Achtung wichtige Änderungen im Nachweisgesetz: Was gilt ab August?

Dr. Yuanyuan Yin

Änderungen im Nachweisgesetz

Bislang war das Nachweisgesetz in der Praxis kaum relevant für Unternehmen. Doch die Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in nationales Recht hat weitreichende Folgen. Bei Verstößen gegen das geänderte Nachweisgesetz drohen ab 01.08.2022 Bußgelder.

Am 23.06.2022 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen verabschiedet, die bis zum 31.07.2022 in nationales Recht umzusetzen ist. Ziel der Richtlinie ist vor allem, innerhalb der Europäischen Union eine einheitliche Information von Arbeitnehmer*innen über die wesentlichen Aspekte des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen. Insbesondere für Plattformarbeiter*innen in der Gig Economy wollte Brüssel mehr Transparenz und Vorhersehbarkeit etwa bei Arbeit auf Abruf schaffen.

Mehr Bürokratie statt mehr Fortschritt

In Deutschland führt dies nun zu weitreichenden arbeitsrechtlichen Änderungen im Nachweisgesetz (NachwG). Bedauerlich ist nicht nur der bürokratische Aufwand, der damit für HR verbunden ist. Vielmehr beharrt der deutsche Gesetzgeber auch noch auf dem strengen Schriftformerfordernis, anstatt der Digitalisierung Rechnung zu tragen und im Geiste des Koalitionsvertrags mehr Fortschritt zu wagen. Es ist umstritten, ob ein mit einer qualifizierten elektronischen Signatur abgeschlossener Arbeitsvertrag für die Schriftform-Anforderungen des § 2 Abs. 5 NachwG n.F. ausreicht. Nach § 126 a Abs. 1 BGB kann die eigenhändige Namensunterschrift grundsätzlich durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden. Auch Erwägungsgrund 24 und Art. 3 RL 2019/1152/EU stellen diesbezüglich klar, dass aufgrund des verstärkten Einsatzes von digitalen Kommunikationsmitteln die in der Richtlinie vorgesehenen schriftlichen Informationen auch auf elektronischem Wege übermittelt werden können. Um Rechtsstreit in der Praxis zu vermeiden, ist es jedoch sicherer, Arbeitsverträge mit eigenhändiger Namensunterschrift abzuschließen.

Nachweispflichten werden erweitert

Der Katalog der Nachweispflichten für die wesentlichen Arbeitsbedingungen erweitert sich gemäß dem neuen § 2 NachwG im Wesentlichen um folgende Punkte:

  • Vorhersehbare Dauer bei befristeten Arbeitsverhältnissen,
  • Arbeitsort oder die Möglichkeit, diesen frei wählen zu können,
  • Dauer der Probezeit, wenn eine solche vereinbart wird,
  • Vergütung von Überstunden, Zuschläge, Zulagen, Prämien und etwaige Sonderzahlungen,
  • Art und Fälligkeit der Auszahlung von Lohn und Gehalt,
  • vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten,
  • im Falle von Schichtarbeit: Schichtrythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
  • wesentliche Details im Falle von Arbeit auf Abruf wie Zeitfenster, in denen das Unternehmen die Arbeitsleistung einfordern kann,
  • Möglichkeit zur Anordnung von Überstunden und die Voraussetzungen hierfür,
  • gegebenenfalls Anspruch auf Fortbildung durch den Arbeitgeber,
  • Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, sofern eine solche besteht,
  • Verfahren bei einer Kündigung: Arbeitgebende müssen Mitarbeiter*innen mindestens über das Schriftformerfordernis sowie die gesetzlichen, tarif- oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen informieren. Hinzu kommt: Es bedarf auch eines Hinweises auf die dreiwöchige Frist, um gemäß § 4 KSchG eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Immerhin stellt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung klar, dass ein falscher oder fehlender Hinweis zur Klagefrist nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt.
  • Hinweis auf anwendbare Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen.

Mehr Angaben zu Auslandstätigkeit und Entsendung

Ist eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer mehr als vier Wochen im Ausland tätig, müssen HR Manager*innen künftig nicht nur über Dauer, etwaige Zusatzvergütungen wie Entsendezulagen oder Erstattung von Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten informieren, sondern beispielsweise auch über das Land oder die Länder des Einsatzes, die Währung, in der entlohnt wird, sowie die Rückkehrbedingungen.

