Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 die Mindest- und Höchstpreisregelungen in der Deutschen Honorarordnung für Architekten (HOAI) gekippt. Sie verstoßen gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU. Damit sind Preisbestimmungen für Architekten- und Ingenieurshonorare zumindest teilweise unwirksam. Was bedeutet das für bestehende und zukünftige Verträge und Rechtsstreitigkeiten?
Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie
Die Regelungen, nach denen sich die Vergütung für Architekten- und Ingenieursleistungen entsprechend der nach der Kostenberechnung prospektierten Baukosten in einem bestimmten Rahmen bewegen muss, verstoßen laut EuGH gegen die Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie (RL 2006/123/EG). Die Bundesrepublik hatte die Regelungen mit dem Verbraucherschutz und der Qualitätssicherung der Planungsleistungen verteidigt.
Neuregelung erforderlich – allerdings nicht komplett
Nun muss eine unionsrechtskonforme Neuregelung geschaffen werden – bis dahin bleiben die bisherigen Normen der HOAI erst einmal bestehen. Artikel 15 der Dienstleistungsrichtlinie verbietet nämlich nur die verbindlichen Mindest- und Höchstpreise für bestimmte Dienstleistungen. Damit ist das Preisrecht von § 7 Absatz 1, 3 und 4 HOAI gemeint, die Formvorschrift für die Vergütungsvereinbarung entsprechend § 7 Absatz 1 HOAI bleibt davon unberührt.
Auch andere Teile der HOA wie die Beschreibung der Planungsprozesse in den Leistungsphasen mit den Leistungsbildern können bestehen bleiben. Nur die starren Vergütungsregelungen bedürfen einer Überarbeitung.
Vertragliche Vergütungsvereinbarungen nicht zwingend unwirksam
Vertragliche Vergütungsvereinbarungen, auch wenn sie ein Honorar nach der HOAI vorsehen, sind deshalb aber nicht unwirksam. Eine vertragliche Vereinbarung ist eine Entscheidung der Parteien aufgrund ihrer Privatautonomie. Ein im Vertrag vereinbartes HOAI-Honorar kann also weiterhin geltend gemacht und auch eingeklagt werden.
Die Zukunft der Aufstockungsklagen
Allerdings werden die sogenannten „Aufstockungsklagen“, mit denen Architekten ihre Mindestsätze einzubringen versuchen, nur noch dann erfolgreich sein, wenn der Mindestsatz vertraglich vereinbart wurde oder etwa mit einem Verstoß gegen die Formvorschrift – schriftlich und bei Auftragserteilung – begründet werden kann. Wenn sich ein Architekt (oder Ingenieur) allerdings auf die höher liegenden Mindestsätze beruft, obwohl er eine formwirksame Honorarvereinbarung unterschrieben hat, sind die Erfolgsaussichten einer Klage nach dem EuGH-Urteil schlecht.
Natürlich muss man abwarten, was der Gesetzgeber aus dem Urteil macht. Aber das Verbot von verbindlichem Preisrecht ist nach Art. 15 der Dienstleitungsrichtlinie so deutlich, dass es in den Mitgliedsstaaten gilt – und zwar ohne nationale gesetzliche Umsetzung. Die HOAI schützt die Interessen der Allgemeinheit und nicht die subjektiven Rechte der Architekten und Ingenieure. Daher gibt es eine Horizontalwirkung der Richtlinie auch zwischen Privaten – es ist also damit zu rechnen, dass die Aufstockungsklagen nach dem EuGH-Urteil abgewiesen werden.
Aktuelle Verträge mit Verweis auf die HOAI bleiben wirksam. Hier gibt es keinen Anpassungsbedarf, weil die Vertragsparteien durch die Bezugnahme vereinbart haben, auf welcher Grundlage der Preis für die Architektenleistung bestimmt wird und abgerechnet werden kann.
Empfehlung
In zukünftigen Verträgen könnten sich Vertragspartner auch weiter darauf verständigen, die Vergütung an der HOAI in ihrer heutigen Form zu orientieren – ohne Mindest- und Höchstpreise. Die Korridore für die Preisberechnung nach Baukosten sind ein bewährtes Modell, Ab- und Zuschläge wären denkbar. Allerdings bietet es sich an, die durch das EuGH-Urteil neu eröffneten Spielräume zu nutzen. Pauschalvergütungsmodelle werden möglich – das gab es bei sehr hohen Baukosten (über 25 Mio. Euro) auch schon nach der jetzt gültigen Regelung. Eine andere Möglichkeit ist die Zeiterfassung bei planerischen Leistungen, die ja auch bisher schon, allerdings nur für besondere Leistungen, gegeben war.
Um einen gnadenlosen Preiswettbewerb zu verhindern, der vor allem die kleineren Architekturbüros hart treffen könnte, sollten gerade auch die öffentlichen Auftraggeber die neuen Möglichkeiten der Preisbestimmung maßvoll nutzen. Ansonsten wäre Sinn und Zweck der HOAI, nämlich eine gute bis hohe Qualität von Planen und Bauen sicherzustellen, gefährdet.