Wer im B2B-Bereich Waren verkauft oder Dienstleistungen anbietet, wird diesen Ablauf kennen: Der Verkäufer oder Anbieter sendet ein Angebot mit den eigenen Verkaufsbedingungen, der Käufer oder Kunde nimmt das Angebot mit einer Bestellung an und verweist auf die eigenen Einkaufsbedingungen und der Verkäufer bestätigt das Geschäft mit einer Auftragsbestätigung, die wiederum auf die Verkaufsbedingungen verweisen.
Das „battle of forms“
Die Vertragsparteien produzieren hiermit ein Problem, das allen international agierenden Unternehmen bekannt sein dürfte, nur möglicherweise nicht unter dem Namen, den es in der Jura-Welt hat: das „battle of forms“. Gemeint ist hiermit der Kampf der Bedingungen.Einkaufsbedingungen kämpfen gegen Verkaufsbedingungen, und im Streitfall – jenem Fall, auf den es ankommt – weiß keine der Parteien mehr, was noch gilt.
Das „battle of forms“ muss notwendigerweise entschieden werden, wenn es um Haftung, Verjährung oder Lieferbedingungen geht, die sich aus den Geschäftsbedingungen ergeben und sich widersprechen, aber auch, wenn es um Gerichtsstandsklauseln geht, denn fast immer enthalten Geschäftsbedingungen auch eine Gerichtsstandsklausel, eine Bestimmung, nach der die Gerichte meistens am Sitz des jeweiligen Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuständig sein sollen.
Auswirkungen des „battle of forms“ auf die internationale Zuständigkeit
Im internationalen Kontext kann die Entscheidung dieser Frage gravierende Auswirkungen haben. Ob das heimische Gericht in Hamburg oder Düsseldorf oder andererseits beim Vertragspartner in Rom, Lissabon oder auf Zypern zuständig ist, hat Einfluss auf Verfahrensdauer, Kosten, Sprache und damit verbundene Übersetzungen und die möglicherweise notwendige Einschaltung eines weiteren Anwalts im Ausland, was mit weiteren Kosten verbunden ist.
Unabhängig davon, ob nicht im Einzelfall sogar das ausländische Gericht die bessere Wahl ist, weil beispielsweise die Gerichte dort bekannt schnell und günstig sind, tendieren Streitparteien dazu, den Prozess „nach Hause“ zu bringen. Doch gelingt ihnen das auch?
Wie entscheiden Gerichte das „battle of forms“?
Über die internationale Zuständigkeit streiten Parteien in bedeutenden wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten häufig über Wochen und Monate. Gerichte entscheiden dabei nach Maßgabe ihres eigenen Prozessrechts, der sog. „lex fori“. Dankenswerterweise ist das Zuständigkeitsrecht innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht, nämlich in der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (häufig und nachfolgend auch hier „Brüssel Ia-Verordnung“ genannt), jedenfalls dann, wenn die beklagte Partei auch aus der EU kommt. Wenn also der deutsche Käufer gegen seinen spanischen Lieferanten klagt, beurteilt das Hamburger oder Düsseldorfer Gericht die internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-Verordnung.
Diese trifft in Artikel 25 Aussagen zur „Vereinbarung über die Zuständigkeit“, also zu Gerichtsstandsvereinbarungen. Sie regelt nicht explizit, wie die Zuständigkeitsfrage infolge eines „battle of forms“ zu entscheiden ist. Sie stellt zunächst explizit nur Anforderungen für die Form der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 25 Abs. 1 S. 2 auf, die u. a. schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung erfolgen kann, wobei eine elektronische Übermittlung genügt (Art. 25 Abs. 2), so dass der übliche Vertragsschluss „Angebot – Bestellung – Auftragsbestätigung“ per Mail ausreicht. Allerdings muss anders als im deutschen, nationalen Rechtsverkehr dem Vertragspartner der Text der Geschäftsbedingungen auch tatsächlich zugegangen sein (EuGH, Urteil vom 14. 12. 1976 – Rs 24/76), wobei mittlerweile ein Hyperlink zu den Geschäftsbedingungen ausreicht (EuGH, Urteil vom 24.11.2022 – C-358/21).
Das alles sagt aber noch nichts darüber aus, ob der Gerichtsstand auch tatsächlich vereinbart wurde, wovon aber beim Austausch sich widersprechender AGB ohne weitere Anhaltspunkte für die Zustimmung zu einer der beiden Klausel nicht ausgegangen werden kann (BGH, Urteil vom 09-03-1994 – VIII ZR 185/92).
