Störung in der Lieferkette – und nun? Gute Vertragsgestaltung hilft!

 Störungen in der Lieferkette sollten bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen geregelt werden.

Störung in der Lieferkette - und nun? Gute Vertragsgestaltung hilft!

In diesem Beitrag geht es vorrangig um die "klassischen" rechtlichen Probleme, die anlässlich von Störungen in mehrgliedrigen und zunehmend globalen Lieferketten auftreten können und die sich durch gute Vertragsgestaltung abfedern lassen. Der Begriff "Lieferkette" ("Supply Chain") ist ursprünglich dem Wirtschaftszweig der Logistik entlehnt und umfasst im Kern das Transportieren von Gütern von ihrem Ursprungsort bis zum Endkunden. Das Managen der Lieferkette ("Supply-Chain-Management") geht über die reine Logistik hinaus und umfasst strategische, konzeptionelle, systemische, faktische und andere Elemente. Im rechtlichen Kontext wird der Begriff der Lieferkette vorrangig seit Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes im Januar 2023 im Zusammenhang mit der Einhaltung von Menschenrechten sowie Sozial- und Umweltstandards durch jedes in der Lieferkette befindliche Unternehmen verwendet und in § 2 Abs. 5 LkSG in diesem Kontext auch definiert. Welchen Anforderungen Unternehmen im Hinblick auf das LkSG genügen müssen, finden sich nähere Ausführungen in den Blogs "ESG Compliance (4): Die Tücken bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes. - BUSE" und "Lieferkettensorgfaltsgesetz: Jetzt wird’s ernst! - BUSE".

Vertragsverhandlung und Vertragsgestaltung

Die Beziehungen zu Herstellern, Lieferanten, Dienstleistern und anderen Partnern in der Lieferkette basieren in der Regel auf vertraglichen Vereinbarungen.

Ob Rohstoffknappheit, Fachkräftemangel, Verteuerung einzelner Güter, strenge Umweltauflagen, sich ändernde Gesetzgebung, unvorhergesehene nationale oder internationale Krisen – die Ursachen für Störungen in der Lieferkette sind vielfältig und bedürfen sorgfältiger Betrachtung im Rahmen von Vertragsverhandlungen. Dies gilt ganz ungeachtet der rein faktischen Maßnahmen, die jedes Unternehmen im Rahmen eines optimierten Supply-Chain-Managements ergreift, um bei Auftreten von Lieferkettenstörungen resilient zu sein.

Gerade bei komplexen und mehrgliedrigen Lieferketten gilt die Maxime, die vertraglichen Bestimmungen so klar und umfassend wie möglich zu fassen und nicht allein auf die gesetzlichen Bestimmungen zu bauen. Hierzu gehören insbesondere Bestimmungen zu

  • Leistungs- bzw. Produktbeschreibungen
  • Prozess- und Qualitätsanforderungen
  • Etwaige Mitwirkungspflichten
  • Lieferfristen
  • Umgang mit Mängeln
  • Umgang mit Verzug
  • Preisgestaltung
  • Zahlungsmodalitäten
  • Verpflichtungen aus Zoll- und Exportvorschriften (bei grenzüberschreitenden Verträgen)
  • Haftungsregelungen
  • Vertragsstrafen
  • Anwendbares Recht – bei nicht rein deutschen Sachverhalten
  • Streitbeilegung

Oft ist Flexibilität gefragt: bereits bei den Vertragsverhandlungen muss jeder Vertragspartner abwägen, wie hoch das Risiko ist, dass er selbst oder einer seiner Vorlieferanten eine von ihm geforderte vertragliche Pflicht möglicherweise nicht wird einhalten können. Dies ist anhand der individuellen Umstände und branchen- sowie unternehmensspezifisch zu bestimmen. Insbesondere ein Lieferant wird z.B. das Einhalten eines vom Käufer geforderten festen Lieferdatums immer dahingehend auf den Prüfstand stellen müssen (insbesondere, wenn er selbst nicht Hersteller ist), ob er die Einhaltung des vorgesehenen Lieferdatums durch eigene Vorkehrungen gewährleisten kann (z.B. Lieferung aus Lagerhaltung) oder nicht. Wenn nicht, wird er bei der Verhandlung auf längere Lieferfristen, verbindliche Forecasts, flexible Lieferdaten u.a. drängen müssen, um nicht finanziellen Risiken (Rücktritt, Schadensersatz, Vertragsstrafen) ausgesetzt zu sein.

