Sind Influencer Handelsvertreter?

 Augen auf beim Social Media Marketing: das gute alte HGB gilt auch dort!

Sind Influencer Handelsvertreter?

Auf den ersten Blick erscheint es fernliegend, dass ein Influencer rechtlich als Handelsvertreter qualifiziert werden könnte und ihm Ansprüche aus den Vorschriften zum Handelsvertreter (§§84 ff HGB) zustehen könnten, welche bis hin zum "Schreckgespenst" in Form des nachvertraglichen Ausgleichsanspruchs nach §89b HGB reichen. Der zweite Blick zeigt dann aber, dass Unternehmen, die sich der Reichweite von Influencern im Rahmen von Social Media bedienen wollen, einiges berücksichtigen sollten, um hier ggf. unerwünschte Rechtsfolgen zu vermeiden.

1. Einsatz von Influencern

Unternehmen haben erkannt, dass sie auf Plattformen wie TikTok, Instagram, YouTube u.a. bei Kundengruppen Aufmerksamkeit für ihre Produkte oder Dienstleistungen erzielen können, die sie über klassische Marketingkanäle wie TV, Rundfunk oder Print nicht oder nur rudimentär erreichen würden. Hier kommen Influencer ins Spiel, die – wie ihre aus dem Englischen stammende Bezeichnung es bereits ausdrückt – andere Menschen in ihrem (Kauf-)Verhalten beeinflussen können. Unternehmen bedienen sich vor allem der Influencer mit einer hohen Anhängerzahl („Follower“), über die sich deren Reichweite definiert. Umgekehrt erhöhen Influencer bei dieser Kooperation meist ihren eigenen – auch über die Anzahl ihrer Follower ausgedrückten – Wert, insbesondere, wenn bekannte Marken im Spiel sind. Eine Kooperation ist also grundsätzlich für beide Seiten attraktiv. Die Art der Beeinflussung der Follower kann vielfältig sein: Influencer können dazu beitragen, dass ein Produkt bzw. eine Dienstleistung (und damit häufig auch das dahinterstehende Unternehmen) in der Wahrnehmung ihrer Follower vermehrt und vor allem positiv wahrgenommen wird. Im Idealfall geht die Beeinflussung aber so weit, dass sich Follower animiert fühlen, das von dem Influencer angepriesene Produkt auch zu kaufen. Und in genau diesem Kontext, nämlich der Beeinflussung von potentiellen Kunden (Followern des Influencers) in einer Weise, die zum Abschluss eines Kaufvertrages zwischen dem Unternehmen und dem Follower führt, bzw. dazu beiträgt, wird unter Umständen das Handelsvertreterrecht relevant.

2. Was macht einen Handelsvertreter aus?

Handelsvertreter ist, „wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.“ (§84 Abs. 1 S. 1 HGB). Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (§84 Abs. 1 S. 1 HGB). Bei der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Influencer Handelsvertreter sein kann, kommt es neben seiner hier unterstellten Selbständigkeit also zunächst maßgeblich darauf an, ob eine ständige Betrauung vorliegt, er also nicht nur einmalig, sondern jedenfalls zumindest für einen bestimmten oder bestimmbaren Zeitraum für das Unternehmen tätig ist. Und zum anderen muss die Tätigkeit des Influencers darin bestehen, Geschäft für das Unternehmen zu vermitteln, wobei nach ständiger Rechtsprechung für die Annahme einer Vermittlung eines Handelsvertreters ausreichend sein soll, dass dessen Beitrag mitursächlich für das zwischen Unternehmer und Kunden geschlossene Geschäft ist.

3. Wann liegt Vermittlung eines Geschäfts durch einen Influencer vor?

Die Abgrenzung zwischen dem Schaffen bloßer Kaufanreize und der als Vermittlung im Sinne des §84 HGB zu qualifizierenden Tätigkeit eines Influencers erfordert immer eine Berücksichtigung der Gesamtumstände und der zwischen Unternehmer und Influencer getroffenen Abrede, in welcher Weise der Influencer für den Unternehmer tätig sein soll. Auch die vereinbarte Gegenleistung spielt eine Rolle. Bei Vorliegen folgender Umstände ist eher nicht von einer Vermittlung auszugehen:

  • Der Influencer betreibt im Rahmen seiner Posts reines Product Placement, ohne dass seine Follower unmittelbar das betreffende Produkt dort auch erwerben können
  • Der Influencer stimmt zu, dass ein Unternehmer Werbung für sein Produkt dort platziert, wo der Influencer seinen Beitrag veröffentlicht (z.B. vor Beginn eines von ihm erstellten Videos auf YouTube)
  • Der Influencer veröffentlicht lediglich eigene Inhalte unter Nutzung von Plattformen wie YouTube oder Instagram, ohne von diesen unmittelbar und ausdrücklich dazu beauftragt zu sein, die Anzahl der Nutzer dieser Plattform zu erhöhen.

Demgegenüber legen vertragliche Ausgestaltungen eine Vermittlung i.S.d. §84 Abs. 1 S. 1 HGB nahe, wenn

  • Der Influencer besondere verkaufsfördernde Elemente in seinen Posts verwenden soll, wie z.B. Rabattcodes oder Affiliate-Links, die jeweils eben nicht nur dazu dienen, das Nutzerverhalten zu analysieren oder „traffic“ zu generieren bzw. zu untersuchen, sondern unmittelbar nachvollziehen lassen, dass ein Kaufabschluss auf die Nutzung des vom Influencer geposteten Rabattcodes oder Links zurückzuführen ist
  • Die Vergütung des Influencers nicht nach der Anzahl der Posts oder der Anzahl von Views / Followern bemessen wird, sondern nach Umsatz mit dem beworbenen Produkt
  • Die Tätigkeit des Influencers gemäß vertraglicher Abrede nicht nur darauf gerichtet ist, die Attraktivität oder Eignung eines Produkts zu bewerben, sondern gezielt ein Kaufabschluss zwischen einem Follower und dem Unternehmer herbeigeführt werden soll.

Die genaue Abgrenzung mag im Einzelfall schwierig sein, aber letztlich kommen dieselben Grundsätze zum Tragen, wie sie von der Rechtsprechung zu Handelsvertretern zu einer Zeit entwickelt worden sind, als es weder Internet noch Social Media, geschweige denn Influencer gab.

Im Rahmen der Ausgestaltung der Vereinbarung zwischen Unternehmer und Influencer kommt es darauf an, unerwünschte Rechtsfolgen zu vermeiden und sich von Vornherein der möglichen Klassifizierung als Handelsvertreterverhältnis bewusst zu werden. Je nachdem, ob ein solches von beiden Parteien gewollt ist oder nicht, sollten die für diese Beurteilung relevanten Aspekte so klar geregelt werden, dass es insbesondere nicht bei Ende der Vertragsbeziehung zu einer bösen Überraschung bei mindestens einer der Parteien kommt.