Mithin scheidet eine internationale Zuständigkeit aufgrund Gerichtsstandsvereinbarung beim „battle of forms“ im EU-Kontext aus. Ähnlich sieht es gegenüber der Schweiz, Liechtenstein und Island aus, mit denen die EU das sog. Lugano-Übereinkommen geschlossen hat, das der Brüssel Ia-Verordnung nachgebaut ist.
Gegenüber Drittstaaten wenden deutsche Gerichte die Zuständigkeitsregeln der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) analog an. Nach § 38 Abs. 1 ZPO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung unter Unternehmern sogar stillschweigend möglich. Bei widerstreitenden Gerichtsstandsklauseln, wird man aber ebenso wenig wie nach der Brüssel Ia-Verordnung eine Einigung annehmen können.
Bestimmung der Zuständigkeit ohne Gerichtsstandsvereinbarung
Wenn nun also – jedenfalls grundsätzlich – im „battle of forms“ keine Gerichtsstandsvereinbarung zustande kommt, wonach richtet sich dann die internationale Zuständigkeit?
Recht einfach, nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen. Nach Art. 4 Abs. 1, 63 Brüssel I-Verordnung ist das bei juristischen Personen grundsätzlich der Sitz der beklagten Gesellschaft (allgemeiner Gerichtsstand). Die deutsche Gesellschaft im Ausgangsfall müsste also im Ausland klagen. Nach Lugano-Übereinkommen (Schweiz, Island, Norwegen) und den ZPO-Regelungen (alle anderen Staaten) sieht das sehr ähnlich aus. Ein deutsches Gericht würde die Klage nicht zur Entscheidung annehmen.
Helfen kann unter Umständen einer der besonderen Gerichtsstände. In der Brüssel Ia-Verordnung ist das insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art. 7 Brüssel Ia-Verordnung. Danach darf – abweichend vom allgemeinen Gerichtsstand – jede Partei am Erfüllungsort klagen. Bei Warenlieferungen kann das je nach verwendeter Incoterms-Klausel (bspw. bei DDP) auch in Deutschland sein. Gleiches gilt für das Lugano-Übereinkommen und die analog angewendeten Gerichtsstände aus der ZPO für Drittstaaten.
Strategien für den Streitfall
Einen grenzüberschreitenden handels- oder vertriebsrechtlichen Fall sollte man einem Spezialisten anvertrauen, beispielsweise einem Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht. Das „battle of forms“ ist diesen Anwältinnen und Anwälten bekannt und sie wissen, worauf sie schauen müssen.
Wenn schon beim „battle of forms“ eine Gerichtsstandsvereinbarung ausscheidet, lässt sich doch prüfen, ob die Geschäftsbedingungen des Vertragspartners überhaupt wirksam einbezogen worden sind. Wenn das nicht der Fall ist, kann es sein, dass ein „battle of forms“ schon gar nicht entstanden ist und die eigenen Geschäftsbedingungen samt der Gerichtsstandsklausel sich durchgesetzt haben. Das ist aber ein eigener Prüfungspunkt und sollte mit der nötigen Fachexpertise beurteilt werden.
Präventive Strategien im Vertragsmanagement
Um das „battle of forms“ und daraus resultierende Unwägbarkeiten zu vermeiden, sollten Handelsunternehmen und produzierende Unternehmen ein Vertragsmanagement implementieren. Das bedeutet deutlich mehr, als bloß die Muster-AGB des Branchenverbandes auf die Website zu setzen.
Vertragsmanagement bedeutet, Prozesse und Strukturen zu implementieren, die rechtssicher, effektiv und effizient auch grenzüberschreitende Vertragsschlüsse erlauben. Ein Vertragsmanagement sollte die Geschäftsführung schon im eigenen Sinne implementieren, denn ohne ein solches Vertragsmanagement schlummern ungeahnte Risiken in den Geschäftsbeziehungen, die sich erst im Streitfall materialisieren.
Das „battle of forms“ mitzudenken, ist Teil des Vertragsmanagements. Es lässt sich beispielsweise durch geschulte Mitarbeitende vermeiden, die das „battle of forms“ erkennen, adressieren und verhandeln, oder es lässt sich durch gute Rahmenverträge vermeiden, die dann möglicherweise auch Schiedsklauseln enthalten.
Das „battle of forms“ ist eine der kniffeligsten Fragen im internationalen Wirtschaftsrecht und im internationalen Zivilprozessrecht bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit. International agierende Unternehmen sollten es kennen und präventiv im Vertragsmanagement behandeln und im Streitfall auf die Expertise spezialisierter Prozessanwälte vertrauen.