Ein Käufer, der sich (langfristig) zu jährlichen Mindestabnahmemengen verpflichtet, muss sich anlässlich der Vertragsverhandlungen vergegenwärtigen, ob und unter welchen Voraussetzungen er daraus entlassen werden möchte, wenn Probleme in der Lieferkette auftreten. Aspekte, die einen Einfluss auf die Preisgestaltung haben können, ohne dass dies von einer der Parteien zu verantworten wäre, sollten ebenfalls offen angesprochen und geregelt werden.

Je weniger ein (liefernder) Vertragspartner es selbst in der Hand hat, ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Umfang (zu einem bestimmten Preis) zur Verfügung stellen zu können, desto mehr Bedeutung kommen solchen vertraglichen Bestimmungen zu, die konkrete Mechanismen für den Fall der Fälle vorsehen (z.B. Informationspflichten, wenn sich abzeichnet, dass eine Verzögerung infolge Verzuges durch den Vorlieferanten eintreten kann; das Recht, Teillieferungen vorzunehmen; verpflichtende Nachfristsetzungen; Preissteigerungen, die partiell aufgefangen werden sollen u.a.).

Vorbereitung auf den Ernstfall

Im Vorfeld des Abschlusses (internationaler) Lieferverträge ist oftmals eine der beiden Konstellationen anzutreffen, manchmal auch beide gleichzeitig:

  • Jede Vertragspartei ist fest davon überzeugt, sich in allen Punkten vollständig und umfassend mit der anderen geeinigt zu haben
  • Jede Vertragspartei vertraut auf das Wort der jeweils anderen Partei und geht davon aus, dass auftretende Probleme schnell und pragmatisch gelöst werden können.

In beiden Fällen wird der anwaltliche Rat von den Vertragsparteien oft nur widerstrebend vor der eigentlichen Unterzeichnung eingeholt (z.B., weil es im Unternehmen die Verpflichtung dazu gibt), jedenfalls aber mit der Erwartung, die vermeintlich geeinigten Punkte übersichtlich in einem kurzen Dokument zusammenzufassen oder über bereits einvernehmlich gefundene Formulierungen „mal drüberzuschauen“.

Dieses zunächst nachvollziehbare Ansinnen hat einen wesentlichen Haken und führt zu erheblichen Nachteilen: typischerweise wird der unterschriebene Vertrag nämlich nur deshalb wieder aus der Schublade (bzw. elektronischen Ablage) geholt, in die er unverzüglich nach Unterzeichnung gewandert ist, weil die Parteien sich streiten und sich jeweils von dem Vertrag erhoffen, dass er ihre jeweilige Position stützt, notfalls auch in einer streitigen Auseinandersetzung.

Ein Streit kann daraus resultieren, dass eine Partei der anderen Vertragsbruch vorwirft und bestimmte Rechte daraus ableiten will, oder daraus, dass eine Partei an den (unstreitigen) Verpflichtungen nicht mehr festgehalten werden will. Diverse andere Szenarien sind ebenfalls denkbar. Dann ist es auch vorbei mit dem Vertrauen, dass sich eine friedliche Lösung auf pragmatischem Weg finden lässt.

Um eine solche pragmatische Lösung im Verhandlungswege (und im Falle des Scheiterns dann gerichtlich) zu erreichen, hilft ein sorgfältig ausformulierter Vertrag, in dem bereits im Voraus bestimmte Situationen antizipiert und geregelt worden sind, die zu Störungen in der Lieferkette und damit in der Vertragsbeziehung führen können und dazu, dass eine Partei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht ohne Weiteres nachkommen kann.

