Das neue Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) bringt erhebliche Neuerungen vor allem im Bereich der Medizinischen Versorgungszentren (MVZs). Um rein kapitalorientierte Interessen einzudämmen, dürfen (kassenrechtlich zugelassene) Krankenhäuser nicht mehr uneingeschränkt zahnärztliche MVZs gründen oder erweitern. Grundsätzlich darf der Versorgungsanteil aller trägergleichen zahnärztlichen MVZs im jeweiligen Planungsbereich 10 Prozent nicht überschreiten. Bei einer Überversorgung reduziert sich dieser Anteil auf 5 Prozent, bei Unterversorgung erhöht er sich auf 20 Prozent. Investoren im Gesundheitswesen, wie etwa Private Equity Fonds, haben den ambulanten Gesundheitsmarkt zunehmend als Anlageobjekt identifiziert. Dies gilt besonders für den attraktiven, weil weniger regulierten zahnärztlichen Markt. Da Private Equity Fonds als nicht-medizinischen Unternehmen jedoch keine MVZ-Gründereigenschaften zukommen, wird häufig ein zugelassenes Krankenhaus als Gründungs- beziehungsweise Erwerbsvehikel akquiriert. Dieser Weg wird jetzt erschwert und anderweitige Investitionsansätze, werden nun erhöhten Einsatz finden.
Nichtärztliche Dialyseanbieter dürfen jetzt in den von ihnen gegründeten MVZs zusätzlich zu den rein nephrologischen Leistungen auch hausärztliche, internistische, urologische, kardiologische und radiologische Leistungen erbringen, wenn ein Dialyse-Bezug besteht. Zudem dürfen künftig auch Praxisnetze MVZ gründen. Klargestellt wurde, dass im MVZ angestellte Ärzte jederzeit Gesellschafteranteile erwerben können, ohne dass der Bestand des MVZ gefährdet wird.
Für sämtliche ärztlichen Leistungserbringer gilt zudem, dass sich das Mindestangebot für Sprechstunden von 20 auf 25 Stunden wöchentlich erhöht. Grundversorgende Fachärzte (etwa konservativ tätige Augenärzte, Frauenärzte, HNO-Ärzte) müssen mindestens fünf offene Sprechstunden pro Woche anbieten. Die Einzelheiten werden noch durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen festgelegt.
Die erhöhten Leistungsanforderungen werden von einer Erweiterung der Vergütung flankiert. So erhalten Hausärzte für die Vermittlung eines dringenden Facharzttermins einen Zuschlag von mindestens 10 Euro. Zudem gibt es gestaffelte, bis zu 50-prozentige Zuschläge auf die Versicherten- und Grundpauschalen, je nach Wartezeit der Patienten auf ihren Termin. Leistungen für neue oder solche Patienten, die von der Terminservicestelle oder dem Hausarzt vermittelt wurden, werden extrabudgetär vergütet. Gleiches gilt für die Leistungen in den offenen Sprechstunden.
Neben den Vergütungspositionen gibt es auch mittelbare Verbesserungen im Honorarbereich. Die Zufälligkeitsprüfung wird ersetzt. Künftig muss ein begründeter Antrag einer Krankenkasse oder Kassenärztlichen Vereinigung vorliegen, um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlicher Leistungen vornehmen zu können. Außerdem wird unter anderem die Verjährungsfrist bei Honorarrückforderungen von vier auf zwei Jahre reduziert.
Direkte und indirekte Vergütungsverbesserungen ergeben sich auch bei sonstigen Leistungserbringern. Die Ausschreibungen der Krankenkassen für Hilfsmittel wie Gehhilfen und Rollstühle. werden abgeschafft, damit Preiswettbewerb nicht zu Lasten von Qualität geht. Heilmittelerbringer wie Physio- und Ergotherapeuten oder Logopäden bekommen mehr Honorar. Durch ärztliche Blankoverordnungen sollen Therapeuten unabhängiger über die Art und Dauer der Behandlung entscheiden können.
Gesundheitsminister Jens Spahn will mit dem TSVG explizit auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen fördern. So sollen Krankenkassen ihren Versicherten bis spätestens 2021 eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Patienten sollen auch mit Smartphone oder Tablet auf ihre medizinischen Daten zugreifen können. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sollen elektronisch an die Krankenkassen übermittelt werden können. Zur Beschleunigung dieser Prozesse übernimmt das Bundesgesundheitsministerium 51 Prozent der Anteile an der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (gematik).
Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen sehen sich Neuerungen ausgesetzt. Sie werden verpflichtet, Strukturfonds mit bis zu 0,2 Prozent der im Zulassungsbezirk mit den Kassen ausgehandelten Gesamtvergütung aufzulegen. In unterversorgten Gebieten sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen eigene Praxen einrichten oder mobile oder telemedizinische Versorgungsangebote vorhalten. Ferner sollen Zulassungssperren in strukturschwachen KV-Bezirken länderseitig beseitigt werden können.
Für Patienten schließlich werden, namensgebend für das Gesetz, zentrale Anlaufstellen, die unter der Telefonnummer 116117 rund um die Uhr Termine bei Haus- und Kinderärzten, Fachärzten und Psychologischen Psychotherapeuten vermitteln, eigerichtet (Terminservicestellen).
Das TSVG soll im Mai 2019 in Kraft treten.
Zu Investments sowie allen regulatorischen Neuerungen im Gesundheitswesen steht Ihnen als Ansprechpartner unser Partner und Leiter der Practice Group Healthcare & Pharmaceuticals, Herr Rechtsanwalt Dr. Dr. Simon Alexander Lück (Fachanwalt für Medizinrecht sowie für Handels- und Gesellschaftsrecht) zur Verfügung.