VG Koblenz: Kein Entschädigungsanspruch für Arbeitgeber bei Quarantäne.

 Zwei Wochen Arbeitsausfall sind kalkulierbares Arbeitgeber-Risiko.

VG Koblenz: Kein Entschädigungsanspruch für Arbeitgeber bei Quarantäne.

Hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn Behörden anordnen, dass ein Mitarbeiter wegen Verdachts auf Corona-Ansteckung in Quarantäne muss? Die Koblenzer Verwaltungsrichter verneinten dies, weil ein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht (VG Koblenz, Urteile vom 10. Mai 2021, 3 K 107/21.KO und 3 K 108/21.KO).

Wer bezahlt das Gehalt, wenn Behörden Arbeitnehmer in Quarantäne schicken? Seit Beginn der Covid-19-Pandemie beschäftigen sich Gerichte immer wieder mit dieser Frage. Gemäß § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfGS) haben Arbeitnehmer in diesem Fall einen Entschädigungsanspruch gegen das Land. Kommt der Arbeitgeber für den Verdienstfall auf, kann er die Zahlungen vom Land zurückerstatten lassen. Voraussetzung ist aber: Der Arbeitnehmer darf keinen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB haben. Einen solchen hat er immer dann, wenn die Zeit „verhältnismäßig nicht erheblich“ ist, in der er unverschuldet nicht arbeitet. Regelmäßig ist umstritten, wie lange ein Lohnfortzahlungsanspruch besteht.

Land Rheinland-Pfalz: Anspruch auf Lohnfortzahlung für die ersten fünf Tage

Im konkreten Fall hatte eine Bäckereikette beim Land Rheinland-Pfalz Entschädungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für zwei Mitarbeiterinnen beantragt. Für Beide hatten die Behörden im März dieses Jahres eine 14-tägige Corona-Quarantäne angeordnet, weil Verdacht auf eine Ansteckung bestand. Das Land gewährte dem Arbeitgeber aber lediglich ab dem sechsten Tag der Quarantäne eine Erstattung. Der Grund: Für die ersten fünf Tage hätten die Arbeitnehmerinnen einen Lohnfortzahlunganspruch.

Kein Lohnfortzahlungsanspruch nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip?

Der Arbeitgeber klagte daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Koblenz: Eine Quarantäne von mehr als fünf Tagen sei keine „verhaltnismäßig nicht erhebliche Zeit“ nach § 616 BGB. Stattdessen handele es sich um eine erhebliche Zeit und damit entfalle der Lohnfortzahlungsanspruch nach dem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ insgesamt, also auch für den nicht erheblichen Zeitraum.

Die Koblenzer Verwaltungsrichter sahen das anders: Zwar bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Lohnfortzahlung und Sozialversicherungsbeiträge nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn ein Arbeitgeber diese auch während der Quarantäne bezahlt. Doch dieser scheide aus, wenn dem Arbeitnehmer ein Lohnfortzahlungsanspruch zusteht, auch wenn er nicht zur Arbeit kommen kann. Dies sei gemäß § 616 Satz 1 BGB der Fall, so die Richter. Wenn eine Behörde aufgrund des Verdachts auf Ansteckung bei einem Mitarbeiter häusliche Absonderung anordne, handele es sich um ein in der Person des Arbeitnehmers liegendes Leistungshindernis.

Bei mindestens einem Jahr Beschäftigung sind 14 Tage sind keine erhebliche Zeit

Die Dauer der Arbeitsverhinderung von sechs beziehungsweise vierzehn Tagen ist aus Sicht des Gerichts eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Ausschlaggebend sei dafür in erster Linie das Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses und der Dauer der Arbeitsverhinderung. So gesehen sei bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr eine höchstens 14 Tage dauernde Arbeitsverhinderung infolge Quarantäne noch als nicht erhebliche Zeit zu werten.

Für den Arbeitgeber sei das auch zumutbar: Es handele sich um ein kalkulierbares Risiko, wenn dieser den Lohn für zwei Wochen weiterzahlen muss, die Mitarbeiterinnen aber bereits deutlich länger als ein Jahr beschäftigt seien.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage hat das VG Koblenz die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zugelassen.

Nach Ende der Sommerferien könnte diese Frage die Gerichte wieder vermehrt beschäftigen. Infolge der immer weiter verbreiteten Delta-Variante des Corona-Virus ist zu befürchten, dass die Behörden häufiger Quarantäne anordnen als vor der Urlaubszeit. Das Urteil aus Koblenz zeigt: Ob der Arbeitsgeber dann Entschädigungszahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz verlangen kann, hängt auch davon ab, wie lang der Mitarbeiter schon bei ihm arbeitet. Zumindest ab einem Jahr Beschäftigungsdauer gelten vierzehn Tage Arbeitsverhinderung als nicht erhebliche Zeit. In diesem Fall hat laut VG Koblenz der Mitarbeiter einen Lohnfortzahlungsanspruch und der Arbeitgeber wird nicht nach dem Infektionsschutzgesetz entschädigt.