Haftung: fast alles lässt sich regeln

Das Prinzip der Vertragsfreiheit ermöglicht es, innerhalb des rechtlich Zulässigen auch detaillierte Regelungen dazu zu treffen, was gelten soll, wenn es zu Vertragsverletzungen kommt, die aus Störungen in der Lieferkette (z.B. beim Vorlieferanten) resultieren, die wiederum zu Schäden beim Vertragspartner führen. Klare Regelungen dazu, welche Art von Schäden ersetzt werden sollen (Vertragsstrafen ja/nein?), ob und wenn ja für welche Art von Verletzungshandlungen und/oder Schäden es eine Begrenzung geben soll, welche Schadensminderungspflichten gelten und vieles andere mehr helfen dabei, eine streitige Auseinandersetzung zwischen den Parteien zu vermeiden bzw. im Rahmen einer streitigen Auseinandersetzung belegen zu können, wo die eigene Haftung endet bzw. wie weit die des anderen Vertragsteils reicht.

Einen Sonderfall bildet die Produkthaftung: die Verantwortung für die Sicherheit und Qualität von Produkten erstreckt sich entlang der gesamten Lieferkette. Weisen Produkte Mängel auf, können sowohl Hersteller als auch Händler für daraus resultierende (Personen-)Schäden haftbar gemacht werden. Dies führt nicht nur zu finanziellen Forderungen, sondern unter Umständen auch zu Reputationsschäden. Angesichts des Umstandes, dass sich Produkthaftungsansprüche Dritter weder begrenzen noch ausschließen lassen, kommt der sorgfältigen Prüfung der Lieferanten und ihren Qualitätskontrollen gerade in diesem Kontext entscheidende Bedeutung zu, um das Risiko von Produkthaftungsansprüchen zu minimieren.

Höhere Gewalt – Force Majeure

Insbesondere in längerfristigen Lieferverträgen mit internationalem Bezug sind Klauseln zur Regelung von Fällen höherer Gewalt sinnvoll, um unvorhergesehene Ereignisse zu regeln, die die Erfüllung des Vertrages verhindern oder erheblich erschweren können. In Krisenzeiten und/oder bei dem Bezug zu Ländern, die als Krisenregionen gelten, kann eine ausführlich und gut formulierte Force-Majeure-Klausel dazu beitragen, Unsicherheiten innerhalb der Lieferkette zu vermeiden und die Interessen beider Parteien zu schützen. Folgendes ist dabei zu berücksichtigen:

  • Definition: eine klare Definition von höherer Gewalt (welche Ereignisse zählen dazu?) sollte im Vertrag verankert werden, um Auseinandersetzungen darüber zu vermeiden, ob eine Vertragspartei (typischerweise der Lieferant) von einer Verpflichtung befreit ist oder nicht;
  • Folgen: die Force-Majeure-Klausel sollte die rechtlichen Folgen eines solchen Ereignisses festlegen, namentlich die vorübergehende Aussetzung der Verpflichtungen oder die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, falls die Erfüllung auf unbestimmte Zeit unmöglich bleibt;
  • Benachrichtigungspflicht: die Pflicht zur unverzüglichen Benachrichtigung des Vertragspartners über das Eintreten eines Ereignisses höherer Gewalt dient dazu, dass beide Parteien schnell reagieren und alternative Lösungen finden können;
  • Dauer der Aussetzung: in der Klausel sollte eine maximale Dauer festgelegt werden, für die die Verpflichtungen ausgesetzt werden können, bevor der Vertrag möglicherweise gekündigt werden kann.

