen, ist zu klären: Behält der Beschäftigte seinen Wohnsitz nach § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz in der Bundesrepublik? Oder liegt der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland, weil er sich gemäß § 9 S. 2 Abgabenordnung 183 oder mehr Tage im Ausland aufhält? Besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem jeweiligen Land? Wird eine Betriebsstätte im Ausland begründet, etwa durch Anmietung von Büroräumen, die Tätigkeit als selbstständiger Vertreter oder eine Verlagerung des Orts der Geschäftsleitung? Unter Umständen bestehen steuerliche Meldepflichten, selbst wenn Mitarbeiter*innen in dem jeweiligen Land nicht steuerpflichtig werden.
5. Kein Anspruch auf Homeoffice im Ausland
Egal wo ein Arbeitnehmer tätig sein möchte – er hat keinen Anspruch auf Homeoffice und braucht dafür das Einverständnis des Arbeitgebers, wie jüngst erst das Arbeitsgericht München entschieden hat.
6. Zusatzvereinbarung oder Betriebsvereinbarung abschließen
Wollen Unternehmen einzelnen Beschäftigten oder Teilen der Belegschaft Homeoffice im Ausland ermöglichen, sollten sie dafür eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag treffen beziehungsweise eine Unternehmensrichtlinie, Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag abschließen. Über die unter Ziffer 1 beschriebene Rechtswahlklausel hinaus ist darin beispielsweise zu regeln: Wer zählt zum Kreis der Berechtigten? Wer trägt welche Kosten für Arbeitsmittel und technische Ausstattung? Wie werden Arbeitszeiten erfasst und kontrolliert? Und wie lässt sich der Arbeits- und Datenschutz gewährleisten?
7. Betriebsrat bestimmt mit
Bei der Frage, wie die mobile Arbeit aus dem Ausland ausgestaltet werden soll, bestimmt der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz mit.
Arbeiten vor einer Bergkulisse oder mit Meeresrauschen klingt verlockend. Doch unter Umständen drohen sowohl Arbeitgebern als auch Beschäftigten erhebliche Risiken etwa im Sozialversicherungs- oder Steuerrecht. Schlimmstenfalls machen sich Arbeitgeber strafbar. Damit das idyllische Arbeitsumfeld nicht zum Albtraum wird, gilt es für HR Manager, die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen im Einzelfall sorgfältig prüfen zu lassen.