Verkürzte Fristen

Bei Arbeitsverhältnissen, die ab dem 01.08.2022 begründet werden, gelten deutlich verkürzte Fristen, um die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach Aufnahme der Tätigkeit auszuhändigen:

  • Statt wie bisher nach einem Monat müssen schon am ersten Tag der Arbeitsleistung Angaben zu wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich vorliegen wie Name und Anschrift der Vertragsparteien, Zusammensetzung und Höhe von Lohn und Gehalt sowie Arbeitszeit.
  • Spätestens sieben Tage nach Arbeitsbeginn sind Angaben über den Beginn des Arbeitsverhältnisses, Dauer der Probezeit, eine etwaige Befristung, Arbeitsort, Leistungsbeschreibung und die Anordnung von Überstunden schriftlich vorzulegen.
  • Im Übrigen bleibt es bei der Monatsfrist.
  • Sofern sich in einem bestehenden Arbeitsverhältnis wesentliche Vertragsbedingungen ändern, sind diese den Beschäftigten künftig spätestens an dem Tag schriftlich mitzuteilen, an dem sie wirksam werden.

Vor diesem Hintergrund sollten Personalverantwortliche sämtliche nach dem Nachweisgesetz erforderliche Angaben in den schriftlichen Arbeitsvertrag aufnehmen und vor Beginn der Tätigkeit beiderseits von Hand unterschreiben lassen.

Was gilt für Altverträge?

Für die Arbeitsverhältnisse, die Unternehmen vor dem 01.08.2022 abgeschlossen haben, gilt die Neuregelung zwar nicht. Allerdings hat der Arbeitgeber die Pflicht, Mitarbeitenden auf Verlangen die wesentlichen Arbeitsbedingungen innerhalb von sieben Tagen schriftlich auszuhändigen. Aufgrund dieser kurzen Frist erscheint es empfehlenswert, sich proaktiv auf solche Fälle vorzubereiten und die wesentlichen Vertragsbedingungen auch für Altverträge vorzuhalten.

Für Verstöße gegen Nachweisgesetz drohen künftig Bußgelder

Dies gilt umso mehr, als Verstöße nun nach dem neuen § 4 NachwG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden: Pro Verstoß drohen Bußgelder bis zu 2.000 Euro. So auch dann, wenn ein Arbeitgeber die wesentlichen Arbeitsbedingungen nicht in Schriftform dokumentiert, sondern digital etwa mit einer qualifizierten elektronischen Signatur hinterlegt. Weiterhin bleibt das Arbeitsverhältnis aber wirksam, auch wenn Nachweispflichten nicht eingehalten werden.

Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Neuerungen gibt es zudem im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz: Beispielsweise hat der Entleiher künftig die Pflicht, Leiharbeitern eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats zu übermitteln, sofern diese ihm mindestens sechs Monate überlassen sind und sie ihm gegenüber in Textform den Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrags äußern.

Anpassungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie weiteren Gesetzen

Insbesondere für befristete Arbeitsverhältnisse über einen kürzeren Zeitraum ist von Bedeutung, dass die Probezeit künftig in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses stehen muss. Zudem muss HR künftig innerhalb eines Monats begründet in Textform antworten, wenn ein befristet eingestellter Mitarbeiter nach sechs Monaten den Wunsch nach einer unbefristeten Anstellung anzeigt. Zu Anpassungen kommt es außerdem in weiteren Gesetzen wie Gewerbeordnung oder Berufsbildungsgesetz.

Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen sind die Gesetzesänderungen eine spürbare zusätzliche Last, indem sie ihre Musterverträge anpassen und künftig etwa Regelungen aus dem Kündigungsschutzgesetz in Arbeitsverträge übernehmen müssen. Das gilt umso mehr, als die Unternehmen sich angesichts der kurzen Frist von sieben Tagen auch bei Altverträgen für die neuen Vorgaben wappnen sollten. Umso unverständlicher ist, dass der Gesetzgeber nicht zumindest mehr Fortschritt wagt, indem er eine qualifizierte elektronische Signatur und somit die digitale Archivierung zulässt. Dadurch ließen sich wenigstens Ressourcen, Aufwand und Kosten für Druck, Ablage und Lagerung sparen.