 

Flankierende Maßnahmen

Eine proaktive Herangehensweise an Vertragsmanagement, Compliance, Qualitätskontrolle und ethisches Verhalten ist entscheidend, um rechtliche Risiken zu minimieren. Ungeachtet der vertraglichen Ausgestaltung ist es sinnvoll, in Schulungen und Prozesse zu investieren, die sicherstellen, dass alle Akteure in der Lieferkette die gesetzlichen Anforderungen verstehen und einhalten. Nur so lassen sich rechtliche Schwierigkeiten vermeiden und eine nachhaltige, reibungslos funktionierende Lieferkette gewährleisten.

Störung der Lieferkette bei internationalen Verträgen

In internationalen Lieferketten, d.h. bei Vertragsbeziehungen, in denen entweder Güter aus einem anderen Land bezogen oder in ein anderes Land verkauft werden – oder beides – müssen die jeweils unterschiedlichen Rechtssysteme der involvierten Länder berücksichtigt werden. Dies kann Fragen des anwendbaren Rechts und der zuständigen Gerichtsbarkeit aufwerfen. Gerade in diesem internationalen Kontext sind Regelungen zum anwendbaren Recht und der Zuständigkeit von Gerichten von höchster Wichtigkeit.

Auch der ständigen Herausforderung, die Zoll- und Exportvorschriften für international agierende Unternehmen darstellen, muss aktiv begegnet werden: falsche Zolltarifnummern, ungenaue Ursprungszeugnisse oder die Nichteinhaltung von Exportbestimmungen ziehen erhebliche rechtliche Probleme nach sich, ganz zu schweigen von Strafzahlungen und Verzögerungen in der Lieferkette. Compliance-Programme sollten daher regelmäßig überprüft werden und sämtliche involvierten Mitarbeiter mittels Schulungen und Informationsveranstaltungen über die jeweils geltenden Vorschriften informiert werden.

In vielen Ländern gelten strenge Arbeitsgesetze, die auch im Rahmen der Lieferkette von Bedeutung sind. Verstöße gegen Arbeitsvorschriften, wie etwa die Ausbeutung von Arbeitskräften oder Nichteinhaltung von Arbeitsschutzmaßnahmen, können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Einhaltung geltender Arbeitsgesetze und ethischer Standards sollte daher besonderes Augenmerk gelten.

Mit dem zunehmenden Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz wächst der Druck auf Unternehmen, ihre Lieferketten umweltfreundlich zu gestalten, zumal der Verstoß gegen Umweltschutzvorschriften nicht nur rechtliche Folgen impliziert, sondern auch das Unternehmensimage schädigen kann. Gerade bei der Ausgestaltung internationaler Lieferverträge ist aus Sicht der Abnehmer der Nachweis umweltschutzkonformen Arbeitens und das Fördern nachhaltiger Praktiken essenziell.

Störungen in der Lieferkette sind vielschichtiger Natur und erfordern sorgfältige Überlegungen dazu, wie zu verfahren ist, wenn Probleme auftreten, die nicht notwendigerweise von dem jeweiligen Vertragspartner verursacht worden sind, sondern ihren Grund in einer vorherigen Stufe der Lieferkette haben. Unternehmen sollten sich der Risiken bewusst sein und sind gut beraten

  • Frühzeitig – schon im Verhandlungsstadium – juristische Beratung in Anspruch zu nehmen;
  • Spielräume bei der Vertragsgestaltung durch offenen Umgang mit identifizierten Problemen zu nutzen;
  • bestehende Abhängigkeiten bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen;
  • flankierende Elemente wie Compliance-Management, Schulungen, Informationen und Monitoring der Lieferanten zu nutzen;
  • bei internationalen Vertragsbeziehungen die Regelungen anderer Rechtsordnungen zu berücksichtigen und auf den Nachweis der Einhaltung von Arbeits- und Umweltschutzvorschriften zu bestehen.

Das Wichtigste kurz zusammengefasst

  • eine gute Vertragsgestaltung ist wesentlich für die Minimierung von Schäden bei Lieferkettenstörungen
  • Probleme in der Lieferkette müssen antizipiert und adressiert werden
  • In internationalen Lieferverträgen bedürfen zusätzliche Aspekte besonderer Regelungen und Maßnahmen