Überstundenzuschlag ab der ersten Stunde

 Teilzeitbeschäftigte müssen ab der ersten Überstunde Überstundenzuschläge erhalten

Eine Frau arbeitet spät abends allein in einem modernen Großraumbüro. Sie sitzt an einem Schreibtisch mit Computer und Tastatur, während der Rest des Büros dunkel und verlassen ist. Nur ihr Arbeitsplatz ist beleuchtet, was eine konzentrierte Arbeitsatmosphäre vermittelt.

Eine (tarifvertragliche) Regelung, die Teilzeitbeschäftigten ohne sachlichen Grund nicht ab der ersten Überstunde Überstundenzuschläge gewährt, ist diskriminierend. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Fall einer weiblichen Pflegekraft.

Keine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten

„Teilzeit“ ist inzwischen nicht mehr aus der deutschen Arbeitskultur wegzudenken. Rund 30 % aller Beschäftigten arbeiten momentan in Teilzeit, ein deutlich größerer der Teilzeitkräfte sind Frauen – rund 50 % der berufstätigen Frauen arbeiten in Teilzeit, Männer hingegen nur zu etwa 13 %.

Nach § 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) dürfen Teilzeitbeschäftigte wegen Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe würden das rechtfertigen.

Das Benachteiligungsverbot erfasst alle Arbeitsbedingungen, bezieht sich aber natürlich vor allem auf das Entgelt: Teilzeitkräften ist mindestens in dem Umfang Arbeitsentgelt zu gewähren, der dem Anteil an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht (Pro-rata-temporis-Grundsatz).

Doch was gilt beim Thema Überstunden? Ist es rechtens, dass Teilzeitkräfte erst Überstundenzuschläge erhalten, wenn sie die Stundenanzahl eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten – die ersten Überstunden also nicht als solche vergütet bekommen? Darüber urteilte Ende 2024 das BAG (Urteil v. 05.12.2024, Az.: 8 AZR 370/20).

Tarifliche Überstundenregelung auf dem Prüfstand

Eine Frau, die als Pflegekraft in Teilzeit bei einer ambulanten Dialyse-Praxis arbeitete, sah sich durch eine tarifvertragliche Regelung zum Thema Überstundenzuschlag als Teilzeitkraft benachteiligt.

Der für sie geltende Tarifvertrag sah einen Überstundenzuschlag von 30 % vor. Die Regelung hatte allerdings einen Pferdefuß: Während Vollzeitkräfte den Zuschlag ab der ersten Überstunde erhielten, galt das für Teilzeitbeschäftigte nicht. Die bekamen den Überstundenzuschlag erst, wenn die Stundenzahl der Vollzeitbeschäftigten mit Überstunden erreicht war.

Konkret bedeutete das: Leistete die Frau Überstunden, bekam sie nicht nach Erreichen der individuellen Teilzeitstundenanzahl (ca. 60 Std./Monat) Überstundenzuschlag, sondern erst nach Erreichen der allgemeinen Vollzeitstundenanzahl (hier ca. 160 Std./Monat): eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und Diskriminierung für die Frau.

Sie klagte, wollte den tariflichen Überstundenzuschlag erhalten und sah sich wegen ihres Geschlechts diskriminiert.

Diskriminierungsverbot verletzt

Das BAG gab der Frau Recht.

Das Gericht sah in der Regelung einerseits eine „schlechtere Behandlung“ von Teilzeitbeschäftigten i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG, schlicht weil die Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu Vollzeitkräften Überstunden ohne zusätzliche Vergütung leisten müssten.

Andererseits sei die Regelung als mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts eine Verletzung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG, §§ 1, 7 AGG). Der Grund dafür: Mehr Frauen arbeiten in Teilzeit – gerade in der Pflege –, und eine mittelbare Benachteiligung nach AGG liege schon dann vor, wenn eine vermeintlich neutrale Vorschrift bei Personen eines Geschlechts faktisch zu Nachteilen führe. So sei es im Fall der Klägerin: Für ihren Arbeitgeber arbeiteten deutlich weniger Männer als Frauen.

Und nun?

Damit hat das BAG geklärt, dass Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde Überstundenvergütung bekommen müssen. Denn einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung sah das Gericht nicht.

Das Urteil ist im Ausspruch klar, die Folgen für Arbeitgeber sind es allerdings weniger. Denn eine Entgeltgestaltung im Sinne des Urteils würde dazu führen, dass Teilzeitbeschäftigte bei gleicher Anzahl Arbeitsstunden wie Vollzeitbeschäftigte wegen der Überstundenzuschläge mehr verdienen. Hier beißt sich die Katze gefühlt doch in den Schwanz …

Was wir für Sie tun können

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Das Wichtigste kurz zusammengefasst:

  • Teilzeitbeschäftigte dürfen gegenüber Vollzeitbeschäftigten in allen Aspekten des Arbeitsverhältnisses nicht benachteiligt werden (Diskriminierungsverbot, § 4 TzBfG).
  • Eine tarifvertragliche Regelung, die Teilzeitbeschäftigten nicht wie Vollzeitkräften ab der ersten Überstunde einen Überstundenzuschlag zuspricht, verletzt das Diskriminierungsverbot.
  • Sind überwiegend Frauen von einer solchen Regelung betroffen, verletzt die Regelung außerdem mittelbar das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus dem AGG.